Wie viele Stück Rotwild auf 100 Hektar?

Wir haben einmal zwei Extrempositionen befragt, wie viele Stück Rotwild pro 100 Hektar Wald angemessen wären. Und wie erwartet, sind die Ansichten recht unterschiedlich.

Fragt man den Waldbauern oder Förster, steht überall dort, wo Rotwild lebt oder leben darf, immer zuviel. Doch was ist zuviel?

Wir haben einmal zwei Extrempositionen befragt, wie viele Stück Rotwild pro 100 Hektar Wald angemessen wären. Und wie erwartet, sind die Ansichten recht unterschiedlich.

50+

Hubertus Meyer-Loos – Privatwaldbesitzer, Leiter des Rotwildrings Ost der Kreisjägerschaft Herzogtum Lauenburg

Die Frage, wie viel Rotwild verträgt ein Lebensraum, hängt von vielen Faktoren ab. Die Interessen der Eigentümer variieren stark, wie auch die Lebensräume. Daher gibt es keine konkrete Zahl pro 100 Hektar. Fakt ist, dass sich Rotwild verhältnismäßig leicht lenken lässt. Man muss es nur wollen. Darüber hinaus ist es ungemein anpassungsfähig. In Nichtwirtschaftswäldern, vorausgesetzt man hält dort nicht nur weitestgehend Jagdruhe, sondern betritt diese Flächen, abgesehen von ein bis drei Bewegungsjagden pro Jahr, erst gar nicht, gedeiht das Rotwild prächtig. Optimal sind Wildäsungsflächen unmittelbar in bzw. an den Haupteinständen, die ausdrücklich nicht als Wildabschussflächen angelegt sein dürfen. Dann halten sich die Schäden in Grenzen. Da das Rotwild nicht nur ungemein lernfähig ist, sondern seine Erfahrungen auch an die nächst folgenden Generationen weitergibt, lässt sich in solchen Bereichen auch auf verhältnismäßig kleiner Fläche gut Rotwildhege betreiben. Sehr schnell werden diese Flächen ganztägig aufgesucht. Unter Einhaltung einfacher Spielregeln kann man Rotwild so in beachtenswerter Zahl Lebensräume bieten. Dann sind sogar 50 plus pro 100 Hektar möglich. Dieses allerdings nur in Waldbereichen, wo der Forstertrag keinen Wirtschaftsfaktor darstellt und die Politik entsprechende Regelungen zulässt bis hin zum Betretungsverbot für Erholungssuchende.


 

Weniger als heute!

Elisabeth Emmert – Bundesvorsitzende des Ökologischen Jagdverbands (ÖJV), selbstständige Diplombiologin

Es ist klar, dass es keine für alle denkbaren Lebensräume und Waldbestände in Deutschland allgemein gültige Zahl eines maximalen Rotwildvorkommens geben kann. Zu unterschiedlich ist die Tragfähigkeit und Lebensraumkapazität von ärmsten Kiefernbeständen der brandenburgischen Streusandbüchse bis zu wüchsigen Laubwäldern auf nährstoffstrotzenden Kalkhängen der Mittelgebirge oder des Alpenvorlands. Aus Sicht des ÖJV ist das Verhältnis von Wildpopulation und natürlicher Äsungsbasis entscheidend. Die Ergebnisse von Vegetationsgutachten oder Schälschadensinventuren zeigen, dass in nahezu allen deutschen Rotwildgebieten dieses Verhältnis völlig aus dem Gleichgewicht geraten ist. Fütterung oder die Anlage zusätzlicher, landwirtschaftlich betriebener Äsungsflächen sind nicht Teil einer Lösung, sondern verschärfen das Problem. Durch ein lebensraumverträgliches Rotwildmanagement wird gesichert, dass intakte Waldökosysteme und deren naturnahe Nutzung nicht gefährdet sind. Die Verjüngung aller standörtlich notwendigen und von Natur aus vorkommenden Pflanzenarten muss ohne Schutzmaßnahmen gewährleistet sein, um die Sicherung der Landeskultur und alle Gemeinwohlfunktionen des Waldes zu gewährleisten.