Nach Schweden zu reisen und dort zu waidwerken, ist der Traum vieler Jäger. team winz hat sich diesen langgehegten Traum erfüllt und ist in das Land der ungezählten Elche gefahren. Mit Büchse und Fotoapparat bewaffnet waren sie auf Tuchfühlung mit Braunbär, Elch und Rentier.
Das Ortsschild mit einer überdimensional stilisierten Mücke lässt uns nicht nur schmunzeln, sondern auch aufatmen. Teurajärvi – ein kleines Nest nördlich des Polarkreises in Lappland/Schweden. Seit 36 Stunden sind wir immer Richtung Norden unterwegs. Die Dunkelheit hat uns längst eingeholt. Es ist Brunft und somit die gefährlichste Zeit, um des Nachts auf Schwedens Straßen unterwegs zu sein. Zu oft geschieht es, dass sich einem ein Elch oder ein Ren auf offener Straße entgegenstellt. Zu viele Menschen- und Tierleben fordern solche nächtlichen Begegnungen hier im hohen Norden.
Schwedische Herzlichkeit
Als hätte unser Gastgeber unsere Ankunft gerochen, klingelt das Telefon: „Das Essen wird kalt, wo bleibt Ihr denn?“ Lachend entgegnen wir ihm: „Keine Sorge, wir sind kurz vor unserem Ziel und haben mächtigen Hunger mitgebracht.“ Ein Heulen aus unzähligen Jagdhundkehlen begrüßt uns, als wir den unter unseren Reifen knirschenden Steinweg zum Haus hinauffahren. Inmitten eines Sees befindet sich unser Reiseziel – der Hof von „Saari Sleddogs Fishing & Hunting“. Diese kleine Insel ist ein Paradies für Anette und Andreas sowie über 50 Schlittenhunde. 2.400 Kilometer stecken uns in den Knochen, und so kriechen wir aus dem Auto, aussteigen kann man dies nicht mehr nennen. Jegliche Eleganz ist auf dem Weg flöten gegangen. Wie sagt man so schön: „Der erste Eindruck ist entscheidend“, und der ist für uns pure Herzlichkeit. Ein heißer Pott Kaffee erwartet uns, und selbstgemachte Lasagne lässt uns das Wasser im Mund zusammenlaufen.
Schon beim Essen entsteht ein von Lachen geprägtes Gespräch, und es ist, als kenne man sich schon lange. Schnell kehren unsere Lebensgeister zurück, und das Thema dreht sich um die Abenteuer der kommenden Tage und um das Leben der beiden Lappen. Fast ein wenig neidisch lauschen wir Andreas’ Erzählungen über seine Entscheidung, Deutschland den Rücken zu kehren und sein Glück in Schweden zu suchen. Vor allem, da er es nicht nur suchte, sondern auch fand. Die Liebe zur Natur, zu den Schlittenhunden und die Faszination der Jagd ist das, was wir aus jedem Satz der beiden heraushören. Wir sind gefesselt von den Schilderungen über die Schlittenhunderennen der beiden, und so vergisst man die Zeit und quatscht bis tief in die Nacht.
Als wir uns aufmachen wollen, um in unsere Schlafsäcke zu kriechen, wartet eine große Überraschung auf uns. Bislang gingen wir fest davon aus, dass wir in den kommenden Tagen im Dachzelt unseres Land Rover Defenders nächtigen werden. Ohne uns ein Wort zu verraten, haben die beiden in den letzten Tagen alles getan, um die Jagdhütte rechtzeitig zu unserer Ankunft fertigzustellen, und so machen wir uns auf den kurzen Weg zu unserer neuen Herberge. Unter einem Meer aus tausenden von funkelnden Sternen begrüßt uns eine schnuckelige Hütte am Ufer eines Flusses, umrahmt von sanften Hügeln mitten im Revier. Schnell wird ein Feuer entfacht, und die Wärme des Kachelofens gibt uns den Rest. Binnen kürzester Zeit strecken wir müde unsere Glieder von uns, träumend von brunftigen Elchen.
