Unser Experte ROLAND ZEITLER widmet sich der Frage, ob die dicken Pillen wirklich wirksamer beim Keiler sind als mittelschwere Geschosse in Standardkalibern.
Sicherlich sind die starken Keiler, wie man sie vor allem in Bulgarien, Rumänien, Tadschikistan und der Türkei findet, nicht mit den „Schweinchen“ hierzulande zu vergleichen. Gewichte von aufgebrochen über 200 oder gar 300 Kilo sind keine Seltenheit. Da schaffen in der Regel nicht mal die Geschosse aus einer .300 oder .338 Win. Mag. einen Ausschuss, Nachsuchen sind hier oft der Fall. Kaliber wie 9,3×64, .375 H&H Mag. und RUM oder .404 Jeffery sind schon eher sinnvoll für die Jagd auf diese „Riesenkeiler“. Ich habe es einige Male erlebt, dass sich der totgeglaubte Keiler beim Herantreten erhob und verschwand.
VIEL HILFT VIEL?
Die meisten Jäger werden nach wie vor gerne zu ihren Mittelkalibern wie .300 WM/ WSM, 8×57 I®S, 8×68 S, .338 WM oder 9,3×62 greifen. Gewiss gibt es aber auch die Freunde der hohen Geschossgeschwindigkeiten. Roy Weatherby war auf diesem Gebiet ein Pionier und seine .300 Wby. Mag. war in den 1950er bis 70er Jahren ein Renner unter den Großwildjägern. Das Verhältnis von Geschossgeschwindigkeit, -gewicht und -konstruktion ist ein Garant für eine gute Geschosswirkung. Eine hohe Zielgeschwindigkeit sorgt meist für eine gute Augenblickswirkung.
Der Trend zu rasanten Kalibern dauert längst noch an, wie die Neuentwicklungen der Remington Ultra Magnums, der Nosler und Lazzeroni Kaliber oder der neuen Weatherby-Kaliber 6,5-300 sowie .30-378 Wby Mag. zeigen. Andere Jäger lieben die dicken Pillen. Sie setzen auf Masse statt auf Geschwindigkeit. Solche Geschosse müssen auch sehr gut stabilisiert werden und benötigen für eine gute Wirkung auch eine vernünftige Zielgeschwindigkeit. Gute B.C.- Werte sind kaum zu verwirklichen und eine gestreckte Flugbahn ist ein Wunsch. Welche der drei Varianten am sinnvollsten ist, überlasse ich dem Leser. Jede hat ihre Berechtigung und sollte situationsbedingt gewählt werden. Für eine gute Wirkung ist der Treffersitz und ein adäquates Geschoss mit einer gewissen Grundgeschwindigkeit entscheidend.
Schlechte Treffer können weder mit Geschossmasse noch mit Geschossgeschwindigkeit wettgemacht werden. Natürlich gibt es Slogans wie „ein Kaliber vom Murmel bis zum Büffel“. Die so betitelte 10,3×68 Mag. von RWS habe ich ein paar Mal auf Sauen eingesetzt.
GEBURTSTAGS-KEILER
In Erinnerung blieb mein Geburtstag, als mein Freund am Ende der Feier ein Bild von seiner Sauenkirrung erhielt. Es wurde beschlossen, sie aufzusuchen, zumal fast Vollmond war. So pirschte ich mit einer Blaser R8 in 10,3×68 an einem Weizenfeld voller Sauen vorbei zu einer Suhle. Es dauerte einige Zeit, bis ich einen schwachen Keiler am beleuchteten Hang im Mondschein erkennen konnte. Das 13g schwere Geschoss im Kaliber 10,3mm warf ihn mit Blattschuss direkt an Ort und Stelle um.
Bei Schnee erlegte ich auf kurze Entfernung mit der .45 Blaser (Geschossdiameter 11,4mm, Masse 22,7g) einen strammen Überläufer.
Die restlichen stoben über den Schnee und verhofften auf etwa 170m. Die scharfen Konturen hoben sich gut vom Schnee ab und hätten einen zweiten Schuss ermöglicht. Ich hatte mit meiner sonst verwendeten Patrone .300 WSM schon etliche Sauen auf diese Entfernung erlegt. Doch bei der auf 100 Meter Fleck eingeschossenen Büchse wusste ich nicht mal den Tiefschuss des behäbigen Geschosses auf 170 Meter und der Schuss unterblieb.
