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JÄGER Ausgabe 10/2019 Gold aus dem Revier

Wir haben das Jahr 2030. Sie schießen morgens in Ihrem Revier einen Rehbock, 16 Kilo in der Decke. Doch Ihre Kühltruhe ist voll. Sie brechen ihn fachkundig auf – im Hängen. Dann spülen Sie ihn mit dem Gartenschlauch aus, heben ihn in eine Wildwanne, verstauen ihn in Ihrem Kofferraum und fahren ihn sechs Kilometer entfernt zur Wildannahmestation Ihres Hegerings. Dort steht Jens. Jens ist Ihr Reviernachbar und hat gerade „Wild-Notdienst“. Gemeinsam hängen Sie den Bock in das nagelneue Kühlhaus, Jens kümmert sich anschließend um das fachkundige Zerwirken und Vermarkten. Etikettiert wird mit einem deutschlandweit einheitlichen Gütesiegel, das folgende Standards erfüllen muss: „Aus heimischer Natur, hormonfrei, nachhaltig, CO2-neutral – Wild vom Jäger“. Menschen aus dem ganzen Landkreis kaufen die küchenfertig portionierten Wildsteaks der DJV-Marke „Hegeglück“ wie bekloppt.

Am besten gehen veredelte Wildprodukte wie Corned Beef oder Pfefferbeißer vom Reh. Die Leute bezahlen anstandslos für eine Rehkeule 40 Euro, für ein Kilo Pfefferbeißer 30 Euro. Am Ende des Jahres erwirtschaftet Ihr Hegering nach Abzug aller Kosten für Kühlhaus und Strom einen stattlichen Gewinn, welcher an die Revierinhaber ausgeschüttet wird. Warum? Vor allem, weil Billigfleisch aus dem Regal der Supermärkte komplett verschwunden ist. Es gibt nur noch „Beyond Meat“ – und ein paar Wettbewerber, deren Fleisch zumeist pflanzlich hergestellt wird – aber irre gut schmeckt. Laut der Universität Michigan verbraucht die Herstellung der fleischlosen Burger 93 Prozent weniger Land, 90 Prozent weniger Treibhausgase und 46 Prozent weniger Energie als ein Burger aus Rindfleisch – aber braucht dafür 99 Prozent weniger Wasser! Diese unschlagbare Bilanz hat die Politik weltweit auf die klimapolitischen Folgen der konventionellen Fleischzucht reagieren lassen.

Wenn Tierhaltung im Jahr 2030 überhaupt noch erlaubt sein wird, dann vor allem in der Nische, wo wenig Vieh einen ökologischen Nutzen stiftet. Zum Beispiel auf Bergalmen, wo Kühe nicht nur Milch und Fleisch geben, sondern uns nebenbei vor Lawinen schützen. Es wird auch andere Nischen geben; doch die Tage der „klassischen Tierfabriken“, wie wir sie kennen und schätzen gelernt haben, dürften nach allem, was man hört, sieht und liest, mittelfristig gezählt sein.

Diese Entwicklung wird nicht jedem gefallen. Am wenigsten den Bauern, die sowieso schon unter dem beschämenden Preiskampf bei Milch und Fleisch leiden – und immer mehr zum medialen Boxsack der Stadtbevölkerung geworden sind. (Ein Wunder, dass man sie noch nicht für den Aufstieg der AfD verantwortlich gemacht hat.) Doch aus jägerischer Perspektive gilt es nun, die Hausaufgaben zu machen. 1. Wir brauchen eine professionelle Zerlege- Ausbildung im Jagdscheinkursus. 2. Wir brauchen hegeringweite Wildgenossenschaften. 3. Wir brauchen ein einheitliches Gütesiegel. Denn wir produzieren das Fleisch der Zukunft. Das muss uns endlich klar sein.

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