Als der Duft von gebratenen Eiern und Kaffee uns am frühen Morgen weckt, fühlen wir uns wie in einem First-Class-Hotel. Andreas gibt sich wirklich alle Mühe, uns aus dem Bett zu locken und zu verwöhnen. Ganz nebenbei fragt er uns beim Frühstück grienend: „Habt Ihr schon einmal mit einem Bären gerungen?“ Ich bemerke, wie mir ein Kloß den Hals hochsteigt, und kontere: „Bislang nicht, aber solange ich zwischen Euch Jägern in Sicherheit bin, ist alles okay!“
Der Grund seiner Frage lässt nicht lange auf sich warten: Im Revier treiben sich nicht nur Elche herum, sondern es wurde ganz aktuell auch eine Bärin mit zwei Jungen ganz in der Nähe bestätigt. Zur Bekräftigung seiner Aussage zeigt er uns eine MMS, die ihm ein Jagdfreund erst heute Morgen zukommen ließ. Deutlich ist auf dem Foto zu erkennen, dass diese Bärin samt ihrer Jungen meinte, sich erleichtern zu müssen, und dies genau auf der Veranda einer Nachbarhütte, keine 500 Meter von uns entfernt, auch tat.
Elch mit bärigen Aussichten
Die Chance ist also gegeben, nicht nur einen Elch zu erlegen, sondern vielleicht auch einem Bären begegnen zu können, und so machen wir uns auf den Weg. Zum Glück haben wir Andreas als anerkannten Bärennachsuchenführer an unserer Seite. Leise beginnen wir unsere Pirsch, und schon zu Beginn stoßen wir auf frische Losung und Trittsiegel. Auch Schälschäden zeigen deutlich die Anwesenheit der grauen Riesen. Wir erreichen ein kleines Moor und stolpern beinahe in eine Brunftkuhle. „Oje, das hätte was gegeben.“ Aber vielleicht hätten wir ja größere Chancen, einem Elch in Anblick zu bekommen, würde die Wittrung eines Hirsches an uns haften. Zur Erläuterung: Elchhirsche schlagen eine Kuhle und nässen hinein, um sich daraufhin in ihr zu suhlen.
Der Platz scheint daher vielversprechend, spricht doch die frisch geschlagene Brunftkuhle für die Anwesenheit eines Elchhirschen, und unser Guide beginnt mit der Lockjagd. Einem eigens dafür konzipierten Lockinstrument, geeignet sowohl für das Anlocken eines Bären als auch für den Elch, werden nun die ersten Töne entlockt. Die ersten Rufe klingen perfekt, doch nach etwa einer halben Stunde verändert sich plötzlich das Klangbild, und die Töne klingen eher wie – Bohlen möge es uns verzeihen – „Modern Talking” in der Anfangszeit. Die Membran scheint sich durch die Feuchtigkeit verklebt zu haben, und es hat nun wirklich nichts mehr mit dem Ruf eines Hirschen zu tun. Trotz aller jagdlichen Passion und aufrichtiger Bemühungen beginnen wir nach kurzem Kampf mit uns selbst, laut loszuprusten, und liegen lachend inmitten der Blaubeeren.
Versucht unser Jagdführer zunächst noch, uns tadelnd anzublicken, misslingt ihm das nach einem weiteren quiekenden Lockruf, und wir brechen alle drei in lautes Gelächter aus. Leider kann man hier nicht die Töne wiedergeben, aber wir schwören, wir haben bislang auf keiner Jagd so gelacht wie auf dieser. Als wir uns beruhigt haben und im festen Glauben sind, dass unser Lachen jegliches Wild vergrämt haben muss, machen wir uns auf den Rückweg.
