Mutmaßliche Wolfsattacke von Boitze wirft weiter Fragen auf.
Der JÄGER beantwortet exklusiv Fragen des Norddeutschen Rundfunks.
Mitte Juli kamen erstmals Zweifel an der Geschichte von Ralf K. auf, als sich die niedersächsischen Umweltstaatssekretärin Almut Kottwitz (Grünen) auf einem Informationstreffen wie folgt geäußert haben soll: „Alle haben gesagt, dass das, was der Jäger gesagt hat, nicht stattgefunden haben kann.“ Schnell wurde in der Presse geurteilt, dass es sich bei dem Erlebnis von Ralf K. um Jägerlatein gehandelt haben muss. Auch Ihr JÄGER berichtete darüber.
Einige Tage später gab es dann tatsächlich eine offizielle Stellungnahme des niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz. im Rahmen einer kleinen Anfrage. Hier hieß es schließlich, dass Sachverständige keine Spuren finden konnten, welche die Aussagen von Ralf K. bestätigen würden. Für viele nahezu ein Beweis, dass Ralf K. fantasiert haben muss. So titelt auch der NDR in einem aktuellen Online-Artikel für den die Redaktion zu einer Stellungnahme aufgefordet wurde.
Lesen Sie hier exklusiv die ausführliche Stellungnahme.
Frage NDR: Ihre Zeitschrift hatte bereits im Juli noch einmal über den Vorfall in Boize berichtet. Jetzt steht laut Ministerium fest, dass es keine Wolfsattacke gab. Werden Sie das jetzt ebenfalls auf Ihrer Homepage berichten und damit Ihren ersten Artikel richtigstellen?
Antwort JÄGER: Zitat Kleine Anfrage LT-Az.: 17/3346: „Diese Spurensuche erbrachte eine Vielzahl verschiedener und verschieden alter Tier- und Menschenspuren. Unter den Spuren in unmittelbarer Umgebung des Orts des geschilderten Geschehens fand sich keine Wolfsfährte. (…) Am Ort des Geschehens festgestellte Tierhaare wurden genetisch untersucht und konnten einem Fuchs zugeordnet werden.“
Laut Ministerium steht also nur fest, dass keine Spuren sichergestellt werden konnten, die den Bericht des Herrn K. untermauern. Die Behauptung, es habe keine Attacke stattgefunden, wird also lediglich anhand nicht vorhandener Indizien getroffen. Für uns steht daher nicht fest, dass Herr K. gelogen hat, und wir sehen keine Veranlassung, unseren ersten Artikel, der lediglich die Aussagen von Herrn K. wiedergab und seiner Geschichte eine Plattform bot, zu korrigieren. Allerdings werden wir weiterhin über neue Entwicklungen in dem Fall berichten.
Frage NDR: Eine Attacke auf den Menschen, wie von Herrn K. beschrieben, gilt laut Experten als sehr sehr unwahrscheinlich und ist in der jüngeren Zeit in Europa nicht vorgekommen. Dennoch hat Ihre Zeitschrift, die als erste über den Fall berichtet hat, die Schilderungen damals nicht in Frage gestellt. Gab es hierzu keine Plausibilitätsprüfung in Ihrem Haus bzw. warum haben Sie den geschilderten Vorfall für derart glaubwürdig gehalten?
Antwort JÄGER: Für uns bestand kein Grund, an den Schilderungen von Herrn K. zu zweifeln, insbesondere nicht, nachdem er zugesichert hatte, seine Aussage „an Eides statt“ zu versichern. Die Rückkehr des Wolfes nach Deutschland ist ein sehr emotionales und kontrovers diskutiertes Thema. Sich öffentlich zu einem solchen Vorfall zu äußern, bedeutet, sich Anfeindungen und Drohungen auszusetzen. Wer würde das ohne triftigen Grund tun wollen?
Zunächst einmal kam es im Jahr 1977 zu einem tödlichen Wolfsangriff auf ein Kind in Bremen. Dass es in jüngerer Zeit keine ähnlichen Vorfälle in Europa gegeben haben soll, mag daran liegen, dass es über hundert Jahre schlicht keine Wölfe gab. Während abwesende Wölfe keine Menschen angreifen können, hatten deutsche „Wolfsexperten“ also auch kaum die Gelegenheit, das Verhalten von Wölfen in einer dichtbesiedelten Kulturlandschaft, wie Deutschland sie ist, zu studieren. Es ist also in Frage zu stellen, woher aussagekräftiges Expertenwissen kommen sollen. Aus Ländern, die über eine nennenswerte Wolfspopulation verfügen (z.B. Russland, China, Indien), kommen immer wieder Berichte über tödliche Attacken von Wölfen auf Menschen. Insbesondere dort, wo Wölfe die Nähe zu menschlichen Strukturen suchen.