GEHEIMWAFFE
Wer seine .416 Rigby zur Keilerjagd einsetzt, sollte wissen, dass er einen rund 4,2 Kilo schweren Repetierer führen und im Schuss beherrschen muss. Also keine Angst vor dem Rückstoß. Schnelles Repetieren und sauberes Abziehen sind Grundvoraussetzungen für das sichere Treffen. Wirkt aber ein 26,6g schweres Verbundgeschoss (Kaliber 10,57mm, .416“) besser als ein 13g Geschoss aus der 8×68 S oder 8x75RS? Sicherlich liefert die .416 Rigby eine sehr tiefe Penetration und selbst bei starken Keilern hat man Ausschuss. Die setzen dem Verbundgeschoss auch genug Masse entgegen, damit es deformiert.
Ich schoss etliche Warzenschweinkeiler mit der .416 Rigby und alle lagen im Knall. Wer Großwildbüchsen in Kalbern wie .416 Rigby oder Rem. Magnum, .404 Jeffery, .416 Wby. Mag., .450/400 3 Zoll berrscht, ist bei der Keilerjagd gut bewaffnet. Die rund 26g schweren Pillen mit etwa 10,5mm Durchmesser werden Wirkung zeigen. Bescheiden dagegen die Kaliber 9,3×64, .375 H&H Mag. oder RUM mit ihren etwa 19g schweren Geschossen im Diameter von 9,3/9,5mm. Die .375er sind bequem schiessbar, werden aber auch in schwereren Waffen verbaut. Mit meiner Blaser R93 (2,99 kg) in 9,3×64 erlegte ich in meinem Revier den bisher stärksten Keiler von über 130 Kilo aufgebrochen. Sicherlich sind die Pillen in diesen Kalibern eine gute Wahl für die Keilerjagd. Mit 11,9g EVO- Green geladen wird aus der 9,3×64 sogar eine Weitschussbüchse.
NUR FÜR ECHTE KERLE
Doch wie sieht es mit den wirklich dicken Pillen für hartgesottene Jäger aus, um nicht
zu sagen Kalibern für harte Männer? Die alte Ordonanzpatrone .45-70 Gov‘t ist mit ihren 19,4g schweren und 11,61mm starken Geschossen schwach auf der Brust. Sie erreicht mit modernen Laborierungen gerade mal die 2000 Joule für Hochwild auf 100 Meter. Die ebenfalls in Unterhebelrepetierern verbaute .405 Win. bezeichnete Theodore Roosevelt als „Lionkiller“. Doch auch sie ist schwach und moderat im Vergleich zu modernen und starken Kalibern.
Ganz anders sieht es da mit den klassischen Großwildpatronen ab dem Kaliber .45“ aus. Deren dicke Pillen werden ausreichend beschleunigt, um genug Energie ins Ziel zu bringen. Die .458 Win. Mag. lässt sich in noch führigen Waffen verbauen und beherrschen, eine sehr wirkungsvolle Patrone auf starke Keiler, die bei guten Treffern umwerfend wirkt. Ebenfalls 32 oder 33g schwere, dicke Pillen verschießen die stärkeren .45er Kaliber wie .450 Rigby und Dakota, .458 Lott, .460 Short A-Square oder die starke .460 Wby. Mag.. Sie beschleunigen die Geschosse auf Mündungsgeschwindigkeiten zwischen 622 und 823 m/s, was eine Energie von 6394 bis 10973 Joule ergibt. Sie müssen in rund 4,5 bis 5 Kilo schweren Repetierern verbaut werden, damit man sie noch zielsicher schießen kann.
Das Führen solcher Großwildbüchsen kann zur Last werden und nicht jeder Schütze kann sie treffsicher schießen. Die kinetische Rückstoßenergie der .460 Wby Mag. von etwa 110 Joule setzt dem Schützen ganz schön zu und mit schnellen Folgeschüssen sieht es meist schlecht aus. Mögen diese Kaliber noch etwas für Boys sein, dann sind die .500 Jeffery und .505 Gibbs doch eher was für harte Männer und Frauen. Die 34 und 35 g schweren Geschosse erbringen an der Mündung Energiewerte von 9288 bzw. 8392 Joule. Die hauen Keiler wirklich um. Um Kaliber wie .577 Tyrannosaur oder .585 Nyati ist es ruhig geworden, da sie kaum einer sauber schießen kann und Patronen eine Rarität sind. Immerhin wiegt ein Repetierer in .505 Gibbs schon rund 5 Kilo. Man kann die .500 Jeffery und .505 Gibbs zwar mit einem Zielfernrohr schießen, sinnvoll ist es aber nicht. Besser ist ein Rotpunktvisier oder das Eisenvisier, da beide vom Auge weit entfernt sind.
