Tierschutzgerecht Töten – der Weideschuss auf Freilandrinder

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Der Weideschuss ist für Freilandrinder die gerechteste Art der Tötung. (Foto: Pixabay.com/neelam279)

Ein Urteil des Verwaltungsgerichtes Koblenz erklärt den Kugelschuss für ganzjährig im Freien gehaltene Rinder für die tierschutzgerechteste Form der Tötung.

Friedlich stehen die Galloways auf ihrer Weide. Ein Schuss zerreißt die Idylle, eins der Tiere bricht zusammen. Zwei Männer betreten das Szenario – ein geübter Schnitt und das bereits tote Rind blutet aus. Die restlichen Tiere heben nur kurz die Köpfe und grasen dann friedlich weiter. Der Weideschuss ist die tierschutzgerechteste Tötung von ganzjährig im Freien gehaltenen Rindern und unter bestimmten Voraussetzungen zulässig.

Ungetrübte Idylle

Seit 2007 züchtet Förster Florian Diehl die schottische Rinderrasse Galloway. Seine Frau führt einen landwirtschaftlichen Betrieb im Vollerwerb und betreibt Grünlandbewirtschaftung. Mit Herzblut befasst sich das Ehepaar mit der Zucht, Haltung und Schlachtung der hornlosen und robusten Rinder. Mittlerweile halten Florian und seine Frau 29 Tiere. Der Weideschuss ist für sie eine Frage des Tierschutzes und der Ethik.

„Bei uns verlässt kein Tier lebend den Hof“ betont Florian. Der brutal anmutende Satz hat seine Berechtigung. Nur, wenn sie selbst das Töten übernehmen, können sie gewährleisten, dass keines der Tiere leiden muss oder unnötigem Stress durch einen Transport ausgesetzt wird. Die Zucht der Tiere betreiben sie gewissenhaft. Regelmäßig wird der Bulle ausgetauscht, um das Blut der Herde aufzufrischen.

Bei uns verlässt kein Tier lebend den Hof

Nur ein einziges Mal hat Florian einen Stier lebend verkauft. „Dann ist genau das passiert, was wir unbedingt vermeiden möchten“, erinnert sich der Förster. Die neuen Besitzer konnten mit dem Tier nicht umgehen und ließen ihn zu einem Schlachthof transportieren. Die Tiere des Ehepaares sind keine Kuscheltiere. Trotzdem – oder genau deshalb – haben sie eine ethisch vertretbare Form der Tötung verdient. Und das ist der Kugelschuss auf der Weide.

Die Rechtsgrundlage

Die Rechtsgrundlage für den Kugelschuss auf der Weide wird durch die EU-Verordnung (EU-VO) und die TierSChlV geschaffen. Ziel dieser EU-VO ist, die hofnahe Tötung zu vereinfachen. Das Urteil bestätigt den Kugelschuss als die tierschutzgerechteste Methode für ganzjährig im Freien gehaltene Rinder. Das Urteil ist das Ergebnis einer Klage der Betreiber des Birkenhofes im rheinland-pfälzischen Flacht. Die Familie züchtet Wagyurinder und klagte auf Erteilung der Einwilligung zur Schlachtung eines Rindes mittels Kugelschuss auf der Weide.

Bis zu diesem Urteil war Florian mittels Einzelgenehmigung dazu berechtigt, Tiere aus seiner Rinderherde zu entnehmen. Die Anforderungen dabei waren praxisfern. Besonders kritisch sah Florian dabei den geforderten Einsatz eines hochwildtauglichen Kalibers, denn diese gefährden nicht nur das Umland, sondern auch die restliche Herde. In der aufgrund des Urteils überarbeiteten Variante hat das zuständige Ministerium seine Ausführungen hinsichtlich des Kalibers aufgeweicht.

Auch für die Platzierung des Schusses gibt es Vorgaben. Die Befürchtung, dass auf etwas Distanz durch eine leichte Drehung des Kopfes, der Schuss nicht optimal sitzt, ist das Argument der Kugelschuss-Gegner. Doch auch dazu hat Verwaltungsgericht Koblenz in ihrem Urteil klar Stellung bezogen: Die Stressfreiheit durch die ausbleibende Fixierung steht über dem Risiko des möglichen Fehlschusses. Die Fehlbetäubungsrate bei der Betäubung per Bolzenschuss ist zudem erheblich höher.

Nach dem Schuss folgt der Entblutungsschnitt. Die restliche Herde beäugt ruhig das Geschehen. (Foto: Birkenhof Flacht)

Erforderliche Sachkunde

In der EU- VO wird eine Sachkundebescheinigung gefordert. In der Regel enden diese Lehrgänge in einer schriftlichen und mündlichen Prüfung. Das Kreisveterinäramt bescheinigt dann noch die praktischen Fähigkeiten. Dies ist jedoch in den Ländern unterschiedlich geregelt. Bei einem geforderten Schießnachweis, muss der Schütze seine Treffsicherheit über 30 m nachweisen. Da jede Schussabgabe unter der Kontrolle des Amtsveterinärs liegt, wird in der Praxis zumeist nur bei Fehlschüssen oder unsachgemäßer Anwendung des Kugelschusses ein Schießnachweis gefordert und auf einen regelmäßigen Nachweis über Schießübungen auf einem Schießstand verzichtet.

