Neue Studie zum Insektensterben
Über 27 Jahre haben Hobbyforscher aus Krefeld und Wissenschaftler der niederländischen Universität Radboud jedes Jahr mit speziellen Fallen untersucht, welche Insektenarten es in 63 Naturschutzgebieten in Deutschland gibt. In dieser Zeit ist die Masse der gefangenen Fluginsekten um 80 Prozent zurückgegangen. Nach erster Skepsis anderer Wissenschaftler ist nun klar, die Methodik ist wasserdicht und die Ergebnisse ein berechtigter Grund zur Sorge. In den unterschiedlichsten Ökosystemen gibt es immer weniger Insekten und es ist schwierig zu erklären warum das so ist.
Insektensterben bedeutet Nahrungsmangel
Dies ist besonders dramatisch, da sie einer der Grundsteine des Nahrungsnetzwerkes sind. Sie dienen vielen anderen Tieren nicht nur als Nahrung, sondern sind auch Bestäuber von Blütenpflanzen. Besonders die Arten, die weithin wenig Beachtung finden und nur selten konventionelle Naturschützer zu groß angelegten Kampagnen veranlassen, leiden darunter. Zahlreiche Amphibien- und Vogelarten sind selbst oder bei der Aufzucht ihrer Jungen auf die Krabbeltiere angewiesen. Sie bilden in den natürlichen Nahrungsnetzwerken ein unersetzliches Bindeglied, das es für die Artenvielfalt zu erhalten gilt. 328 Vogelarten leben in Deutschland, sagt der Agrarökologe Teja Tscharntke von der Universität Göttingen, und 104 Säugetierarten – aber rund 33.000 Insektenarten, von denen nicht einmal alle beschrieben sind.
„Viele Insektenarten sind in den letzten Jahrzehnten verschwunden, in Nordrhein-Westfalen etwa in nur 25 Jahren von den Schmetterlingsarten 22 %“
Das Rebhuhn als Leitträger des Insektensterbens
Ein Beispiel hierfür ist die Situation des Rebhuhns, dessen Besatz in den vergangenen Jahren um gebietsweise 90 Prozent zurückgegangen ist. Der Insektenschwund führt dazu, dass frischgeschlüpfte Rebhuhnküken in vielen Gebieten mehr Energie für die Suche von Nahrung aufwenden müssen, als sie durch die noch vorhandenen Insekten decken könnten. Ihre Überlebenschancen sinken dadurch gegen Null.
Spezialisten verlieren durch das Insektensterben
Nicht nur die Anzahl der Insektenarten, sondern auch die der Individuen an sich hat in den vergangenen Jahren drastisch abgenommen. Erhebungen zum Vorkommen und der Verteilung von Insekten haben beispielsweise ergeben, dass seit 1989 in Nordrhein-Westfalen 22 Prozent der Schmetterlingsarten verschwunden sind und die verbleibenden Arten kleinere Populationsgrößen zu beklagen haben. Vor allem seit der Jahrtausendwende sei der Artenrückgang schneller fortgeschritten, so die Forscher.
Thomas Schmitt, Entomologe des Senckenberg Instituts Müncheberg, beobachtet einen starken Rückgang der spezialisierten Arten, während Generalisten, also Arten, die eine breite ökologische Nische besetzen, weniger betroffen sind. Auch die großen Insekten wie der Eichenwaldbock, der echte Hirschkäfer, der Balkenschröter oder der Feldgrashüpfer seien in Relation stärker zurückgegangen als die kleinen, so Schmitt weiter. Warum das so sei, ist derzeit noch unklar, denn es scheinen viele Faktoren zusammenzukommen, unter anderem auch genetische.
Die Forschung an Insekten ist ein undankbares Geschäft. Der Artenschutz konzentriert sich vor allem auf prestigeträchtige Arten, hauptsächlich Säugetiere und einige Vögel, von denen einige sogar gar keinen gesonderten Schutz nötig hätten. Insekten hingegen würden stiefmütterlich behandelt, klagte Schmitt schon vor einem Jahr. Vielleicht lassen die jüngsten Nachrichten nun wenigstens auf eine bessere Förderung hoffen. Denn nach wie vor ist unklar, was dieses Massensterben verursacht. Diskutiert werden Klimawandel, Pestizide und die Monokultivierung der Landschaften.