Frage NDR: Am 14. Juli steht auf Ihrer Homepage u.a. dieser Passus:
„Schlussendlich ist der Artikel Öl im Feuer der bisweilen äußerst emotional geführten Diskussion um den Wolf. Kritikresistente Wolfsbefürworter sehen sich durch solche unbelegte Schlagzeilen bestätigt, während in vielen Menschen die Skepsis bleibt, ob die Öffentlichkeit ehrlich über das Thema Wolf informiert wird.“
Wie ehrlich und objektiv informiert Ihre Zeitschrift die Öffentlichkeit?
Antwort JÄGER: Wir widmen uns dem Thema Wolf seit jeher sehr kritisch. Dabei kann Kritik niemals am Wildtier Wolf geübt werden, sondern lediglich an dem öffentlichen Umgang mit seinem Management und der Berichterstattung darüber. Pauschalaussagen von sogenannten Experten, wie etwa „der Wolf habe eine natürliche Scheu vor Menschen“, wurden zwar durch Augenzeugenberichte (z.B. Vorfälle um Amelinghausen) mittlerweile mehrfach widerlegt, werden aber trotzdem weiterhin in den Medien kaum hinterfragt und weiterhin zitiert. Wenn es, wie im Fall des gerissenen Isländer-Fohlens (Norderheide), im offiziellen Bericht heißt, „Wolf kann nicht ausgeschlossen werden“, und daraus in der Presse wird, es war kein Wolf, oder die genetische Analyse des getöteten Chihuahuas nicht-europäische Wolfs-DNA zutage fördert und es deshalb ein Wolf-Hund-Hybride gewesen sein muss, dann sind kritische Fragen durchaus angebracht. Woher kommt zum Beispiel die große Anzahl an Wolfshunden plötzlich her, die vermehrt überfahren wird und so häufig für Fehlalarm sorgen soll? Sind die Untersuchungsmethoden, die zur Verfügung stehen bzw. die angewandt werden, überhaupt adäquat, um Wölfe und Hunde zu unterscheiden? Wieso gibt es keine genauen Zahlen über private Wolfs- und Wolfshundehalter? Wir stellen uns deshalb auch öffentlich die Frage, ob mit dem Wolf ehrlich umgegangen wird. Und wenn nicht, welche Gründe gibt es dafür?
Frage NDR: Bereits im Zuge einer anderen Wolfsbegegnung einer Hundeführerin in Amelinghausen gab es Vorwürfe, dass Ihre Zeitschrift bzw. deren Chefredakteur Dr. Lucas von Bothmer das Geschilderte von Hundeführerin und Wolfsbeauftragten falsch wiedergegeben habe, um unnötig Angst vor dem Wolf zu schüren. Auch in diesem Fall in Boize macht es den Anschein, dass der JÄGER einseitig gegen den Wolf berichtet. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf?
Antwort JÄGER: Wie bereits erwähnt, hat der JÄGER lediglich die Aussagen des Herrn K. wiedergegeben und dies auch kenntlich gemacht. Wir berichten keineswegs einseitig, sondern veröffentlichen auch Gegendarstellungen. Eine solche haben Sie in Frage 3 zitiert. Wenn Kritik am Umgang mit dem Thema Wolf als einseitige oder tendenziöse Berichterstattung aufgefasst wird, muss man sich fragen, ob es mittlerweile als unerwünscht gilt, eine allgemeingültige, öffentliche Meinung zu hinterfragen. Grenzt dies nicht schon an Zensur? Häufig müssen Betroffene (Nutztierhalter, Hundebesitzer, Jäger) eine besondere Form der Zensur, den Shitstorm, erleben.
Im Fall Amelinghausen hinterließen frühe, persönliche Gespräche mit der Dame den Eindruck eines tieftraumatischen Erlebnisses, das die Dame jedoch später „aus Angst, man würde die Wölfe erschießen“, widerrief. Der Nervenzusammenbruch, den die Frau erlitt, spricht ebenfalls eine deutliche Sprache. Den Vorwurf der einseitigen Berichterstattung kann man also jedem Medium machen, dass sich vehement jeder kritischen Betrachtung des Umgangs mit der Wiederansiedlung des Wolfes in Deutschland verschließt.