Eigentlich ist es ein kleiner Skandal: Von 23 Versicherungsunternehmen, die in diesem Jahr im JÄGER-Vergleich deutscher Jagdhaftpflichtversicherungen auf den Prüfstand kamen, haben 14 Unternehmen unvollständige Unterlagen versandt. Gebeten wurden die Unternehmen diesmal, ein Angebot für eine Jagdhaftpflichtversicherung zu unterbreiten. Die hier kritisierten 14 Unternehmen sandten ausschließlich Preisangebote, in denen zumeist auf die zwar wichtigen, aber nicht mitgelieferten Versicherungsbedingungen hingewiesen wurde. Dies ist ungefähr so, als würde man sich von einem Autohaus ein Angebot für ein bestimmtes Modell erbitten und dann die Antwort erhalten: Autos kosten bei uns 20 000 Euro. Beim jährlichen Vergleich der Jagdhaftpflichtversicherungen geht es darum, die versicherten Risiken zu überprüfen. Zwar weiß der Jäger, dass er zum Abschluss einer Jagdhaftpflichtversicherung verpflichtet ist. Wer macht sich aber schon die Mühe, das Kleingedruckte der Versicherung zu lesen? Hier hilft der JÄGER.
Die Kriterien
Versichertes Risiko: Die meisten Unternehmen versichern Tätigkeiten und Unterlassungen, die unmittelbar oder mittelbar mit der Jagd zu tun haben. Einige wenige versichern lediglich die erlaubte Jagdausübung. Diese Einschränkung kann erhebliche Folgen haben. Gehört der Verkauf von Wildbret mit dessen Risiken zur Jagdausübung? Wohl kaum. Und ähnliches gilt auch für die Teilnahme am Schüsseltreiben. Was aber passiert, wenn es zum Schaden kommt?
Waffenklausel: Es ist nur ein kleines Wort, es kann aber große Bedeutung erhalten. Einige Unternehmen versichern die Haftpflicht aus dem erlaubten Besitz und Gebrauch von Schusswaffen. Beides Besitz und Gebrauch müssen also erlaubt sein. Was aber ist, wenn ich bei der Drückjagd nicht auf den Grenzverlauf hingewiesen werde und im Nachbarrevier sitze und einen Schaden anrichte? Steht aber in den Bedingungen, dass die Haftpflicht aus dem erlaubten Besitz und dem Gebrauch versichert ist, kann sich später im Schadenfall die Versicherung nicht in dieses Schlupfloch zurückziehen. Erfreulicherweise sind es aber nur noch wenige Versicherungen, die dieses Schlupfloch in ihren Bedingungen haben.
Jagdhunde: Unsere Vierbeiner bilden die größte Schadensgruppe innerhalb der Jagdhaftpflichtversicherung. Zwar entstehen durch Hunde selten so genannte Großschäden, viele kleine Schäden können die Kalkulation einer Versicherung allerdings auch durcheinander bringen. So unterscheiden einige von ihnen in jagdlich brauchbare und andere, in Rasse- und Nicht-Rassehunde. Bei einigen Versicherungen kann man seinen nicht geprüften Hund gesondert versichern, was aber einen Aufpreis bedeutet.
Angehörigenklausel: Die Angehörigenklausel sollte eine Selbstverständlichkeit sein, ist sie aber nicht. Wer in seinem Zuhause Schusswaffen besitzt, schafft damit ein Risiko auch für seine Angehörigen. Man stelle sich nur einmal vor, beim Reinigen der Waffe löst sich unbeabsichtigt ein Schuss (was ja durchaus schon vorgekommen ist). Normalerweise sind Schäden unter Angehörigen, die im selben Haushalt leben, nicht versicherbar. In der Jagdhaftpflichtversicherung machen die meisten Unternehmen eine Ausnahme. Einige schränken allerdings ein, dass Schmerzensgeld nicht bezahlt wird.
Auslandshaftpflicht: Viele Jäger reisen für ihre Passion ins Ausland und wollen auch dort versichert sein. Auch hier gibt es solche und solche Versicherungen. Einige versichern nur das Nötigste, andere übernehmen sogar Kautionszahlungen, wenn es einmal ganz besonders eng wird.
