Reh im Liebesrausch – mit dem Blatter auf Böcke Teil 1

Mit der richtigen Taktik lässt sich bald in der Blattzeit sehr erfolgreich auf kapitale Rehböcke waidwerken. Patrik Bollrath verrät seine top Tipps für den Erfolg.

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Auch der Moorbock konnte schließlich in der Blattzeit erlegt werden. Foto: Patrik Bollrath

Eine gelungene Blattjagd zeichnet vor allem aus, nicht jedes Reh willkürlich zu erlegen.
Die Blattjagd ist für viele von uns ein Zauberwort, wenn es um die Erlegung eines alten, reifen Bockes geht. So ranken sich auch viele Mythen um das Geheimnis von der perfekten Blattzeit im eigenen Revier. Während sich hierbei einige Parameter beeinflussen und gewisse Fehler von vornherein vermeiden lassen, gibt es auch einige Faktoren, die sich unserem Einfluss entziehen und dadurch diese Jagdart um so spannender machen. Unser Autor Patrik Bollrath nimmt Sie mit auf das Abenteuer Blattjagd.

Der Moorbock

Ein früher Morgen Anfang August, im Wald ist es noch fast dunkel, als ich langsam eine Geländekante entlang zu einem Platz pirsche, welchen ich mir bereits zwei Wochen vorher ausgesucht habe. Frische Plätzstellen verraten die Anwesenheit eines Bockes und lassen die Spannung steigen. Langsam und so leise wie möglich pirsche ich durch den offenen Buchenbestand. Vor mir liegt eine moorige Senke mit Erlen und Weiden, ein perfekter Einstand für Rehe – hier vermute ich den Bock. Als ich den ausgesuchten Platz erreiche, richte ich mich mit meinem Zielstock ein und prüfe die verschiedenen Schussbereiche. Der Wind zieht kaum merklich schräg von unten auf mich zu. Perfekte Bedingungen! In der Nacht hat es zudem geregnet, sodass überall noch etwas Feuchtigkeit in der Luft liegt. Nach den heißen letzten Tagen sollte sich das Wild heute wieder munterer bewegen. Ist heute vielleicht der Tag aller Tage, der Höhepunkt der Blattjagd in diesem Jahr? Aufmerksam beobachte ich die Kante des Moores, welche circa 80 Meter unterhalb meines Platzes liegt. Nachdem ich zehn Minuten gewartet habe, nehme ich langsam den Blatter an den Mund und beginne zu blatten. Nicht zaghaft, nicht verhalten – nein, der Sprengfiep hallt laut und aggressiv durch das flache Tal und zerschneidet die morgendliche Stille. Es dauert keine zehn Sekunden, da höre ich es unter mir poltern und krachen. Sofort gleitet die Waffe  an die Wange und ich mache mich bereit. Keinen Moment zu früh, denn schon schießt ein kräftiger, rotbrauner Rehkörper auf mich zu und überwindet die Distanz von der Moorkante bis zu mir in nur wenigen Sekunden. Keine zehn Meter vor mir bleibt der Bock stehen. Wie bei einem Stier kann ich die Wut über den vermeintlichen Eindringling in seinem Revier förmlich im Gesichtsausdruck sehen! Aschgraues Haupt, mürrischer Blick, massiger Körper und sehr tief sitzende Rosen machen mir die Entscheidung mehr als leicht. Ich bin zu einer Salzsäule erstarrt, doch innerlich hämmert das Herz in meiner Brust. Der Bock steht spitz und an einen Schuss ist nicht zu denken. Eine gefühlte Ewigkeit starren wir uns an und ich wage nicht zu atmen. Irgendetwas scheint ihm nicht geheuer zu sein, seine Kopfbewegung werden immer nervöser. Schließlich dreht er sich, unschlüssig, was ich nun sei, und das Fadenkreuz findet den tödlichen Bereich. Mit dem Schuss fällt auch bei mir die Anspannung und mit zittrigen Händen gehe ich zum Stück. Es ist kein sonderlich starker Bock, jedoch alt und zurückgesetzt. Mit diesem Jagderlebnis endet ein traumhafter Blattjagdmorgen und genau für diese magischen Momente lohnt sich das frühe Aufstehen während der Rehbrunft.

