Säugen des Schalenwildes – Die Milch macht’s

Rotwild

Das Schalenwild hat die unterschiedlichsten Säugezeiten. Zu wissen, wann was säugt ist wichtig. Bild: Okapia/Imagebroker/Bernd Zoller

Ab dem 1. September ist bundesweit alles Schalenwild frei. Säugen Tiere, Schafe und Bachen nun noch? Wenn ja, wie lange? Dies und mehr zum Thema „Säugen des Schalenwildes“ erläutert Prof. Dr. Christoph Stubbe.

Die im Milchdrüsengewebe (Gesäuge) des weiblichen Schalenwildes produzierte Milch enthält alle organischen und anorganischen Nährstoffe, die für die Entwicklung der säugenden Jungtiere notwendig sind. In den ersten zwei bis drei Tagen nach der Geburt wird allerdings noch keine Milch abgesondert, sondern das sogenannte Kolostrum oder die Biestmilch. Damit werden den Jungen körpereigenes Eiweiß, antibakterielle und andere Schutzstoffe zugeführt, die keiner Verdauung bedürfen. Die Biestmilch wirkt auch abführend auf das Darmpech. Damit wird der für das Jungtier gefahrvolle Übergang vom Mutterleib zur Außenwelt überbrückt.

Die Muttermilch ist in den ersten Lebenswochen für das Jungtier überlebenswichtig. Beim Verlust der Mutter verenden die Jungen in Abhängigkeit von ihrem Lebensalter oder kümmern und gehen dann bei schwierigen Umweltbedingungen ein. Die Menge der Milchproduktion des Muttertiers schwankt individuell und von Art zu Art. Sie ist durch das Drüsengewebe begrenzt und nicht von der Jungenanzahl abhängig. Wenn eine Ricke drei Kitze führt, so sind diese oft etwas schwächer als Zwillingskitze, da sie sich die Milchmenge zu dritt teilen müssen. Die meisten Jungtiere der Schalenwildarten beginnen etwa eine halbe Stunde nach der Geburt, wenn sie das erste Mal stehen können, rasch und zielstrebig mit der Suche nach dem Gesäuge ihrer Mutter.

Es gibt Beobachtungen, dass Rehkitze in den ersten Tagen liegend gesäugt werden, aber auch diese säugen später im Stehen. Dazu grätschen sie die Vorderläufe oder knien auf ihnen. Anfangs werden die Säugeperioden vom Kitz unterbrochen, später dann von der Ricke. Über die Milchmengen, die Anzahl der Säugeperioden, die Dauer der Laktationsperiode und die Milchzusammensetzung der Schalenwildarten gibt es Untersuchungen an nur wenigen Tieren, die von Autor zu Autor schwanken. Daher werden im Folgenden die bekannten Spannen angegeben:

Arten im Einzelnen

WildartRehwildDamwildMuffelwildRotwild
Fettgehalt (%)12-188-108,68-12,36
Eiweißgehalt (%)8-106-85,735,25-10,4
WildartSchwarzwildKuhSchafZiege
Fettgehalt (%)4-5,13,76,23,9
Eiweißgehalt (%)7,1-93,35,43,8

Rehwild: Rehkitze legen sich bekanntlich in den ersten drei Wochen nach der Geburt in der sogenannten „Kritischen Periode“, in der sie auf ihre Mutter geprägt werden, selbstständig ab. Dabei liegen Geschwister nicht zusammen, sondern in größeren Abständen voneinander. Das dient dazu, Feinden die Suche nach ihnen zu erschweren und die Überlebenschance zu erhöhen. Sie werden nicht von der Ricke abgelegt. Diese weiß aber, wo ihre Kitze liegen, da sie sich unter Wind von ihnen aufhält. Sie verständigen sich gegenseitig durch Fieplaute, wenn gesäugt werden muss oder Hunger besteht. Die Ricke säugt ihre Kitze in der ersten Zeit drei- bis elfmal am Tag – bis zu 19-mal wurde schon beobachtet.

Jeder Saugakt dauert 30 bis 60 Sekunden. Jedes Mal werden 30 bis 80, im Durchschnitt 40 Milliliter Milch aufgenommen, was einer Tagesmenge von 400 bis 600 Milliliter entspricht. Die tägliche Milchleistung einer Ricke liegt zwischen 750 und 1.700 Milliliter. Gesäugt wird bis zum Alter von fünf bis sechs Monaten, vereinzelt aber auch deutlich länger. Mitunter findet man noch im Januar Milch im Gesäuge der Ricken.