Zudem bedarf es einer waffenrechtlichen Schießerlaubnis, denn der Jagdschein berechtigt nicht zum Schuss auf Nutztiere im befriedeten Gebiet. Sofern eine Waffe mit geeignetem Kaliber neu erworben werden soll, muss das Bedürfnis hierfür nachgewiesen werden, da das vom Jagdschein abgeleitete Bedürfnis für Lang- und Kurzwaffen den Zweck des Weideschusses nicht umfasst. Wer nicht bereits rechtmäßig Waffen besitzt, muss zusätzlich einen Waffensachkundenachweis erbringen. Auch wenn die Schützen in der Praxis häufig Jäger oder Sportschützen sind, ist diese Eigenschaft keine Voraussetzung, um den Sachkundenachweis für den Weideschuss zu erhalten.

Durchdachtes System

Mittlerweile stellt Florian Diehl den Antrag zur Entnahme bzw. zur Schießerlaubnis seiner Rinder bei der unteren Ordnungsbehörde, also der Kreisverwaltung. Diese zieht anschließend die Veterinärbehörde mit hinzu. Ist die Genehmigung erteilt, gilt sie für die beantragte Anzahl an Tieren für ein Jahr. Das handhabt allerdings jedes Kreisveterinäramt unterschiedlich. Die Familie des Birkenhofes im rheinland-pfälzischen Flacht hat eine auf fünf Jahre befristete Dauergenehmigung. Es gibt jedoch auch Betriebe, die eine Genehmigung einzeln und teilweise Ohrmarkenbezogen beantragen müssen.

Mit dem Metzger spricht Florian daraufhin die Schlachttermine ab. Die zuständige Behörde muss drei Tage im Voraus darüber informiert werden. Zudem ist bei jeder Entnahme der Amtsveterinär vor Ort. Dieser bestätigt als kundige Person die Unbedenklichkeit der Tiere im lebenden Zustand. Nach dem Schuss muss unverzüglich die Betäubungswirkung durch eine sachkundige Person überprüft werden. Das kann entweder der sachkundige Schütze oder der Veterinär sein. Ist die Betäubungstiefe ausreichend, darf der Entblutungsschnitt gesetzt werden. Die Entblutung muss nach europarechtlichen Vorgaben „ohne ungerechtfertigte Verzögerung“ vorgenommen werden. Maximal zwei Stunden dürfen zwischen der Tötung (Entblutung) und der Ankunft im EU-zertifizierten Schlachtbetrieb vergehen. Dauert der Transport länger, muss der Tierkörper gekühlt und ausgeweidet transportiert werden.

Ein Leben lang stressfrei

Eine große Sorge des zuständigen Amtes war, dass die Herde durch den Schuss in Panik gerät und aus dem Zaun ausbricht. Diese Sorge war jedoch unbegründet. Die Tiere registrieren den Schuss kaum. Liegt der Artgenosse am Boden siegt zwar die Neugier, doch nach einem kurzen bewinden des leblosen Körpers wenden sich die Tiere wieder ab.

Ein kurzes Bewinden des toten Artgenossen, dann wird friedlich weiter gegrast. Von Panik keine Spur. (Foto: Florian Diehl)

Der Weideschuss mit tauglicher Schusswaffe bringt viele Vorteile, denn die Tötung mit dem Bolzenschussgerät ist gefährlich. Man muss entweder nah genug an die Tiere herankommen, um das Gerät auf der Stirn des Rindes zu platzieren, oder man muss das Rind fixieren. Das ist mit erheblichem Stress verbunden. Auch der Lebendtransport zu einem Schlachthof setzt die überwiegend wild lebenden Tiere unter Druck. Das wirkt sich nicht nur auf die Fleischqualität aus, sondern ist auch ethisch äußerst fragwürdig. Denn während der Halter von Geburt an darauf bedacht ist, seinen Tieren ein natürliches, stressfreies Umfeld zu bieten, macht er gleichzeitig die letzten Stunden des Tieres zu seinen Schlimmsten. Ein Kugelschuss erfolgt schnell und präzise auf das nichts ahnende und friedlich grasende Tier. Es bekommt von alldem nichts mit und kann stressfrei getötet werden.

Das Wichtigste zum Schluss: wenn ein Landwirt die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt, muss die Kreisverwaltung den Kugelschuss genehmigen – auch wenn die TierSchlV einen Einwilligungsvorbehalt sieht.