Auf das Wann kommt auch beim Reh an

Die Blattjagd begeistert mich, seitdem mir das erste Mal ein Bock auf den Fieplaut zustand. Der Reiz, die Böcke anzulocken und unter oft schwierigen Bedingungen unter Hochspannung einen guten Schuss anzutragen, ist für mich an Intensität kaum zu überbieten. Jeder hat verschiedene Erfahrungen mit der Blattjagd gemacht und es fällt schwer, diese in feste Gesetze zu pressen, was denn den Erfolg nun ausmacht. Doch gibt es einige grundlegende Gesetzmäßigkeiten, die ich Ihnen im Folgenden nennen möchte.

Zunächst gibt es natürlich die Zeit oder die Zeitspanne, in welcher die Böcke durch einen Fieplaut zum Zustehen gebracht werden können. Damit meine ich jedoch nicht die wilde, rehartige Quietscherei mancher Waidgenossen, mit der zuweilen bereits im Juni oder Anfang Juli begonnen wird. Nein, ich spreche von der Blattzeit und diese spielt sich, wenngleich uns allen das Warten jedes Jahr aufs Neue schwer fällt, nach der eigentlichen Brunft des Rehwildes ab. Und wann beginnt die Brunft? Der Beginn der Brunft ist in unseren Breiten etwa  60-64 Tage nach dem Setzen der Kitze zu beobachten, in Gebirgslagen auch späger, ihm folgen Tage wilden Treibens, während derer der Jäger meist als Schneider nach Hause geht. An ein Blatten sollte während des Höhepunkts der
Brunft, in der Regel ist dies etwa
die dritte Juliwoche, noch nicht gedacht werden. Erst in den folgenden Tagen wird es schließlich spannend für uns Grünröcke, da nun in der Regel die meisten weiblichen Stücke beschlagen wurden und die Böcke, sofern sie des Treibens noch nicht überdrüssig sind, auf unsere kunstvoll dargebotenen Fieplaute reagieren.

Der Zeitpunkt für den Beginn der Blattzeit ist natürlich von Jahr zu Jahr in Abhängigkeit von der Witterung unterschiedlicht. Grundsätzlich spielt sich die heiße Phase bei der Jagd auf den roten Bock jedoch zwischen dem 27. Juli und dem 10. August ab. In anderen Ländern und unter anderen Klimabedingungen kann sich diese Kernzeit verschieben. Doch es ist wie im echten Leben: während der Blattzeit gibt es gute und schlechte Tage, die nicht vorhersehbar sind. An manchen Tagen springt an jedem Platz ein Bock, an anderen Tagen steht nur einer oder auch gar keiner auf den Fieplaut zu. Wer hier konsequent jeden Tag der Kernzeit nutzt, wird einen der wenigen Tage erwischen, an dem die Böcke einfach beim ersten Fieplaut springen und es fast unwichtig scheint, welchen Ton man dem Blatter entlockt. Diese Tage sind die goldenen Stunden der Blattzeit und nur der Jäger, der regelmäßig in dieser Zeit draußen ist, wird diese Tage mit einer Regelmäßigkeit Jahr für Jahr erleben.

Die Weisheit früherer Generationen hat nach wie vor nicht an Gültigkeit verloren: „Nun, lieber Jäger, merke gut, und Waidmann, gib wohl acht: Den Bock verwirrt der Sonne Glut, den Hirsch die kalte Nacht.“

Warmes Wetter ist vorteilhaft, solange es nicht zu heiß ist. Auch im Wald kann die Hitze so unerträglich werden, dass selbst der wildeste Bock sich in dieser Zeit kaum bewegt und schon gar nicht auf den Fieplaut zusteht. Hier hilft die Abkühlung nach einem Schauer, da sich sonst das meiste Brunftgeschehen in den kühleren Nachtstunden abspielt. Auch in den frühen Morgenstunden kann sich in der Zeit einer Hitzewelle der beste Jagderfolg einstellen. Generell kann ich bei Durchsicht meiner Schussbücher sagen, dass die frühen Morgenstunden stets am erfolgreichsten waren. Jedoch können auch die Mittagsstunden Erfolg bringen. Hier hilft nur ausprobieren.