DOPPELTER SPASS
Wer die dicken Pillen lieber aus einer Doppel- oder Blockbüchse verschießt, wird zu den überwiegend englischen Großwildkalibern der Nitro Express Klasse greifen. Noch gut schießen lässt sich die .450 N.E., einschließlich der weiteren Entwicklungen in dieser Klasse wie .500/465, .470 oder .475 No. 2 N.E. Deren 31g bzw. 32g schweren Geschosse bringen es auf eine Mündungsenergie von etwa 6670 – 7000 Joule.
Der Rückstoß ist für den Schützen schon happig, trotzdem kann man mit diesen Kalibern treffsicher Keiler erlegen und auch ein Zielfernrohr ist kein Problem – vielleicht ein Stilbruch. Wer meint, etwas dicker auftragen zu müssen, wird mit dem 12,95mm starken und 37g schweren Geschoss der .500 N.E. liebäugeln. Immer noch eine gut handhabbare Doppelbüchse, mit der man treffsicher schießen kann.
DER ENDGEGNER
Nun gibt es hartgesottene Jäger, die etwas dicker auftragen möchten. Wer umwerfenden Rückstoß liebt und Muskelpakete im Arm hat, um eine rund bis 6,6 bis 9 Kilo schwere Büchse zu handhaben, kann zu den ganz dicken Pillen greifen.
In der .577 N.E. wird ein 49g Geschoss verladen, in der .600 N.E. eines mit 58g und schließlich in der .700 N.E. eines mit 65g. Die drei dicken Kaliber erzielen Mündungsenergien von immerhin 9500 bis über 12000 Joule. Für einen zweiten Schuss benötigt man schon etwas Zeit, um die Waffe wieder korrekt in die Schulter einzulegen. Man sollte darauf achten, dass die Büchse einem nicht aus den Händen fällt. Der Rückstoß dieser Kaliber ist gewaltig, aber gerade noch verkraftbar. Eine .378 oder .460 Wby Mag. schlägt nach meiner Erfahrung mehr und schmerzhafter. Wer etwas von 13 kg schweren Präzisionsbüchsen im Kaliber .50 BMG hält, der kann sie einsetzen, ohne viel Rückstoß verkraften zu müssen. Das Waffengewicht und die Mündungsbremse zähmen die .50 BMG und ihre 20.000 Joule Mündungsenergie zum Glück.
DIE WIRKUNG MACHT‘S
Masse und Dicke des Geschosses sind bei der Wirkung nicht alles. Natürlich entscheidet auch die Konstruktion über eine umwerfende Wirkung. Das Verhältnis von Geschossmasse und – geschwindigkeit ist für die Wirkung auf Wild sehr entscheidend. Etwas mehr Geschwindigkeit erbringt meist eine bessere Augenblickswirkung. Wer meint, mit einer dicken Pille auf der sicheren Seite zu sein, der hat sich getäuscht. Sie machen schlechte Treffer nicht wett. Selbst bei schweren Keilern deformieren manche Großwildgeschosse nicht sonderlich gut und haben eher einen Vollmanteleffekt.
Eine sorgfältige Geschossauswahl ist erforderlich. Ich habe mit den Weldcore Verbundteilmantelgeschossen von Woodleigh gute Erfahrungen gemacht – auch bei Keilern. Ideal für eine gute Deformierung sind immer Knochentreffer. Ansonsten kann man bei den wirklich dicken Pillen schnell im Wirkungsbereich alter Vorderlader mit Bleigeschossen sein. Schwarzpulverpatronen mit „Bleibatzen“ von 122g im Kaliber 4 wirken dann nicht nur auf Keiler umwerfend, sondern auch auf den Schützen. Es gilt: Der Treffersitz ist – egal bei welchem Kaliber – entscheidend, das gilt auch für kapitale Keiler.