Geschoss führt zum Täter
Erhält der Schusswaffenerkennungsdienst von den zuständigen Ermittlern nur Munitionsteile, gehen diese direkt zum Bundeskriminalamt (BKA). Denn im Kriminaltechnischen Institut (KTI) des BKA in Wiesbaden untersuchen Kriminaltechniker in abgedunkelten Laborräumen Munitionsteile.
Erster Schritt ist die sogenannte Systembestimmung. Anhand der noch erkennbaren Abdrücke der Züge und Felder am Geschoss wird versucht, die Waffenart, den Hersteller und das Waffenmodell zu bestimmen. Umso besser die Abdrücke der Züge und Felder auf den Überresten erhalten sind, desto präziser kann der Schusswaffenerkennungsdienst des BKA angeben, um welche Waffe es sich handelt. Hilfreich dafür ist die enorme Waffensammlung des BKA: über 8.500 Waffen.
Besonders Jagdmunition stellt die Ermittler aber vor ein Problem, da die Geschosse oft stark deformiert oder zersplittert sind. Um das Waffensystem zu ermitteln, wird die Richtung der Züge und Felder und der Abstand zwischen den Zügen berechnet. „Eigentlich nicht aufwändig“, wie mir der Beamte des Dienstes erklärt. Ist das Geschoss aber zu sehr verformt, ist die Bestimmung so gut wie unmöglich. Das ist die nächste Krux bei illegalen Wolfstötungen. Da fast stets Jagdmunition verwendet wird, versanden die Ermittlungen häufig spätestens hier.
Aber auch Munition, die zu keinem Ermittlungserfolg geführt hat, landet nicht im Mülleimer. Für alle Munitionsüberreste, die dem BKA übergeben werden, wird eine eigene Kartei angelegt. Bereits über 9.000 Geschosse aus verschiedensten Verbrechen lagern in der zentralen Tatmunitionssammlung des KTI. Sollte nun mit derselben Waffe wieder ein Wolf geschossen werden, lässt sich – so hoffen die Kriminaltechniker – gegebenenfalls ein Muster (im Sinne eines Tatzusammenhangs) erkennen. Im Falle der illegalen Tötung eines streng geschützten Tieres wird das Geschoss fünf Jahre eingelagert.
Ungesühnte illegale Wolfstötungen
Egal ob auf Artenschutzverbrechen spezialisiert oder nicht – bis jetzt haben die Ermittlungen noch keinen einzigen Täter entlarvt. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass es schon immer so war. Menschen zu verfolgen, die sich in der Natur gut auskennen, hat schon seit jeher die Staatsgewalt zur Verzweiflung getrieben.
Das Jahrhunderte alte Katz-und-Maus-Spiel zwischen Wilderer und Gendarm ist mitnichten zu Ende. Mit dem Wolf nimmt es erst wieder richtig Fahrt auf. Der Wald wird weiterhin viele Wölfe verschlucken. Ob Sie geschossen wurden oder eines natürlichen Todes starben?
Oft werden wir es nie erfahren.
Bermudadreieck Lausitz – Ein Heißes Pflaster für Wölfe
Alle illegal getöteten Wölfe Sachsens wurden rund um die Lausitzer Heide gefunden. Die Polizei geht davon aus, dass die Täter sich sehr gut in der Region auskennen. Die Wölfe waren alle gut sichtbar platziert worden – einer sogar unter einem Naturschutzschild.
Besonders dreist: Zwei Tiere waren enthauptet worden. Eine Provokation, die Sachsens Staatsgewalt nicht auf sich sitzen lassen will.
Die Polizei Sachsen macht aus diesem Grund ernst: Anstatt der einzelnen ländlichen Polizeidirektionen ermittelt das Dezernat 25 des Landeskriminalamts (LKA) Sachsen. Normalerweise ist dieses zuständig für Sonderaufgaben, doch nun zieht das Dezernat bei den Ermittlungen der Wolfstöter alle Register: Neben der üblichen Geschossanalyse und der Untersuchung durch das IZW setzt das LKA auf DNA-Spuren und den Einsatz von Schweiß- und Spürhunden.
Aber: Fast alle Verfahren sind bereits eingestellt worden. Eine Verhaftung hat es noch nicht gegeben.
Illegale Wolfstötungen: neun harte Fakten
1. Die Aufklärungsquote bei illegalen Wolfstötungen in Deutschland liegt bei zehn Prozent
2. Alle illegalen Wolfstötungen wurden nur aufgeklärt, weil die Täter sich selbst stellten.
3. Die Dunkelziffer der illegal getöteten Wölfe ist hoch – wie hoch genau, weiß keiner. In Skandinavien wird davon ausgegangen, dass sie die Hälfte der Sterblichkeitsrate der Wölfe ausmacht.
4. Ermittlungstechnisch ist die Polizei eingeschränkt. Da eine illegale Wolfstötung ähnlich wie die eines Hundes bewertet wird, können nicht die gleichen Mittel wie bei einem Mord eingesetzt werden. So fallen Massenkontrollen von Jagdwaffen weg.
5. Die meisten illegal geschossenen Wölfe werden rund um die Lausitzer Heide gefunden.
6. Bei den drei aufgeklärten Wolfstötungen wurden nur geringe Bußgelder als Strafe verhängt.
7. Da die rechtlichen Hürden extrem hoch sind, gibt es derzeit nur noch drei bis vier mit GPS-Halsbändern ausgestattete Wölfe in Deutschland.
8. Das Strafmaß bei der Tötung von Wölfen ist sehr breit. Es reicht von einer geringen Geldstrafe bis zu 50.000 Euro und fünf Jahren Haft.
9. Alle in einem illegal getöteten Wolf entdeckten Geschosse oder Geschossreste werden fünf Jahre aufbewahrt.