Zu guter Letzt sei erwähnt, dass auch der Mond zum Zeitpunkt von Brunft und beginnender Blattzeit einen Einfluss auf das Treiben der Böcke hat. So kann es durchaus sein, dass sich bei Vollmond und tagsüber sehr hohen Temperaturen das Gros des Brunftbetriebes während der Nacht abspielt und der Jäger mit Glück am Rande vom Verbleib der kleinen Konzentratselektierer erfährt.

Der Autor bei der Blattjagd im Altholzbestand. Foto: Patrik Bollrath

Revier ist nicht gleich Revier

Die Platzwahl ist für den jagdlichen Erfolg sehr wichtig. Grundsätzlich muss auch ein reifer Bock oder Platzbock an der auserkorenen Stelle seinen Einstand haben, soviel ist klar. Wer nicht da ist, kann auch nicht aufs Blatt springen. Im Zweifel sprängen hier beispielsweise Jährlinge oder mittelalte Böcke.

Hinzu kommt, dass für eine erfolgreiche Blattjagd auch das Geschlechterverhältnis des Besatzes eine nicht unerhebliche Rolle spielt – in Revieren, in denen das Geschlechterverhältnis des Rehwildes in etwa ausgewogen ist oder gegebenfalls einen geringen Überhang bei den weiblichen Stücken aufweist, ist mit einer erfolgreichen Blattzeit zu rechnen. Weist das Revier einen starken Überhang weiblichen Wildes auf, so ist mit einem für uns eher unerfreulichen Verlauf der Blattjagd zu rechnen.

Wer tagelang der Hahn im Korb war, wird, selbst wenn er denn wollte, konditionell nicht im Stande sein auf einen noch so euphorisch dargebotenen Fieplaut oder den wildesten Sprengfiep zu reagieren. Oft hat der Platzbock seine weiblichen Stücke bei sich und die Blatterei fruchtet nur zur Unzeit während der Brunft bei den Jünglingen – das Blatten macht dann keinen richtigen Spaß.

Nun haben wir jedoch ein passendes Revier, Böcke im richtigen Alter sind zu gegen und Petrus ist uns wohlgesonnen und sorgt für das perfekte Blattzeitwetter. Jetzt geht es primär darum, einen Stand zu haben, an welchem man genug Überblick hat, um den Bock schon frühzeitig ansprechen zu können und genügend Zeit, sich auf den Schuss vorzubereiten. Von einer Leiter oder einer Kanzel ist dies deutlich einfacher, als mit einem Zielstock oder freihändig vom Boden. Dann stellt sich jedoch die Frage, wer blattet? Denn waidwerkt man auf einen reifen,
roten Bock, so ist die Höhe, aus der geblattet wird, mehr als kriegsentscheidend. Mir ist es bereits oftmals passiert, dass ich mit meiner Pfeife in der Ebene zu blatten begonnen habe, der alte Recke auch sprang, dann jedoch verhoffte und mit Haupt und Lauschern den Ursprung des Geräuschs, vor allem aber die Höhe der potentiellen Gespielin auszumachen versuchte.

Hat man also die Zeit und den entsprechenden Kugelfang in unmittelbarer Nähe zum Einstand des Bocks, bin ich ein großer Freund des Bauens niedriger Drückjagdböcke, von denen aus man blatten, sich rasch neu ausrichten, sich gut tarnen und sicher schießen kann. Oftmals stehen die Ansitzeinrichtungen nicht direkt am vermuteten Einstand des Bockes, daher ist auch der Zielstock das Mittel der Wahl. Dabei gilt es auch auf eine gute Tarnung von Händen und Gesicht zu achten.