Forderungsausfall: Der versicherte Forderungsausfall ist ein sehr vernünftiges Instrument für den Fall, dass der Schädiger nicht versichert oder unterversichert ist und auch privat nicht zahlen kann.
Mietsachen: Als neues Kriterium wurde die Haftpflicht bei gemieteten Sachen aufgenommen, die im Normalfall ausgeschlossen ist. Insbesondere Jungjäger leihen sich in den ersten Jagdjahren teure Optik oder Waffen von Freunden. Ärger ist programmiert, wenn der Jungjäger an diesen Sachen Schaden verursacht.
Die Ergebnisse
Deckungssummen und Preise sind nur informell aufgenommen und wurden nicht bewertet. Das Punktesystem ist dem Jagdhundewesen entliehen. Vier Punkte sind die Bestnote, Null ist gleich Versager. 14 Unternehmen sandten lediglich Preisangebote. Wenn diese Unternehmen in den vergangenen Jahren bereits einmal vollständige Unterlagen verschickt hatten, wurden diese Informationen in den JÄGER-Vergleich eingearbeitet. In puncto Transparenz erhielten diese Firmen allerdings eine glatte 0. An der Spitze finden sich zwei Versicherer, die auch in den letzten Jahren abwechselnd die Spitze bildeten: der Land- wirtschaftliche Versicherungsverein Münster (LVM) und die Gothaer. Beide Unternehmen haben ihre Bedingungen überarbeitet. Die Gothaer hat dabei das Hunderisiko neu definiert. Danach müssen jetzt Hunde brauchbar oder verwendbar sein. Damit wird der Begriff des brauchbaren Jagdhundes mit entsprechend bestandener Prüfung weiter verwässert. Auch die Inter Versicherung hat ihre Bedingungen überarbeitet und nimmt den dritten Platz ein. Die neuen Bedingungen glätten einige Formulierungen, die hier immer wieder in den letzten Jahren kritisiert wurden. Mietsachschäden durch Hunde werden allerdings nur dann ausgeglichen, wenn bei der Inter auch eine private Haftpflichtversicherung besteht.
Die Besonderheiten
Bei der Überarbeitung der Helvetia-Bedingungen müssen die Sachbearbeiter irgendwie geistig woanders gewesen sein. Die Bedingungen dieser Firma schließen Personenschäden durch eine direkte oder indirekte HIV-Infizierung aus. Das ist immerhin einzigartig in der Branche. Viel Raum für Gedankenspiele lassen auch die Bedingungen der Westfälischen Provinzial. Dort sind Schadensersatzansprüche aus Diskriminierungstatbeständen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz versichert. Und die Allianz geht sogar so weit, Besitz und Verwendung von Hundeschlitten sowie die Teilnahme an Hundeschlittenrennen zu versichern. All diese Beispiele stehen in den Besonderen Bedingungen für die Jagdhaftpflichtversicherung der jeweiligen Unternehmen. Die Versicherungskammer Bayern hat ihre bisherige pauschale Deckungssumme von fünf Millionen Euro auf zehn Millionen verdoppelt und die Prämie von 68,21 auf 32,71 Euro nahezu halbiert. Diese Zahlen sagen aber leider überhaupt nichts aus, wenn nicht auch mitgeteilt wird, welche Risiken versichert werden. Den Vogel schoss in diesem Jahr die WWK-Versicherung ab. Alle Unternehmen wurden am selben Vormittag angerufen und benötigten im Durchschnitt zwei bis drei Minuten, um die Daten des vermeintlichen Kunden aufzunehmen. Bei der WWK-Versicherung öffnete sich eine Warteschleife. Es wurde mitgeteilt, dass sich der Anrufer auf Platz 13 befinde. Bis sich der Anrufer schließlich auf Platz Eins der Warteschleife befand, dauerte es 13 Minuten. Die Geduld wurde leider nicht belohnt. Denn die WWK-Versicherung reagierte nicht auf die Bitte um ein Angebot.
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