Beckmann und der Wolfsmörder
Ein kritischer Kommentar zu der ARD Sendung #BECKMANN und dem Thema „Die Angst vor den Wölfen – wie viel Wildnis vertragen wir?“
„Leichenwagen“ prangt in der ersten Kameraeinstellung auf dem Schiebewagen mit dem abgeplatzten Lack. Es wird von sieben Mordopfern gesprochen, ein musikalisches „Sleepy Hollow“ untermalt die Arbeit von Frau Dr. Claudia Szentiks, Mitarbeiterin des Leibniz-instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW), die dort in diesem Fall einen geschossenen Wolf untersucht.
Für den fachmännisch in sterile Kleidung verpackten Reinhold Beckmann ist klar: Der Täter muss zur Strecke gebracht werden.
So oder so ähnlich fangen fast alle Dokumentationen zum Thema „Wölfe in Deutschland“ an. Woran das liegen mag? Vermutlich daran, dass dieses Thema nicht halb so spannend und mysteriös ist wie sich diverse Medienanstalten dies wünschen. Vielmehr ist es am Ende des Tages lediglich ein Interessenkonflikt zwischen vehementen Wolfsbefürwortern aus zumeist urbaner Gegend und Nutztierhaltern und Jägern auf der anderen Seite. Doch in den letzten Ausläufern des Sommerlochs scheint privaten und öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern der Wolf ein wenig Sendezeit wert zu sein.
Die nachfolgenden Themen sind dem informierten Leser, ob nun Wolfsbefürworter oder Wolfskritiker, wohlbekannt. Ein Wolf am Waldkindergarten, Einsatz von Elektrozäunen, große Risszahlen, verzweifelte Hobbybauern und Schäfer, Waidmänner, die den Abschuss der Wölfe fordern, Wolfszüchter, die mit Anfütterungsthesen um sich werfen – und dann den Kameramann der ARD aus dem Gehege der „zahmen“ Wölfe bugsieren, da man doch lieber vorsichtig seien sollte. Alles kalte Milch, aber für den uninformierten Zuschauer eine gute Abfolge der beteiligten Parteien. Man merkt, dass die ARD oder eben Herr Beckmann hier möglichst viele Seiten beleuchten möchte. Dazu gehören schwarze Schafe in der Jägerschaft genauso wie an den Haaren herbeigezogene Wildnisphantasien von Menschen, die Hagenbecks Tierpark mit der Lüneburger Heide verwechseln.
Aussagen wie die von Tom Bernhardt (Landeskriminalamt Dresden), der die Spuren der illegalen Wolfstötungen aufnimmt, stimmen einen als Zuschauer nachdenklich: „Ich hab mehr Angst davor, dass Leute durch den Wald rennen und Tiere illegal töten, als dass ein Wolf irgendjemanden aus meiner Familie oder überhaupt einem Menschen etwas antut. Und ich denke mal, mit dieser Meinung bin ich eigentlich auch auf dem rechten Weg.“
Also Tierschutz vor Menschenschutz auf Seiten des LKA? Gefahr erkannt, Gefahr verkannt, könnte man meinen.
Dass zumindest Reinhold Beckmann in der ganzen Diskussion seinen Humor nicht verloren hat, beweist er, indem er mithilfe von Wolfsgeheul aus seiner iPhone-App einen „Herdenschutzesel“ zu einer bewegenden Abfolge von als Brunftschrei zu deutenden Lauten verleitet. Damit scheint die ARD mit ihrem Magazin ein für allemal mit dem Gerücht aufgeräumt zu haben, Esel seien nicht zum Herdenschutz geeignet.
Doch genug des Ausflugs in die Ironie, es geht schließlich darum, in 45 Minuten möglichst viel über den Wolf und dessen Aufenthalt in der Bundesrepublik zu zeigen. Und das an sich ist lobenswert, auch wenn selbst zehn weitere Sondersendungen dieser Länge den Konflikt nicht in seiner Gänze beschreiben können.
Zum Ende der Sendung verkündet Reinhold Beckmann vor der Kühlkammer mit dem toten Wolf: „Wildnis kostet, Wildnis gibt es nicht umsonst!“
Das darf man so durchaus als richtig ansehen. Mit dem bisherigen Wolfskonzept von Politik und Wolfsbefürwortern muss man hingegen nicht einverstanden sein. Wenn Menschen in Existenznot gelangen und sich die Bewohner ländlicher Regionen Deutschlands alleine gelassen fühlen, besteht Handlungsbedarf.
Mögen dem neutralen Zuschauer die teils haarsträubenden Aussagen der von Reinhold Beckmann befragten Jäger auch repräsentativ erscheinen, sie sind es nicht. Der allergrößte Teil der deutschen Jäger ist dem Wolf gegenüber womöglich kritisch eingestellt, hält sich aber an geltende Gesetze. Das zeigt schon allein die steigende Anzahl der Wölfe in Deutschland. Insofern stellen Sätze wie „Wenn ich einen schießen würde (…), dann würd ihn niemand finden!“ (Jens G.) eine verheerend schlechte Öffentlichkeitsarbeit dar.
Zwischen den mittlerweile inflationär auftretenden Wolfsexperten und Ausreißern aus allen Lagern ist der ARD hier schlussendlich ein vor allem zum Ende hin nachdenklicher und informativer Rundumblick über die „Wolfsproblematik“ gelungen.
Mehr dazu heute um 20:15 Uhr in der ARD.