Die Sauenfreigabe macht in diesem Jagdjahr so manchem Beständer Bauchschmerzen. Die ASP hängt wie ein Damoklesschwert über den Gemütern deutscher Jäger.
Soll der Pächter – wie von den Bundesländern gewünscht – großzügig sein mit der Freigabe? Oder doch lieber bei der langjährigen Hegestrategie bleiben? Auch bei uns in der Redaktion wird heiss diskutiert, wie man es richtig macht. Wir haben deswegen drei absolute Profis gefragt, was die Sauenfreigabe in diesem Jahr bei ihnen hergibt.
Sauenfreigabe – Drei Profis liefern Antworten!
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Sauenfreigabe beim Sauenpapst -Hubertus Meyer Loos
Wie waren Ihre Sauenfreigaben vor fünf Jahren?
Hubertus Meyer-Loos: Vor fünf Jahren war die Freigabe wie folgt: Alle Frischlinge ab 15 Kilogramm sowie reife Keiler. Bachen und Überläufer waren zu schonen. Maximale Gewichtsbegrenzung lag bei 50 Kilogramm aufgebrochen. Verstöße wurden sanktioniert in Form von Bauen/Anlieferung von Drückjagdböcken, bei schweren Verstößen keine weitere Jagdeinladung.
Wie sind Ihre Drückjagdfreigaben in diesem Jahr wegen drohender ASP?
Hubertus Meyer-Loos: Die Drückjagdfreigaben in diesem Jahr bleiben ähnlich wie vor fünf Jahren mit der Ausnahme, dass nicht-führende Überläufer bis 60 Kilo aufgebrochen erlegt werden sollen, wie auch Frischlinge unter 15 Kilogramm. Nur noch grobes Fehlverhalten wird sanktioniert.
Wie würden Sie die Freigabe verändern, wenn die ASP in der Nähe auftritt?
Hubertus Meyer-Loos: Sollte die ASP Deutschland erreichen und bis auf 50 Kilometer an mein Revier vorgerückt sein, wären zwangsläufig alle Sauen frei, einschließlich dicker Bachen, aber erst, nachdem sie ihrer Frischlinge „beraubt“ wurden. Dann wäre das Ziel, das Revier „sauenrein“ zu schießen.
Wie sind Ihre Drückjagdfreigaben in diesem Jahr wegen drohender ASP?
Hubertus Meyer-Loos: Die Sauenfreigabe in diesem Jahr bleibt ähnlich wie vor fünf Jahren mit der Ausnahme, dass nicht-führende Überläufer bis 60 Kilo aufgebrochen erlegt werden sollen, wie auch Frischlinge unter 15 Kilogramm. Nur noch grobes Fehlverhalten wird sanktioniert.
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Was spricht aus Ihrer Sicht für eine drastische Sauenreduktion, was dagegen?
Hubertus Meyer-Loos: In meinem Revier gelingt es seit mehr als 25 Jahren, den Sauenbestand nicht ausufern zu lassen. Dieses gelingt insbesondere aufgrund der Tatsache, dass 85 bis 90 Prozent eines Frischlingsjahrgangs zur Beute werden. Dieses ist einer generalstabsmäßigen Planung und Durchführung sowie herausragender Schützen geschuldet.
So lange die ASP noch einigermaßen weit weg ist, werde ich von einer artgerechten Sauenfreigabe – möglichst 90 Prozent in der Frischlingsklasse, zehn Prozent schwache Überläufer und reife Keiler – nicht abrücken. Die Sauen haben, wie unser anderes Schalenwild auch, ein Recht darauf, ihren sozialen Strukturen entsprechend bejagt zu werden.
Dazu bedarf es erfahrener Stücke, die für das Gedeihen einer Schalenwildart notwendig sind. Der vorschnelle Abschuss, getreu dem Motto „Zahl vor Wahl“, kann kontraproduktiv sein. Daher gilt das Motto: Frischlinge zu bejagen, als wenn man sie ausrotten wollte, wobei das Wort ausrotten nicht missverstanden werden sollte. Die Reproduktionsdynamik findet in der Jugendklasse statt. Wenn die ASP kommt, dann kommt sie unweigerlich und bringt Probleme mit sich, die wir noch nicht einmal ansatzweise abschätzen können. Ob eine dichte Sauenpopulation oder nicht, wird daran nichts ändern. Eine effektive Sauenbejagung ist nicht ohne entsprechenden Aufwand möglich, sondern mit harter Arbeit verbunden. Dieses muss in die Köpfe der Revierinhaber rein. Dazu zählt auch das Jagen über die Reviergrenzen hinaus – mit Einbeziehung der Nachbarn.
Wie weit würden Sie den Bestand reduzieren, um das Infektionsrisiko zu minimieren?
