Frank Heil ist Ingenieur und Waffensachverständiger. Er klärt auf, was ein gutes Messer ausmacht und auf welchen Stahl es ankommt.
Weit über 100 unterschiedliche Stahlsorten kommen für Messerklingen zum Einsatz. Stahl besteht aus Eisen und Kohlenstoff. Zudem können im Messerstahl weitere Legierungselemente enthalten sein. Die Legierungselemente und ihr mengenmäßiges Verhältnis zueinander geben den Rahmen vor, innerhalb dessen der Stahl bestimmte Eigenschaften annehmen kann. Kohlenstoffstahl, auch Carbonstahl genannt, wird von alters her für Messerklingen verwendet. Er besteht möglichst nur aus Eisen und 0,5 – 1,4% Kohlenstoff.
Hohe Leistung trotz Rost
Zeitweilig war Carbonstahl ungerechtfertigt für Jagdmesserklingen verpönt. Doch inzwischen bieten immer mehr Premiumhersteller wieder Messer aus Carbonstahl an. Diese rostenden Klingenstähle sind noch immer den meisten modernen (rostfreien) Hochleistungsstählen in punkto Schärfbarkeit und Schnitthaltigkeit überlegen. Messer aus Carbonstahl werden extrem scharf. Sie bieten in aller Regel ein sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis. Ihr Stahlgefüge ist sehr feinkörnig und die robusten Klingen erreichen Härten von bis zu 65 HRC bei gleichzeitig hoher Flexibilität. Mit einem Mindestmaß an Pflege überdauern Carbonmesserklingen Jahrhunderte.
Stahl orientalischer Herkunft
Kohlenstoffstahl eignet sich auch hervorragend für die Herstellung klassischen Damaszenerstahls, der aus zwei bis drei unterschiedlichen, miteinander feuerverschweißten Stahlsorten besteht. Da jede Stahlsorte ihre speziellen Eigenschaften hat, sei als empfehlenswertes Beispiel die leicht zu verschweißende Kombination aus 1.2842 + 75Ni8 + 1.2235 erwähnt. Aber auch preisgünstige Damaszenerstähle wie die Kombination von 1095 und 15N20 (288 Lagen, 5x gefaltet, 57-59 HRC) haben sich im Revier rundum bewährt. Herkömmlicher Schmiededamast erfordert den gleichen geringen Pflegeaufwand wie üblicher Carbonstahl.
Hochlegierte Messer und große Vielfalt
An „rostfreien“ Messerstählen bietet der Fachhandel eine riesige Vielfalt in allen Qualitäts- und Preisklassen an. Der Stahl kommen überwiegend aus Deutschland, den skandinavischen Ländern, den USA, Japan und weiteren fernöstlichen Ländern.
Messer mit Klingen aus rostfreiem Schmiededamast sind meist wunderschön, von Meisterhand mit hohem Aufwand geschaffen und daher nicht billig. Aber sie überstehen ein volles Jägerleben. Weiterhin dient von alters her der heute seltene Tiegeldamast, auch Wootzstahl genannt, als Klingenwerkstoff. Es besitzt eine überzeugende Schnitthaltigkeit. Leider sind Jagdmesser mit Wootzstahlklingen relativ teuer in der Anschaffung.
Verpresstes Pulver
Mittlerweile kann der Jäger auch Klingen wählen, die nach einem pulvermetallurgischen Verfahren hergestellt werden. Diese Technologie ermöglicht extreme Legierungen, die anders nicht herzustellen sind. Gegenüber herkömmlich erschmolzenen Stählen ist bei gleicher Legierungszusammensetzung das Gefüge pulvermetallurgischer Stähle homogener und feiner. Die Schnittfestigkeit pulvermetallurgischer Klingen ist legendär. Jedoch: Wer sich für ein Jagdmesser mit pulvermetallurgischer Klinge entscheidet, sollte sich, sofern er es häufig und unter rauen Bedingungen einsetzt, einen diamantbestückten Schärfer zulegen. Denn irgendwann muss auch eine solche Klinge nachgeschärft werden. Das kann ohne geeignetes Werkzeug zur Schinderei ausarten.
Werkzeug für ein Jägerleben
Neben dem pulvermetallurgisch erzeugten monogamen Stahl lässt sich mit diesem Verfahren auch pulvermetallurgischer Damaststahl erzeugen. Dieses Material hat seine besonderen Reize und Eigenschaften. Es kann ebenso wie Schweißverbund- Damaszenerstahl in den tollsten Mustern hergestellt werden, ist rostfrei, bruchfest, sehr scharf zu bekommen, schnittfest und doch bei Bedarf problemlos nachzuschärfen. In der Summe seiner Eigenschaften ist er unter allen Messerstählen gegenwärtig mein Favorit. Allerdings: Etwas tiefer muss der sich für ihn Entscheidende schon in die Tasche greifen. Dafür bekommt er jedoch ein attraktives Werkzeug für sein gesamtes Jägerleben.
Fazit
Der Jäger kann unter vielen Möglichkeiten, sprich Klingenstählen, wählen. Dabei dürfen Form, Länge, Querschnitt, Schliff der Klinge, Griff und – bei feststehenden Messern – eine solide Scheide nicht unberücksichtigt bleiben.
Berufsbedingt gingen im Laufe der Jahrzehnte über 2.000 verschiedenste Gebrauchsmesser durch meine Hände, wurden größtenteils auch getestet. Da in diesem Zeitraum ständig neue, auch für Messerklingen interessante Stähle entwickelt wurden, wandelte sich meine Vorliebe für einen speziellen Stahl. Derzeit ist für den Jagdalltag in heimischen Revieren Damasteel mein Favorit. Er erfüllt unter meinen Einsatzverhältnissen am umfassendsten meine Ansprüche.
Der Jäger aber, der pro Jahr lediglich zwischen 5 bis 20 Stücken Schalenwild aufzubrechen hat, ist mit der gehobenen Stahlklasse (ATS34, 440C, D2 usw. oder hochwertiger Carbonstahl) gut beraten. Diese sprengen in aller Regel auch nicht den finanziellen Rahmen. Er kommt aber auch – sofern er für „Notfälle“ einen handlichen Schärfer in der Parkatasche oder im Rucksack hat – mit preisgünstigen Klingenstählen wie 440A oder 420 zurecht. Der potente Individualist jedoch wird sich an einen Messermacher wenden, der ihn berät und alle seine Wünsche rund ums Jagdmesser erfüllt.