Rotwildbrunft in Bad Berleburg.Nun auf einen kapitalen Hirsch jagen zu dürfen, und das noch in einem heimatlichen, von alten Hirschen nur so wimmelnden Revier, das ist unbestritten die Krone deutschen Waidwerks. Begleiten Sie Michael Richter bei der Jagd auf seinen Lebenshirsch.
Die Talwiesen sind erfüllt vom wohltuenden Geruch des letzten Heuschnitts. Weiter oben, auf den kühlen Höhenzügen des Rothaargebirges, verströmt der Fichtenwald seinen würzigen Duft. Die Jagd auf den alten, starken Brunfthirsch in der eigenen Heimat bleibt für viele Jäger nur ein unerfüllter, von Sehnsucht begleiteter Traum. Für mich ist dieser Traum zur Wirklichkeit geworden – im Gebiet mit dem stärksten Rotwildvorkommen Deutschlands – den Wäldern von Richard Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg.
Das Traumrevier Bad Berleburg
Die Revierverhältnisse in Berleburg sind beeindruckend. Bei der ersten Reviererkundung geht es mit dem Pkw durch eine wunderschöne und abwechslungsreiche Landschaft. Die Höhenrücken, meist mit Fichten bestockt, gehen in feuchte Wiesentäler über. In den Mittellagen dominiert die Buche. Dichte Bewaldung wechselt sich mit weitläufigen Freiflächen ab, die vom Orkan Kyrill herrühren. Dem Jäger fällt die große Anzahl von Wildwiesen ins Auge. Vertraut steht das Schwarzwild schon am frühen Nachmittag auf diesen Flächen. Kleinere Rudel junger und mittelalter Hirsche zeigen sich kaum 100 Meter abseits des Waldweges, als wir mit unserem Gefährt langsam vorbeirollen. Sie sichern zwar, springen aber nicht ab. Etwas weiter kommt Muffelwild in Anblick.
Der erste Ansitz
Zum ersten Abendansitz führt mich Oberjäger Patrick Rath in den „Langen Grund“, einem etwa 800 Meter langen Wiesental im Herzen des Reviers. Auf dem bekannten Brunftplatz finden sich jedes Jahr mehrere starke Hirsche ein. Einer von ihnen ist der „Ewige Berghirsch“. Ein alter Bekannter, der das Zielalter von zwölf Jahren erreicht hat und in diesem Jahr erlegt werden soll. Die große Erfahrung des Berufsjägers und sein geordneter Abwurfstangenfundus sind nicht nur zum Wiedererkennen der Hirsche von großer Bedeutung, sondern lassen auch eine Altersbestimmung zu. Die Abwurfstangen des „Ewigen Berghirsches“ liegen als Passstangen vom dritten bis zum elften Kopf vor. Als wir unseren Ansitzplatz erreichen, stehen schon Sauen in der Wiese. Entfernt in einem größeren Laubholzkomplex meldet der erste Hirsch. Aber erst in der Dämmerung zieht Kahlwild in weiter Entfernung auf die Wiese, gefolgt von einem starken Hirsch. Ein sicheres Ansprechen ist aber nicht mehr möglich.
Nächster Versuch
Am nächsten Morgen pirschen wir in der Dämmerung vorsichtig in Richtung „Langer Grund“. Schon vor Erreichen des Sitzes können wir zwei unterschiedliche Stimmen ausmachen. Unbemerkt gelangen wir zu unserem Ansitzplatz. Schemenhaft erscheint ein Rudel Rotwild auf der Bildfläche. Es ist ein starker Kronenhirsch dabei. Aber welcher? Langsam wird es heller, und das lichtstarke Glas lässt keine Zweifel zu, es ist der Gesuchte. Die bizarre Kronenform ist deutlich zu sehen. Die Entfernung beträgt über 300 Meter, und an ein Anpirschen ist wegen der inzwischen ausgetretenen Sauen nicht zu denken.
