Immer wieder sorgen Frauen in männlich geprägten Ämtern für Schlagzeilen. Nicole Heitzig, die Präsidentin des Landesjagdverbandes NRW und Vizepräsidentin des Deutschen Jagdverbandes, erklärt uns im Interview: bei der Verbandsarbeit gewinnt das „wir“!
Spätestens nach der Wahl von Nicole Heitzig zur Präsidentin des Landesjagdverbands Nordrhein-Westfalen ist deutlich geworden, dass Kompetenz und Leistung keine Frage des Geschlechts sind. Die charismatische Nicole Heitzig ließ sich auf Wunsch ihrer männlichen Mitstreiter zur Präsidentschaftswahl ihres Landesjagdverbands aufstellen. Sie nahm die Herausforderung an und gewann die Wahl. Zusätzlich begleitet sie das Amt der Vizepräsidentin des DJV. Ein gutes Miteinander liegt ihr sehr am Herzen. Lesen Sie, was es sonst noch Spannendes und bisher Unbekanntes über die Präsidentin zu wissen gibt.
Haben Sie ein Lieblingsbuch oder eine/n Lieblingsautor/in?
Früher habe ich viel mehr gelesen, heute bleibt mir kaum Zeit dafür. Meine aktuelle Lieblingsautorin ist Juli Zeh, sie ist unter anderem bekannt durch ihr Buch „Unterleuten“.
Gibt es ein Wildgericht, das Sie besonders gern mögen?
Ich esse alles außer Leber. Mein Lieblings-Wildgericht ist Rotwildrücken mit Spitzkohl und Spätzle.
Weiter geht es mit Ihrer Lieblingsstadt und Ihrem Lieblingsland?
Grundsätzlich mag ich keine Städte.
Wenn es eine Lieblingsstadt für mich gibt, dann ist es Köln. Sobald ich den Dom sehe, bekomme ich so etwas wie ein Heimatgefühl. Geboren bin ich in Münster, aber in Köln bin ich aufgewachsen, zur Schule gegangen und meine Eltern wohnen noch dort. Mein Lieblingsland ist Ungarn, denn es ist inzwischen zu meiner zweiten Heimat geworden.
Was gibt es noch über Sie zu erzählen?
Ich bin über 30 Jahre aktiv Dressurgeritten und komme eigentlich aus der Reiterei. Ich habe junge Pferde angeritten und ausgebildet. Während des Jura-Studiums habe ich zeitweise 4 Pferde am Tag in Beritt gehabt. Außerdem zeichne und lese ich sehr gern, wenn es mir die Zeit erlaubt.
Wann sind Sie das erste Mal mit der Jagd in Berührung gekommen?
Während des Studiums in Münster habe ich auf einem Pferdehof/landwirtschaftlichem Betrieb gewohnt. Alle um mich herum waren Jäger. Mit der Tochter des Hofbesitzers habe ich für den Jagdschein geübt und sie abends dazu abgefragt. Mit den Jagdhunden des Hofes, einem Dackel und einem Drahthaar, bin ich Fahrrad gefahren und beim abendlichen Fernsehen haben sie auf meinem Bauch gelegen. Es wurde viel Wildbret zubereitet und gemeinsam genüsslich gegessen.
Trotzdem das alles faszinierend für mich war, habe ich zu diesem Zeitpunkt die Jagd nicht für mich wahrgenommen und bin nicht auf die Idee gekommen den Jagdschein zu machen.
Wer oder was hat Sie jagdlich geprägt?
Mein erster Hund und ein Gerichtsfall. Als ich als Richterin nach Paderborn gekommen bin habe ich einen Jagdhundemix aus dem Tierschutz von Sabine Hochhäuser, jaegerhunde.de übernommen. Jäger aus der Nachbarschaft haben mich bei der Ausbildung und Erziehung des etwas wilden Hundes unterstützt.
Das eigentliche Schlüsselerlebnis hatte ich aber später bei einem Fall von Jagdwilderei, den ich als Richterin des Amtsgerichtes bekam. Alle Kollegen waren Jäger und im Publikum saßen auch viele, viele Jäger. Der Fall war sehr spannend und die Thematik vielseitig und faszinierend. Nach der Urteilsverkündung kam ein Zuschauer auf mich zu und gab mir seine Visitenkarte. Das war der Jungjägerausbilder der Kreisjägerschaft Paderborn. Niemand aus meiner Familie war Jäger, aber der Gedanke kam auf: „Dümmer wird man keinesfalls, machste mal…“ So nahm alles seinen Lauf.
Seit wann haben Sie den Jagdschein?
Angefangen habe ich 2007 und 2008 war dann die Prüfung.
Wer ist Ihre liebste Jagdbegleitung, egal ob Hund oder Mensch?
