Rezension – Jagen, Sex und Tiere essen –
Sex haben wir, weil er uns Lust und Genuss bereitet.
Auf die Jagd gehen wir, weil sie uns Genuss und Lust bereitet.
Diese zwei Sätze bilden das Credo im Buch von Florian Asche. In seinem literarischen Erstlingswerk vergleicht er ausführlich die Leidenschaften Sex und Jagd, die für ihn beide zu den archaischen Charakterseiten des Menschen gehören. Für Asche jagt der Mensch nach der Erotik genauso wie nach dem Wild, er sieht verwandte Triebstrukturen in beiden Handlungen. In jedem von uns gibt es Verhaltensmuster aus der Zeit, als unsere Vorfahren noch halbe Tiere waren: wir wollen die Sicherheit einer Höhle, wollen essen, wollen Wärme und wir wollen uns fortpflanzen. Diesen Trieben folgen wir hingebungsvoll. Und diese Hingabe ist für Asche der Schlüssel unserer Lust, im Bett und im Jagdrevier. Bei beiden Tätigkeiten gibt es eine große Bandbreite von Parallelen: die erste Begegnung oder eine Pirsch im Frühlingswald, das wachsende Begehren bei der Ansicht des begehrten Partners oder des Wildes, der Drang, es zu töten beziehungsweise zum Orgasmus zu kommen. Doch das Buch darf nicht auf den Aspekt Jagd und Sex reduziert werden. Vielmehr ist es eine Anregung, sich selbst tiefer mit der Frage zu beschäftigen, warum man jagt und wie man dies anderen erklären kann. Dafür bietet er Gründe an, darunter sind seine eigenen und auch die Beweggründe von weiteren Jägern, die zu ihrem Tun und Handeln selbstbewusst stehen. Er favorisiert die Ehrlichkeit der Aussage Ich jage weil es mir Spaß macht! gegenüber den eher zweitrangigen Gründen Naturgenuss, Naturschutz, Ersatz von Beutegreifern und ähnlichem.
In dieser populären Form hat sich bisher kaum ein jagender Autor zum Thema Jagd und Sex geäußert. Zu nennen wäre das Buch Die Leidenschaft des Jägers des Psychoanalytikers Paul Parin von 2003, welches aber viel persönlicher, gleichzeitig aber auch viel wissenschaftlicher verfasst ist. Eher könnte man Asches Buch als jagdlichen Abkömmling der clit-lit-Bücherwelle betrachten, deren bekannteste deutsche Autorin Charlotte Roche mit ihren Werken Feuchtgebiete und Schoßgebete ist. Zu diesen Büchern mag man stehen wie man will, fest steht jedoch, dass durch sie davor als obszöne geltende Gedanken, Empfindungen und Ausdrücke gesellschaftsfähig wurden. Offen schreiben die Autorinnen über ihre sexuellen Vorlieben, Handlungen und Körperteile, ohne irgendetwas verschämt zu verbrämen. Daran hat sich Asche orientiert. Andererseits gibt es Ähnlichkeiten zu Verkaufserfolgen wie Warum Männer nicht zuhören und Frauen nicht einparken können von Allan und Barbara Pease. Wie diese auch führt Asche sehr viele unserer menschlichen Triebe und Handlungen auf unser in grauer Vorzeit geprägtes Verhalten zurück, doch erliegt er wie jene Autoren der Gefahr, sehr komplexe Themen zu stark zu vereinfachen.
Der Autor
Florian Asche ist Rechtsanwalt in Hamburg und befasst sich dort unter anderem mit Jagdrecht. So nimmt es kaum Wunder, dass seine ersten Bücher und die meisten seiner in Jagdzeitschriften erschienen Artikel um dieses Thema kreisen. Er löste als Teenager den ersten Jagdschein und jagt inzwischen mit seiner Frau in der Göhrde und bei Schwerin. Auf die Parallelen zwischen Jagd und Sex stieß er während einiger Jagdtage in Frankreich. Neben den erotisch-charmanten Komplimenten, welche der Jagdherr seiner Frau machte, kreisten die Gespräche zwischen den Trieben und beim abendlichen Schüsseltrieb fast nur um Jagd, Essen und die Liebe.
Sex sells
Der Titel ist ein großer Erfolg für den altehrwürdigen Verlag Neumann-Neudamm: seit dem 18. August 2012 ist Sex, Jagd und Tiere essen auf dem deutschen Markt und Ende Dezember war die erste Auflage von 5000 Exemplaren schon vergriffen. Geschäftsführer Heiko Schwarz freut sich, bei diesem heiklen Thema den richtigen Riecher gehabt zu haben andere Verlage hatten den Autor schon abblitzen lassen. Doch Schwarz kannte Asche und war sich sicher, dass der Anwalt stets den richtigen Ton treffen würde: Asche erzählte mir bei einem Glas Wein in einem Hamburger Restaurant von seinem Projekt so ist das Buch zumindest keine Schnapsidee!. In der zweiten Auflage wurden ein paar kleinere Fehler korrigiert, die aber den Lesegenuss der Originalausgabe nicht wirklich schmälerten.
Fazit
Florian Asche hat das Buch nicht vorrangig für Jäger geschrieben, sondern für alle, welche sich mit dem Komplex Jagd konfrontiert sehen. Seine Sprache ist einfach, verwendet er jagdliche Fachausdrücke, so werden sie elegant erklärt. Im Gegensatz zu Parins Buch ist Asches Essay mit größerem Genuss zu lesen. Bei Parin stören seine Verknüpfungen von homo-erotischen und sado-masochistischen Erfahrungen mit der Jagd, die er zu pauschalisierend als allgemein gültig erklärt. In Jagen, Sex & Tiere essen werden dem Leser hingegen eher Ideen angeboten, sie werden einem nicht übergestülpt. Folgt man Asche, so kann man eine interessante Reise in sein eigenes Jäger-Ich unternehmen. Dem einen oder anderen Leser mögen die offenen Gedanken und Worte erst abschreckend erscheinen. Lässt man sich aber darauf ein, so mag man einiges Neues über sich selbst erfahren und später ganz anders sein Tun und Handeln gegenüber den Mitmenschen begründen.
tp
Florian Asche: Jagen, Sex & Tiere essen. Die Lust am Archaischen ein Essay. Verlag Neumann-Neudamm, 2012. 2. überarbeitete Ausgabe. 191 Seiten, zahlreiche SW-Fotos, ISBN 978-3-7888-1496-0. 16,95 Euro