Der Berufsjäger erzählt von anderen reifen Hirschen, die in diesem Jahr auf dem Abschussplan stehen. Der „Dicke Rote“ etwa. Ein im Wildkörper besonders starker Hirsch vom zwölften Kopf mit auffallend roter Deckenfärbung und dicken, langen Stangen. Oder der zwölfjährige Gustav, ein enggestellter, sogar etwas abnormer Kronenhirsch mit extrem dicken Stangen, sehr kurzen Augsprossen und fast elf Kilogramm Geweihgewicht.
Maße | Summe | Mittel | Faktor | Punkte | ||
1. Länge der Stangen | links | 103,40 | 208,00 | 104,00 | 0,5 | 52 |
rechts | 104,60 | |||||
2. Länge der Augsprossen | links | 33,90 | 74,30 | 37,15 | 0,25 | 9,29 |
rechts | 40,40 | |||||
3. Länge der Mittelsprossen | links | 21,10 | 53,90 | 26,95 | 0,25 | 6,74 |
rechts | 32,80 | |||||
4. Umfang der Rosen | links | 29,40 | 59,50 | 29,75 | 1 | 29,75 |
rechts | 30,10 | |||||
5. Umfang der Stangen unten | links | 17,80 | 1 | 17,80 | ||
rechts | 18,00 | 1 | 18,00 | |||
6. Umfang der Stangen oben | links | 15,90 | 1 | 15,90 | ||
rechts | 17,40 | 1 | 17,90 | |||
7. Geweihgewicht | 7,00 | 2 | 14,00 | |||
8. Auslage | 82,20 | 79 % | 0-3 | 2 | ||
9. Zahl der Enden | links | 7 | 16 | 1 | 16 | |
rechts | 9 | |||||
10. Zuschläge | Farbe | 0-2 | 2,00 | |||
Perlung | 0-2 | 1,50 | ||||
Spitzen der Enden | 0-2 | 1,00 | ||||
Eissprossen | 0-2 | 1,50 | ||||
Kronen | 0-10 | 7,05 | ||||
Gesamt | 211,93 |
Der letze Versuch
Schon um 16.00 Uhr geht es erneut ins Revier. Auf der Fahrt erzählt der Berufsjäger von einem weiteren Klasse I-Hirsch, den er am Vormittag bei einem größeren Kahlwildrudel gesehen hat. Der Brunftplatz liegt inmitten eines Fichten-Altholzkomplexes, dessen Kern ein geläutertes Stangenholz bildet. Die Abteilung trägt die Bezeichnung „Am Landekreuz“. Der Hirsch hat keinen Namen. Nach Abwurfstangenabgleich ist er vom 13. Kopf. Patrick will es heute Nachmittag auf diesen Geweihten versuchen und erst am nächsten Morgen wieder nach dem „Ewigen Berghirsch“ sehen. Wir prüfen den Wind und pirschen dann sehr bedächtig in Richtung Brunftplatz. Aber dort ist kein Kahlwild. Nunhoffen wir, dass der Hirsch irgendwann meldet. Nur so besteht eine Chance. Nach einer halben Stunde immer noch kein Laut. Doch der Berufsjäger hat eine Ahnung. Knapp einen halben Kilometer entfernt befindet sich eine kleine Wildwiese in dem geläuterten Fichtenstangenholz. Vielleicht ist das Rudel dorthin gezogen. Immer wieder den Wind prüfend, pirschen wir langsam weiter. Schemenhaft lässt sich schon die Äsungsfläche vom Rand des Stangenholzes aus erkennen.
Der Geweihte betritt das Feld
Im nächsten Moment vertreibt ein begehrenserweckender Trenser die Stille und lässt das Jägerherz schneller schlagen. Der Hirsch! Wir müssen mitten durch den Bestand, wenn wir mehr sehen wollen. Aber das ist leichter gesagt als getan. Trockene Fichtenkronen und dürre Seitenäste versperren überall den Weg. Es geht nur langsam vorwärts. Noch sind wir 80 Meter von der Wiese entfernt, als der Berufsjäger leise vor sich hin flucht: „Mist! Am Rand der Fläche steht eine Rotte Sauen. Wir müssen aufpassen, sonst kriegen die uns mit und die Bühne ist leer.“ Jetzt nur nichts verderben. Weiter geht es. Pirschen mit Widergängen, immer wieder den trockenen Ästen ausweichend. Schritt für Schritt kommen wir der Fläche näher. Beim Kahlwild steht ein starker Hirsch, der ruhelos sein Rudel umkreist. Aber ist es der Gesuchte? Das Glas zeigt einen gedrungenen Wildkörper mit kurzem, starkem Träger. Der Widerrist hebt sich deutlich von der Rückenlinie ab. Auf dem bulligen Haupt sitzen dunkle, starke Stangen. Der mürrische Gesichtsausdruck und die flach sitzenden Rosen erhärten den ersten Eindruck: Der ist alt und noch dazu stark. Ein Traumhirsch, zum Greifen nah.
