Wildtierstiftung: Risiko von Kälberwaisen auf Bewegungsjagden

Rotwild weiblich

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Bewegungsjagden und die in manchen Regionen sicher notwendige Reduktion des Wildbestandes sind ein heißes Thema. Immer dabei ist die Frage der Waidgerechtigkeit und des Tierschutzes. Wer effizient Strecke machen will, steht oft vor dem Dilemma Zahl vor Wahl erlegen zu müssen. Gerade in Bezug auf die Bejagung von Rotwild stellt sich hier die Frage: Ab wann kann es der Jäger verantworten, das Alttier vor dem Kalb zu erlegen? Zum Thema der Kälberwaisen hat die Deutsche Wildtier Stiftung eine Studie beim Institut für Tierökologie und Naturbildung in Auftrag gegeben, die kürzlich veröffentlicht wurde.

Die Autoren der Studie konnten erstmals nachweisen, wie hoch das Risiko von Kälberwaisen auf Bewegungsjagden tatsächlich ist. Auf den Untersuchten Jagden wurden einzeln anwechselnde Alttiere freigegeben, wie es fast überall üblich ist.

Obwohl es an den jeweiligen Jagdtagen hohe Kälberstrecken gab, gelang den Schützen die Erlegung des jeweiligen Kalbes bei einem Drittel der erlegten und einzeln anwechselnden Alttiere nicht. Hier wird deutlich, dass eine Freigabe einzeln anwechselnder Alttiere auf Bewegungsjagden das Risiko von Kälberwaisen fördert. Natürlich konnten die Wissenschaftler nicht ausschließen, dass Kälber bereits vor dem Jagdtag in den benachbarten Revieren erlegt worden sind. Für zukünftige Studien sollen deshalb auch die Strecken der umliegenden Reviere aus den Tagen vor der Jagd geprüft und beprobt werden. Der körperliche Strecke-Nachweis ist dabei wichtig um die notwendigen Gewebeproben der erlegten Kälber zu entnehmen um die verwandtschaftliche Verbindung mit den auf der Bewegungsjagd erlegten Alttieren nachvollziehen zu können.

Jagdruhe vor der Bewegungsjagd

In den 15 Revieren der Studie herrschte vor der Bewegungsjagd Jagdruhe. Es ist also unwahrscheinlich, dass laktierende Alttiere noch vor der Jagd von ihren Kälbern getrennt wurden.

Eine weitere Erkenntnis die die gängige Freigabepraxis in Frage stellt, ist das Ansprechen aufgrund des Verhaltens. Das Verhalten kälberloser Alttiere ist unter der Stresssituation eines jagdlichen Treibens mit verfolgenden Hunden kaum von dem führender Alttiere zu unterscheiden. Verstärkt wird dieser Effekt durch den intensiven Einsatz hochläufiger Hunde, die schnell jagen und die Abgabe übereifriger Schüsse auf hochflüchtiges Rotwild oder ins Rudel begünstigen.

 

Muttertierschutzes beim Rotwild: Keine Freigabe einzeln anwechselnder Alttiere auf Bewegungsjagden im Oktober und November

Um Kälberwaisen zu vermeiden und dennoch die erwünschten Streckenziele zu erreichen, empfehlen die Autoren der Studie eine effiziente Spätsommerjagd auf Kahlwild. Ziel dieser Bejagung müssen dann direkte Kalb-Alttier-Dubletten noch vor der Brunft sein. Die Studie zum Risiko von Kälberwaisen soll nicht die Bewegungsjagd auf Rotwild in Frage stellen. Ziel ist die Stärkung des Tierschutzes bei dieser Jagdmethode. Organisation und Ablauf von Bewegungsjagden sollen so optimiert werden, das Effizienz und Tierschutz in ausgeglichenem Verhältnis stehen.

Stöberhunde: Langsam und laut jagdend

Spannend ist hier eine Erkenntnis, die noch vor 20 Jahren zum jagdlichen Allgemeinwissen gehörte: Für Bewegungsjagden eigenen sich langsame und laut jagende Hunde besser als schnelle, hochläufige Jagdhunde. Die Altvorderen würde sich sicher köstlich darüber amüsieren, dass wir nun erkennen, warum ausgewiesene Stöberhundrassen nicht hochläufig gezüchtet wurden.

Wer den kompletten Text der Studie lesen möchte:

SIMON, O.; EBERT, C. & KINSER, A. (2021): Zum Risiko von Kälberwaisen bei Bewegungsjagden auf Rotwild – Konsequenzen für den Muttertierschutz. Eine Studie im Auftrag der Deutschen Wildtier Stiftung (Hrsg.), 14 S., https://bit.ly/3q4oRX5