Hubertus Meyer-Loos: Wie bereits gesagt, wenn die ASP absehbar mein Revier erreicht, dann würde ich versuchen, alle Sauen, unabhängig von Alter und Geschlecht, unter Berücksichtigung des Tierschutzes (Muttertierschutz) zu bejagen mit dem Ziel, mein Revier „sauenrein“ zu bekommen, wohl wissend, dass dieses in der Praxis nicht zu 100 Prozent zu erreichen ist.
Die Fälle in Tschechien und Belgien haben gezeigt, dass die Gefahr der Einschleppung durch den Faktor Mensch deutlich höher erscheint als auf natürlichem Weg. Dieses macht den Zeitpunkt des Ausbruchs der Seuche für uns unkalkulierbar. Daher ist es vorerst mein Ziel, den Nachwuchs zu über 90 Prozent abzuschöpfen und ausgewachsene Stücke weiter zu schonen. Der Versuch des Totalabschusses aller Sauen wird in meinem Revier erst angeordnet, wenn die ASP bis auf 50 Kilometer an mein Revier herangerückt ist.
Sauenfreigabe auf adeligem Grund und Boden – Matthias Meyer
Wie waren Ihre Sauenfreigaben vor fünf Jahren?
Matthias Meyer: Es war und ist uns ein stetes Anliegen, jährlich mindestens den Zuwachs abzuschöpfen. Bei Frischlingen und Überläufern gern auch darüber hinaus, ohne jedoch spürbar die Alters- und Sozialstruktur zu zerschießen.
So erstreckte sich die Sauenfreigabe auf Frischlinge sowie Überläufer generell. Das ist auch für alle Jäger sicher umzusetzen, wenn in der Rotte stets diszipliniert von Klein nach Groß geschossen wird. Lagen diese, waren auch die dazugehörigen Bachen frei. Einzeln anlaufende starke Stücke sollten reife Keiler sein.
Bei dieser doch recht klaren Ansage waren weit über 80 Prozent des Bestands in der Freigabe, und die „Druckfehler“ hielten sich in Grenzen.
Wie sind Ihre Drückjagdfreigaben in diesem Jahr wegen drohender ASP?
Matthias Meyer: Auch in diesem Jahr wird das Schwarzwild intensiv mit allen Jagdarten bejagt werden. Die Sauenfreigabe wird natürlich genauso liberal sein wie zuvor. Bei aller Ernsthaftigkeit dieser Seuche darf nach meinem Dafürhalten trotz aller Panikmache keinesfalls der Tierschutz und vor allem der Muttertierschutz ignoriert werden. Wir haben genug zu jagen – aber sicher nicht unter Missachtung moralischer Werte!
Wie würden Sie die Freigabe verändern, wenn die ASP in der Nähe auftritt?
Matthias Meyer: Selbst in diesem Fall spricht nichts für eine planlose Freigabe und ein willkürliches, destruktives Zerschießen von Sozialstrukturen. Es wird offensichtlich gern vergessen, dass die Sterblichkeit von führungslosen Frischlings- und Überläuferrotten weitaus höher und unberechenbarer ist als von ausgewachsenen Stücken, die sogar sehr standorttreu sind. Dabei grenzt gerade dieser enge Aktivitätsradius die Ausweitung der ASP deutlich ein und macht veterinärmedizinische Maßnahmen zur erforderlichen Seuchenbekämpfung wirkungsvoller.
Wie sind Ihre Drückjagdfreigaben in diesem Jahr wegen drohender ASP?
Matthias Meyer: Auch in diesem Jahr wird das Schwarzwild intensiv mit allen Jagdarten bejagt werden. Die Freigabe wird natürlich genauso liberal sein wie zuvor.
Bei aller Ernsthaftigkeit dieser Seuche darf nach meinem Dafürhalten trotz aller Panikmache keinesfalls der Tierschutz und vor allem der Muttertierschutz ignoriert werden. Wir haben genug zu jagen – aber sicher nicht unter Missachtung moralischer Werte!
Was spricht aus Ihrer Sicht für eine drastische Sauenreduktion, was dagegen?
Matthias Meyer: Schwarzwild vermehrt sich als vielgebärende Tierart außerordentlich schnell. Diese biologische Gegebenheit wird seit Jahren zusätzlich durch günstige Umwelteinflüsse stark unterstützt. Allein schon deshalb sollte eine scharfe und konsequente Sauenfreigabe außer Diskussion stehen. Bereits in der Vergangenheit sorgte ein hoher Schwarzwildbestand stets für Negativschlagzeilen aufgrund hoher Wildschäden und flächigem Einfluss auf Bodenbrüter und andere Kleinlebewesen in jedem Ökosystem.