Damwild: Damkälber säugen im Durchschnitt alle vier Stunden. Wie die meisten Wildarten regen sie den Milchfluss durch kräftige Hauptstöße gegen das Gesäuge an. Bei diesem Wild besteht die Vermutung, dass es Tiere gibt, die auch fremde Kälber säugen lassen (Ammensystem). Der Fettgehalt der Biestmilch beträgt 21 Prozent. Die Hauptsäugezeit dauert bis September. Es sind aber auch schon Kälber beobachtet worden, die bis zum Alter von zehn Monaten säugten.

Damtier mit säugendem Kalb.

Damwild: Manche Kälber nutzen das mütterliche Gesäuge, bis der Milchfluss gänzlich versiegt. Bild: Sven-ErikArndt

Muffelwild: Muffelschafe haben eine tägliche Milchleistung von 550 Milliliter. Die Säugezeit beträgt vier bis sechs Monate.

Rotwild: Auch bei Rotwild findet der erste Säugeakt etwa eine Stunde nach dem Setzen statt, der länger als die späteren dauern kann. In den ersten drei bis vier Wochen erfolgen täglich etwa sechs Säugeperioden von je rund 100 Sekunden, insgesamt also zirka zehn Minuten pro Tag. Pro Säugeakt werden in dieser Zeit 373 (± 120 ml) Milliliter Milch aufgenommen. Starke Tiere haben eine tägliche Milchleistung von drei bis viereinhalb Liter. Die Daten schwanken erheblich. Die Kälber werden bis in den Winter hinein gesäugt, wenn auch zunehmend seltener. Es gibt starke Unterschiede in der Größe des Gesäuges. Nach dem Säugeakt wird es deutlich kleiner, ist dann nicht immer erkennbar, ehe es dann langsam wieder anschwillt. Wenn man den Unterschied zwischen Tieren und Schmaltieren am Gesäuge ausmacht, kann es leicht zum Fehlansprechen kommen. Der Fettgehalt der Rotwildmilch wurde in den ersten Wochen mit bis zu 19,7 Prozent bestimmt.

Muffelwild das ihr Kalb säugt.

Muffelwild: Säugezeit vier bis sechs Monate. Bild: Jürgen Schiersmann

Elchwild: Insgesamt produziert ein Tier 100 bis 200 Liter Milch in einer Laktationsperiode. Im russischen Kostroma wurde das erste Institut für Elchzucht gegründet. Dort erhielt man bei einmaligem täglichen Melken drei Liter und bei fünfmaligem Melken sechs Liter Milch pro Tag von einem Tier. Insgesamt konnte man so von säugenden Elchtieren 400 Liter Milch in einer Laktationsperiode gewinnen.

Schwarzwild: Bei den Sauen erkämpfen sich die Frischlinge in den ersten drei Wochen ihre Stammzitze, der sie bis zum Ende der Aufzucht treu bleiben und die sie gegen die Geschwister verteidigen. Der Milchfluss von nicht besetzten Zitzen geht zurück. Die stärksten Frischlinge suchen die hintersten Zitzen, da dort die meiste Milch fließt. Der Milchfluss wird durch heftiges Massieren des Gesäuges eingeleitet, wobei mit dem Kopf gestoßen und mit den Vorderläufen gegen das Gesäuge getreten wird. Alle 40 bis 50 Minuten wird gesäugt. Dazu legt sich die Bache auf die Seite und präsentiert den Frischlingen das Gesäuge. Die Laktationsperiode dauert drei bis vier Monate.

Schwarzwild säugt ihre Rotte.

Schwarzwild: Gesäugt wird drei, vier Monate. Bild: Michael Migos

Verlust von Jungen

Das Verlieren der Jungtiere gehört zum natürlichen Populationsumsatz. Es hat keine nachteiligen Wirkungen auf die Muttertiere. Das Gesäuge schwillt zwar noch zwei bis drei Tage an, wird dann aber sehr rasch zurückgebildet. Bei der Erlegung eines Muttertiers lässt sich sehr gut feststellen, ob es noch Junge geführt oder diese bereits vor längerer Zeit verloren hat.

Dieser Artikel erschien zuerst in JÄGER 10/2012. Hier geht es zur aktuellen Ausgabe!