Hautnahe Begegnung
Auf halbem Wege bemerke ich im Augenwinkel eine Bewegung, wende mich vorsichtig zu Michael und sehe, dass er auch schon seine Bewegung gestoppt hat. Leises Knacken verrät anwechselndes Wild, doch noch können wir nichts sehen. Gespannt verharren wir regungslos und hören, wie das Geräusch näherkommt. So langsam wie möglich führe ich meine Kamera zum Auge, um schussbereit zu sein. Ich bin mir sicher, Michael ist es auch, und ein vorsichtiger Blick in seine Richtung bestätigt meine Annahme. Nun geschieht das, wovon viele Elchjäger träumen.
Zwei dieser langersehnten Giganten ziehen direkt in unsere Richtung, und ich begegne erstmals in meinem Leben einem Tier mit ihrem Kalb. Wirken sie auf Bildern eher tumb, treten sie jetzt majestätisch kraftvoll und elegant vor uns auf. Sie scheinen uns nicht wahrzunehmen. Bis auf fünfzehn Meter ziehen sie an uns heran, um plötzlich zu verhoffen. Während das Kalb unbekümmert um die Mutter herumalbert, äugt das Tier minutenlang direkt in meine Augen. Ich traue mich kaum zu atmen, um diesen Moment nicht zu zerstören und – ganz ehrlich – auch, weil ich nicht weiß, wie sie reagieren wird, wenn sie mich als Gefahr sieht. Fünfzehn Meter sind für ein Wild dieser Größe sicher nicht mehr als ein Katzensprung. Ich ahne, dass Michael auf den Moment wartet, in dem das Kalb frei steht.
Doch das Schicksal meint es mit dem Kalb besser als mit dem Schützen. Mit einem riesigen Satz bricht das Tier nach hinten aus, und das Kalb bleibt dicht gedrängt an seiner Mutter. Tief beeindruckt bleiben wir zurück. Worte zu finden in dieser Anspannung, ist im ersten Moment gar nicht möglich, erst nach mehrmaligem Durchatmen überschlagen sich die Sätze von uns dreien. Michael will erklären, weshalb er nicht abdrücken wollte, Andreas will diese Seltenheit betonen und ich – ja ich will erzählen, warum ich zu zittern begann. Aber der Reihe nach.
Als Michael erklärt, dass das Kalb nicht frei stand und ein Schuss ohne Gefahr für das Alttier nicht möglich war, nickt Andreas anerkennend und bemerkt: „Hut ab, so hätte nicht jeder gehandelt. Die meisten hätten den Finger gekrümmt und Funken gerissen!“ Ich für meinen Teil finde auf Anhieb nur ein einziges Wort: Courage! Nach Schweden zu reisen, diese Strapazen auf sich zu nehmen und bei einer vielleicht einmaligen Chance, einen Elch zu erlegen, doch zu verzichten, das ist weidmännisch.
Ohne Bedauern machen wir uns auf den Weg zur Hütte und reden noch lange über dieses Erlebnis. Die nächsten Tage stoßen wir immer wieder auf frische Elchfährten, auf frische Losung und auch auf Bärentrittsiegel. Auch unserem Jagdhelfer Olli, einem karelischen Bärenhund, gelingt es zweimal, einen Elch zu stellen. Ihn in der Brunft jedoch halten zu können, ist für einen einzelnen Hund kein leichtes Unter- fangen. Auer- und Birkwild sind ständige Begleiter auf unseren Pirschgängen durch das Moor.
Dieses Land übt eine solche Faszination auf uns aus, dass wir noch in diesem Winter zurückkehren werden, vermissen wir doch jetzt schon das Essen am offenen Feuer, die Holzofensauna und so vieles mehr – jedoch vor allem Anette und Andreas und ihre Herzlichkeit. Unseren langen Heimweg versüßt uns eine SMS, die uns zutiefst berührt: „Ihr seid als Gäste gekommen und als Freunde, tief ins Herz geschlossen, wieder gefahren.“