Nun kommt die berechtigte Angst vor einer Tierseuche mit all ihren – biologischen und ökonomischen – Konsequenzen zusätzlich ins Gespräch. Aus diesem Grund ändert sich nichts an der ständigen Forderung nach Umsetzung einer intensiven Sauenjagd – aber handwerklich gekonnt und nicht planlos, willkürlich und hysterisch. Insbesondere sehe ich in der momentanen Situation ein großes Gefahrenpotential, die ASP weiter zu verbreiten, wenn seitens der Jägerschaft, wie vielfach in der Vergangenheit geschehen, auf käufliche Meuten als Dienstleister bei den Drückjagden zurückgegriffen wird.
Jagdhunde kommen zwangsläufig mit Schwarzwild und im ungünstigsten Fall mit dem Virus in Verbindung und verbreiten es als Vektor außerordentlich schnell. Meuten arbeiten heute in Sachsen, morgen in der Eifel und übermorgen in Ungarn. Nicht nur für die kommende Drückjagdsaison muss jedem Jagdleiter klar sein, welches Risiko besteht und wie wichtig es ist, mit regionalen Hundeführern zusammenzuarbeiten.
Wie weit würden Sie den Bestand reduzieren, um das Infektionsrisiko zu minimieren?
Matthias Meyer: Die weiten, sprunghaften Entfernungen neuer ASP-Ausbruchsherde in Europa zeigen klar, dass nicht wandernde Sauen die ASP weitertragen, sondern
andere Vektoren, allen voran der Mensch über Handel oder Transit. Somit kann die ASP jederzeit und überall auftreten. Auch die dann vorhandene Wilddichte gibt keine Garantie, dass ein Gebiet verschont wird, wenngleich geringe Stückzahlen neue lokale Infektionen überschaubarer machen und seuchenhygienische Maßnahmen schneller und sicherlich sauberer und unkomplizierter umzusetzen wären.
Die Sauenfreigabe beim LJV Rheinland Pfalz – Robert Ackermann
Wie waren Ihre Sauenfreigaben vor fünf Jahren?
Robert Ackermann: Die Drückjagdfreigaben sind heute die gleichen wie vor fünf Jahren: der Fokus liegt auf Frischlingen. Auch Bachen sind frei, wenn sie erkennbar keine abhängigen Frischlinge führen.
Wie sind Ihre Drückjagdfreigaben in diesem Jahr wegen drohender ASP?
Robert Ackermann: Auch in diesem Jahr werden wir bei den genannten Freigaben bleiben, das heißt, der Fokus liegt auf das Erlegen von Frischlingen sowie nicht-führenden Bachen. Wenn sicher zu erkennen ist, dass in der Rotte eine nicht-führende Überläuferbache mitläuft, gilt dieser unsere jagdliche Aufmerksamkeit.
Wie würden Sie die Freigabe verändern, wenn die ASP in der Nähe auftritt?
Robert Ackermann: Solange wir von Jagd sprechen, werden wir auch waidgerecht und effektiv jagen. Bricht die ASP im eigenen Wirkungsbereich aus, treten Maßnahmen zur Seuchenbekämpfung in Kraft. Diese werden voraussichtlich wenig mit Jagd zu tun haben.
Was spricht aus Ihrer Sicht für eine drastische Sauenreduktion, was dagegen?
Robert Ackermann: In erster Linie müssen wir uns an die Gesetzeslage halten, die uns Jägern einen, den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepassten, artenreichen und gesunden Wildbestand vorschreibt. Dabei dürfen wir nicht unsere Verantwortung bei der Wildschadensverhütung vernachlässigen.
Ich möchte aber daran erinnern, dass auch Grundstückseigentümer als Inhaber des Jagdrechts zur Hege verpflichtet sind. Hege bedeutet in diesem Zusammenhang das Anpassen der Sauenbestände an die landeskulturellen Verhältnisse, also ein Absenken der Bestände. Die Landwirtschaft kann hierbei den Jagdausübungsberechtigten in vielfältiger Form unterstützen.
Zum Wildbret: Natürlich ist ein 65 Kilo schwerer Überläufer wesentlich besser verwertbar, aber auch aus einem acht Kilo schweren Frischling kann man drei Kilo schmackhaftes Wildbret gewinnen. Auch bei einer intensiven Bejagung des Schwarzwildes dürfen der Elterntierschutz und die Sozialstruktur nicht vergessen werden.
Wie weit würden Sie den Bestand reduzieren, um das Infektionsrisiko zu minimieren?
Robert Ackermann: Bei der Diskussion um ASP dürfen wir nicht alleine den Sauen den Schwarzen Peter zuschieben. Für die Einschleppung der Seuche ist der Mensch das größte Risiko. Dennoch spielen dichte Bestände eine wesentliche Rolle bei der lokalen Ausbreitung. Daher ist es wichtig, diese auf einem niedrigen Niveau zu halten.