Kaum Erfahrung mit Wolfshybriden
Auf der anderen Seite steht das hessische Senckenberg Institut mit seinem Leiter der Naturschutzgenetik, Dr. Carsten Nowak. Seit das Bundesamt für Naturschutz 2009 mit einer Ausschreibung nach einem geeigneten nationalen Referenzlabor für Wolfsgenetik suchte, hat man dort tausende Wolfsproben analysiert. Damit wurde der heutige Wissensstand zur genetischen Struktur der europäischen Wolfspopulation maßgeblich de niert. Ausschlaggebend für den Zuschlag waren Nowaks bereits gesammelten Erfahrungen im Wildkatzenmonitoring. Er war sich sicher, Hybriden und reine Wölfe unterscheiden zu können und über die Kapazitäten zu verfügen, um eine hohe Anzahl von Proben unterschiedlichster Herkunft zu bearbeiten.
Auch die dafür benötigte Referenzdatenbank sei bereits angelegt gewesen. Mittlerweile umfasse sie rund 800 Profile aus Deutschland, 250 aus dem europäischen Ausland wie Polen und Italien sowie 100 Individuen aus den Karpaten. Zusätzlich habe man Wolfshunderassen extra erfasst, um diese sicher von Wölfen unterscheiden zu können. Etwa die Hälfte der jährlich bearbeiteten 1.500 bis 2.000 Proben sind mittlerweile Rissgutachten, die andere Hälfte dient dem Monitoring auf Basis von Losungs-, Urin- und Haaranalysen. Die Rissgenetik und Abstammungsanalyse bei Wölfen sind neue wissenschaftliche Felder, und jedes der Labore verwendet seine eigene Vergleichsdatenbank. Nun werfen sie sich gegenseitig Inkompetenz vor.
Was genau wird untersucht?
Weil man sich aufgrund der Datenmenge nicht die gesamte DNA ansehen kann, werden für Analysen Marker bestimmt. Dies sind besonders markante DNA-Abschnitte, wie zum Beispiel Gene, in denen sich Hunde und Wölfe eindeutig unterscheiden. Neben der Methode spielt bei der Analyse aber vor allem die Qualität der Marker eine Rolle. Nicht alle DNA-Bereiche eignen sich gleich gut. Dabei liefern zehn gute Marker aussagekräftigere Ergebnisse als 20 minderwertige.
Mit jedem schlechten Marker in der Analyse wird das Resultat weniger eindeutig. Einige Labore, wie etwa das Senckenberg Institut, schauen sich dafür SNPs,einzelne variable Basenpaare, an. Diese Methode ist schnell und kostengünstig, außerdem sind diese Fragmente recht robust und das Verfahren wenig fehleranfällig. ForGen benutzt Mikrosatelliten (STRs), kurze DNA- Sequenzen, die eine individuelle Anzahl an Wiederholungen aufweisen. Sie sind zwar empfindlicher, aber für ein eindeutiges Ergebnis müssen weniger Abschnitte untersucht werden, daher ist es ein Standardverfahren in der Forensik bei gut bekannten Genomen. Da es aber international kaum Untersuchungen zur Wolfsgenetik gibt, hat sich in diesem Bereich bisher keines der Verfahren gegen das andere als Standard durchgesetzt.
Wolfshybrid? Wahrscheinlich nicht
Alles begann, als im Frühjahr 2015 Hobbyschäfer Dirk Hansen aus der nordfriesischen Südermarsch tote Schafe und Lämmer zu beklagen hatte (Husumer Nachrichten). Auch andere Deichschäfer waren betroffen. Sie riefen den zuständigen Wolfsberater, der Rissproben nahm und diese an das Senckenberg Institut schickte – vielerorts mittlerweile ein alltäglicher Vorgang, der neben wolfssicheren Zäunen für eine Entschädigung notwendig ist. Die Auswertung ließ auf sich warten. Einige Proben waren nicht auswertbar, in den übrigen war nur Hunde-DNA nachzu- geweisen. Keiner der Deichschäfer sollte Wiedergutmachung erhalten. Weil sie dem Ergebnis nicht trauten, schickten sie auf eigene Kosten einen zweiten Satz Proben nach Hamburg. Dort kam Forensikexpertin Dr. von Wurmb-Schwark zu einem anderen Urteil.
Auf ihrem Labortisch wurden die nordfriesischen Rissproben erneut untersucht – allerdings mit einem anderen Verfahren –, und sie kam zu dem Schluss, dass sich mit 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit ein Wolf für das Ableben der Schafe zu verantworten habe. „Es ist in der Forensik absolut üblich, mit Wahrscheinlichkeiten zu arbeiten. Es ist merkwürdig, dass es vom Senckenberg nur heißt ,Wolf ’ oder ,Nicht-Wolf ’“, sagt ForGens wissenschaftliche Leiterin dazu. Ihre Vorgehensweise unterscheidet sich auch bei den Rissproben nicht von einem der Kriminalfälle, die sie sonst bearbeitet. Was dann folgte, allerdings schon. Die Schäfer wandten sich an die lokale Presse.