Kein freies Schussfeld
„Den haben wir noch lange nicht“, flüstert Patrick. Wir müssen noch näher ran und versuchen, irgendwo eine Lücke zu finden. Das bedeutet weiter bis zum Rand der Äsungsfläche. Das sind noch 20 Schritte. Links von uns – sehr nah – die Sauen. Vor uns 20 Stück Kahlwild, keine 70 Meter entfernt. Der Hirsch treibt jetzt ein Tier nach rechts und sondert sich etwas vom Rudel ab. Das wäre die Chance. Aber kein Schussfeld. Überall Äste. Langsam weiter, jetzt fehlen nur noch fünf Meter, dann müsste irgendwo eine Lücke zwischen den Dürrästen zu finden sein. Das Kahlwild habe ich im Blick, aber was machen die Sauen? Sie sind uns näher gekommen. Der Hirsch treibt gerade ein brunftiges Stück zur anderen Seite der Wiese. Auf dem Boden sitzend, finde ich eine Lücke. Lauf und Zielfernrohr sind frei. Der Hirsch auch, kein Kahlwild in der Nähe. Auf etwa 70 Meter Entfernung erhält er die Kugel knapp hinter das Blatt und bricht nach wenigen Fluchten verendet zusammen.
Nach dem Schuss
Ruhig und tief berührt, sitzen wir noch einige Zeit auf dem feuchten Waldboden. Im nächsten Moment umarme ich Patrick, glücklich und strahlend. Voller Ehrfurcht trete ich heran an den gestreckten König der Wälder. Das Geweih, ein Kunstwerk der Natur. Dunkle, fast schwarze, gut geperlte, knorrige Stangen. Über einen Meter lang und im Umfang mit einer Hand nicht zu umfassen. In den Enden sehr unregelmäßig. Starke, wie ein Dach nach unten hin abfallende Rosen, die fast auf dem Schädel sitzen. Patrick kennt den Hirsch, der keinen Namen hatte, schon seit mehreren Jahren. Namenlos vielleicht deswegen, weil er bis zum elften Kopf für die hiesigen Verhältnisse nicht auffällig und nur ein guter Durchschnittshirsch war. In der Geweihentwicklung blieb er vom achten bis zum elften Kopf relativ konstant. Einen größeren Sprung machte der ungerade Achtzehnender erst im 13. und 14. Lebensjahr. Mein Dank gilt Prinz Richard, dem ich dieses großartige Jagderlebnis zu verdanken habe.
Jahr | Alter | Umfang Stangenlänge (cm) | Stangenumfang unten (cm) | Stangenumfang onen (cm) | Rosenumfang (cm) | Endenzahl | Geweihgewicht (g) | CIC – Punkte |
2010 | 8 | 97,05 | 16,70 | 15,20 | 26,50 | 16 | 6.470 | 198,96 |
2011 | 9 | 98,40 | 16,35 | 15,10 | 26,85 | 15 | 6.160 | 194,71 |
2012 | 10 | 99,50 | 16,50 | 15,25 | 27,65 | 17 | 6.410 | 199,57 |
2013 | 11 | 101,40 | 16,95 | 15,65 | 28,35 | 16 | 6.640 | 201,80 |
2014 | 12 | 100,00 | 17,10 | 16,15 | 29,70 | 16 | 6.760 | 205,87 |
2015 | 13 | 104,00 | 17,90 | 16,65 | 29,75 | 16 | 7.000 | 211,93 |