Auf einer Internetseite für Freizeitreiter ist ein „Ratgeber für Reiter, Jogger, Mountainbiker und Hundehalter“ zum Umgang mit dem Wolf veröffentlicht worden.
Die Autorin, eine freie Journalistin, hat sich mit allen Interessensverbänden auseinandergesetzt, beruft sich in den praktischen Tipps jedoch vor allem auf das Wolfskontaktbüro Lausitz und somit auf Aussagen von offizieller Stelle.
Ihr JÄGER hat die haarsträubende Richtlinien für Erholungssuchende unter die Lupe genommen.
Allem voran ist festzuhalten, dass Wachsamkeit in der freien Natur immer notwendig ist. Das gilt nicht erst, seit der Wolf zurückkehrt ist, denn auch Wildschweine können gefährlich werden.“
Natürlich sind auch Sauen keine harmlosen Kuscheltiere, trotzdem kann zwischen dem omnivoren Schwarzwild und dem Prädator Canis Lupus Lupus unterschieden werden.
Den Beutegreifer, der seit 150 Jahren nicht mehr in seiner ursprünglichen Verbreitung in Deutschland heimisch ist, einem solchen Vergleich zu unterziehen, schadet der Diskussion.
„Kopfhörer im Wald sind tabu. Wolfsexperten bitten aber Waldbesucher zumindest zu versuchen, Fotos von Wölfen anzufertigen, wenn die Situation es erlaubt.“
Auch auf dem Fahrrad und beim Joggen auf dem Bürgersteig ist es von Vorteil, die Umgebung akustisch wahrnehmen zu können. Aber nun Erholungssuchenden das Kopfhörertragen in Wolfsgebieten verbieten zu wollen, ist äußerst fragwürdig. Zwar ist es begrüßenswert, das Bewusstsein der Waldbesucher für die Natur zu stärken, Maßregelungen und Verbote sind hier jedoch nicht das probate Mittel. Denselben Jogger oder Fahrradfahrer anzuhalten, den Wolf zu fotografieren, ist eine Instrumentalisierung jener Freizeitler, bei der das Verantwortungsbewusstsein über die eigenen Äußerungen offenbar verkannt wurde. Hier muss sich die Frage gestellt werden, wie der Nordic-Walker einschätzen kann, ob es „die Situation erlaubt“, den Wolf zu fotografieren. Diese Aufforderung könnte eine möglicherweise gefährliche Situation für den Leser des Leitfadens hervorrufen.
„Abgesehen von sehr jungen Wölfen und ggf. solchen, die angefüttert wurden, ist der Wolf scheu.“
Grundaussagen zum Verhalten von Wölfen haben sich besonders durch die Beobachtungen in Niedersachsen in den letzten Monaten als falsch erwiesen. Über mangelnde Scheu einzelner Tiere und die Hypothese der „angefütterten Wölfe“ darf diskutiert werden, ist jedoch in einem Leitfaden irreführend.
„Laufen Sie nicht mit Kopfhörern und behalten Sie die Umgebung im Auge. In der Gruppe sind Sie grundsätzlich sicherer unterwegs.“
Hier klingt es plötzlich so, als wäre der Jogger oder Spaziergänger im Wald doch in akuter Gefahr. Dass dem gegenüber die Behauptung steht, der Wolf sei scheu und stelle für den Menschen keine Gefahr dar, führt die Argumentation ad absurdum. Das Ziel sollte eine Einbeziehung aller Beteiligten in eine sachliche Debatte über Wölfe sein, die vor allem auf echten wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht.
Auch die vorgeschlagenen Regeln für Mountainbiker und Downhill-Fahrer sind für eine Begegnung mit der Graupfote ausgelegt, die offenbar auf nähere Distanz erfolgt.
„Für den Wolf ist der Mensch eher uninteressant, das Rad könnte ihn allerdings neugierig machen. Nähert sich der Wolf, sollte der Biker das Rad zwischen sich und Wolf halten. Es kann helfen, das Rad anzuheben und wieder abzustellen.“
Das Reiten als Freizeitbeschäftigung wird in dem Leitfaden, dessen Ratschläge durch das Wolfsbüro Lausitz abgesegnet wurden, am meisten eingeschränkt. Auch hier solle man sich lieber in der Gruppe und zu bestimmten Zeiten mit den Pferden bewegen.
„Reiten Sie vor allem mit jungen und unerfahrenen Pferden nicht allein aus. Meiden Sie mit unruhigen und unerfahrenen Pferden Regionen, von denen Sie wissen, dass dort Wölfe unterwegs sind(…). Bedenken Sie, dass Wölfe vor allem in den frühen Abendstunden und am frühen Morgen unterwegs sind.“
Als Fazit kommt der Leitfaden zu folgender Schlussfolgerung:
„Die Herausforderung ist nicht unbedingt die Rückkehr der Wölfe. Die Herausforderung ist, den Menschen zurück zur Natur zu bringen und ihm zu vermitteln, wie die Natur, wie Wildtiere und wie der Wald funktionieren.“
Es stellt sich die Frage, ob man als Angesprochener, also als Reiter, Jogger, Mountainbiker und Hundehalter sein komplettes Verhalten dem Wolf anpassen möchte. Mögen die empfohlenen Verhaltensregeln auch gut gemeint sein, zeigen sie einmal mehr den ideologischen Umgang mit dem Thema Wolf. Sinnvoller wäre es, die Debatte endlich auf eine Ebene zu erheben, die von echten wissenschaftlichen Erkenntnissen geprägt ist. Eine Verteufelung von Isegrim ist genauso schädlich wie die Aufgabe der eigenen Interessen aus falsch verstandener Tierliebe.