Ich führe drei Dackel. Aber Dackel „Lienchen“, die jüngste im Rudel, geht am liebsten mit raus. Auf den Ansitz gehe ich sehr gern allein und auf unseren Jagdreisen gehe ich ab und an mit meinem Mann auf den Hochsitz.
Jagen Sie lieber mit der Büchse oder der Flinte?
Ich habe sehr selten die Möglichkeit zur Niederwildjagd. Jagdlich geführt wird daher mehr die Büchse als die Flinte. Aber die Flinte wird sehr gern und das regelmäßig zum Jagdparcour auf den Schießstand in Buke ausgeführt.
Was muss immer mit auf die Jagd?
Ich mag wenig Gepäck, daher gehe ich selten mit einem Rucksack auf die Jagd. Sonst kommt außer dem Gewehr, das Fernglas mit integriertem Entfernungsmesser, ein Mora Messer und eine Aufbrechsäge mit auf die Jagd. Ein Entfernungsmessung ist für mich ein jagdliches „Muss“. In Ungarn habe ich gern einen selbstgeschnitzten Haselnuss-Pirschstock dabei.
Welches Produkt – Kleidung oder Ausrüstung – ist das ältestes und welches das neueste Produkt?
Alt: Meine Lodenkotze. Das absolut liebste und vielseitigste Jagdutensil überhaupt, ob beispielsweise zum Mensch- oder Dackelwärmen, als Schutz vor Nässe, oder zum Drückjagdbock verblenden.
Neu: Heizweste mit Akku, ein bisschen Frauenklischee muss sein. (lacht)
Was macht für Sie einen guten Jagdtag aus?
In aller Kürze: Positive Erlebnisse, wie ein jagdliches Miteinander mit Freunden, Anblick, evtl. auch Beute machen und, dass alle nach der Jagd wieder gesund nach Hause kommen.
Seit wann sind Sie ehrenamtlich tätig?
Nach Bestehen des Jagdscheins 2008 und der Mitgliedschaft im Hegering Paderborn und damit im Landesjagdverband der Landesjagdverband, kam sofort die Anfrage zur Position als Kassenwartin im Hegering. Nach weiteren vier Jahren dann die Wahl zur stellvertretenden Vorsitzenden der Jägerschaft Hochsauerlandkreis, nach weiteren vier Jahren die Wahl zur Kreisvorsitzenden und nach noch einmal vier Jahren schließlich die Wahl zur Präsidentin des Landesjagdverbandes NRW. Alles ging ungewöhnlich schnell. Ich hatte damit nicht gerechnet.
Warum engagieren sie sich ehrenamtlich?
Die Jagd braucht nach wie vor Aufklärung und Engagement. Immer wieder stehen wir Vorurteilen gegenüber. Nach Bestehen des Jagdscheines konnten viele Nichtjäger meine Begeisterung für das Handwerk nicht nachvollziehen und standen der Jagd sehr kritisch gegenüber. Das aber meist durch fehlende oder falsche Informationen. Aufklärungsarbeit funktioniert am besten durch Verbandsarbeit.
Was waren Ihre Ziele beim Amtsantritt zur Präsidentin des Landesjagdverbands NRW?
Ich habe mich nicht als Präsidentin beworben, sondern ich bin gefragt worden. Mein erster Gedanke war „NEIN“ zu sagen. Aber wenn wir nichts tun, wird uns die Jagd Stück für Stück verboten werden. Die Jagd muss erhalten bleiben und das war und ist meine Motivation. Ich möchte Aufklärung durch Verbandsarbeit, aber auch durch die Politik. Moderne Medienarbeit und Imagepflege, volles Engagement und ein jüngeres Gesicht für den Verband.
Was konnte davon schon umgesetzt werden?
Den Verband „Fit für die Zukunft machen.“ Die Geschäftsstelle, die Homepage und auch das Mitgliedermagazin, den Rheinisch Westfälischen Jäger moderner zu gestalten.
Wie viel Nicole Heitzig ist mit im Amt?
100 %, anders kann das Amt nicht ausgeführt werden.
Sind Jägerinnen ein Thema, welches Ihnen besonders am Herzen liegt?
Ich bin grundsätzlich für ein gutes Miteinander. Alle sollten alles gemeinsam machen. Es gibt aber durchaus Veranstaltungen, die machen auch nur einmal unter Jägerinnen Freude.
Gleichbehandlung unter Jägern und Jägerinnen – gibt es schon ein „Wir jagen gemeinsam“?
Ja gibt es! Ich habe noch nie Probleme mit den männlichen Mitjägern oder Kollegen gehabt. Wie es in den Wald hinein ruft, so ruft es hinaus. Man jagt zusammen und hilft sich, dass ist ganz natürlich. Ausnahmen gibt es, wie in jeder „Branche“.
Wäre eine Frauenquote bei den Landesjagdverbänden sinnvoll?
Nein, m. E. ist egal in welchem Lebensbereich ist eine Frauenquote nicht sinnvoll. Es könnten allerdings mehr Frauen angesprochen und motiviert werden jagdliche Ämter zu übernehmen, denn Frauen haben öfter eine andere Herangehensweise und Wirkung. Positiv ist außerdem, dass Frauen in jagdlichen Ämtern das Klischee des typischen Jägers brechen und damit greifen die Vorurteile von Jagdskeptikern nicht mehr. Bei der Vergabe der Ämter sollten aber Leistung und Kompetenz, anstatt einer Quote, zählen.
Sind Frauen im Amt charmanter sowie diplomatischer und erreichen so mehr als der männliche Kollege?
Vielleicht schon, aber nicht bewusst. Ich merke eher die Überraschung bei meinem Gegenüber. Wenn ich einen Termin habe und die Leute mich nicht kennen, sind sie ganz überrascht, dass ich diese Position bekleide, und schon sind wir im Gespräch. Ich kleide mich auch bewusst nicht übermäßig jagdlich bei Terminen mit Nichtjägern. Kleine Accessoires ja, aber keine jagdliche „Uniform“. So wird keine unnötige Distanz aufgebaut und sei sie auch nur optisch.
Ist der Wolf ein jagdpolitisches Sorgenkind?
Nein, der Wolf ist eher ein gesellschaftliches Sorgenkind. Der Ruf nach einem Bestandsmanagement, einer Regulierung sollte eher von den Landwirten, Pferdehaltern, Hundebesitzern und besorgten Eltern ausgehen. Das sind oft mehr Berührungspunkte.
Brauchen wir ein Wolfsmanagement und wie sollte es aussehen?
Es braucht schnellstens ein regional differenziertes, aktives Wolfmanagement. Es könnten die Spielräume der FFH-Richtlinien genutzt und der Schutzstatus gelockert werden. Die Initiative muss auf europäischer Ebene ergriffen werden. Der Wolf sollte aus Anhang 4 in Anhang 5 überführt werden. Wolfsfreie Gebiete ausweisen, wo dann Weidewirtschaft, Deichwirtschaft und Almwirtschaft möglich ist. Es muss der Erhaltungszustand beurteilt werden. Ein verstärktes Monitoring: Erhaltungszustand, Population usw. Der Umgang mit verletzen Wölfen im Straßenverkehr muss besser geregelt werden, wie auch eine Regelung zum Verhalten der Halter von Nutztieren und Hunden bei Wolfsangriffen sinnvoll wäre. Rechtsicherheit für Halter von Nutztieren und Jagdhunden, die angegriffen werden, muss geschaffen werden.
Beruf & Jagd – wie passt das alles zeitlich bei Ihnen in einen Tag oder in eine Woche?
Die Jagdzeit ist seit dem Amtsantritt knapper geworden. Das Amt als Präsidentin nimmt viel Zeit in Anspruch und der Beruf als Richterin, wenn auch halbtags, macht sich auch nicht von allein. Trotzdem nehmen mein Mann und ich uns drei bis vier jagdliche Auszeiten im Jahr. Das sind zwei bis drei Wochen Jagd-Auszeit in Ungarn. Dort haben wir ein Haus und sind Mitglied in einer Jagdgesellschaft. Favorisiert werden die Zeiten Ende April zur Bockjagd und Mitte September zur eindrucksvollen Rotwildbrunft. Da bin ich dann mal weg, diese Zeit ist mir heilig.
Wie wichtig ist Ihnen jagdliches Brauchtum?
Wichtig! Brauchtum sollte im. E. im Rahmen von Möglichkeit und Gegebenheit stattfinden. Gerade auf den Gesellschaftsjagden sollte Brauchtum gepflegt werden. Für den letzten Bissen sollte immer Zeit sein. Wenn keine bruchgerechten Baumarten in der Nähe wachsen, nehme ich was dort so wächst. Jagdhornblasen habe ich mal gelernt, aber leider fehlt mir die Zeit zum Üben.
Beschreiben Sie die Jagd in einem Wort.
Passion.
Der Satz Ihres (Jagd-)Lebens ist?
Motivation zum Frühansitz: Sie kommen nicht ans Bett.
oder
Jagd ohne Dackel ist möglich, aber sinnlos.
Sie haben einen Wunsch frei – was wäre dieser?
Möglichst lange und gesund die Jagd ausüben zu können und zu dürfen.
Ihr persönlicher Tipp für Jägerinnen?
Das Jagdhandwerk beherrschen, es gut ausüben, sich vernetzen und engagieren.
Was Sie schon immer mal sagen wollten:
Ich wünsche mir ideologiefreie Jagd- und Umweltpolitik.
Das Interview führte Inga Maushake-Chelius.