Das Jagdjahr 2017/18 brachte bei den Sauenstrecken bundesweit Rekordergebnisse. Das Schreckgespenst Afrikanische Schweinepest führte zu Freigaben, die der Sozialstruktur beim Schwarzwild vielerorts nicht gerecht wurden.
Wie muss die Sauenbejagung organisiert sein, um die Balance zwischen Waidgerechtigkeit und Dezimierung zu halten? Dem erfahrenen Saujäger Hubertus Meyer-Loos gelingt dieser Drahtseilakt jedes Jahr aufs Neue. Er gibt Einblicke in seine Jagdstrategien und erklärt, was bei der Saubejagung zu beachten ist.
Sauenbejagung als Kopfgeldjagd
In einigen Bundesländern gibt es Pürzelprämien. Ketzerisch ausgedrückt, agieren die Jäger dort nicht als Jäger, sondern als Kopfgeldjäger. Diese Entwicklung stimmt zumindest mich bedenklich, worauf ich im Folgenden näher eingehen möchte: Unstrittig ist, dass die Sauen konsequent und scharf bejagt werden müssen.
Dieses bedeutet allerdings nicht, wahllos in die Bestände einzugreifen, sondern mit Bedacht. Dieses setzt voraus, dass ein gewisses Grundwissen zur Wildart Sau vorhanden sein muss. Es liegt mir fern, an dieser Stelle eine Diskussion über Leitbachen anzuzetteln, dahingehend, ob es diese tatsächlich gibt oder doch eher nicht. Fakt ist, dass das Wohlbefinden einer Tierart nicht nur von der Umgebung, sondern auch von einer genügenden Anzahl erwachsener Stücke abhängig ist.
Beim Rot-, Dam- und Muffelwild gelten Abschusspläne, die letztendlich dem Auftrag der Hege gerecht werden und dafür Sorge tragen (sollten), dass die Bestände in ihrer Struktur nicht gefährdet werden. Mir ist klar, dass dieses heute sehr häufig nicht mehr der Fall ist. Der Wegfall der Abschusspläne für Rehwild in vielen Bundesländern ist nur ein trauriger Beleg dafür, wie auch die Ausweitung der Jagdzeiten auf den Rehbock. Die Gründe hierfür möchte ich an dieser Stelle nicht weiter benennen, sondern zum Schwarzwild zurückkehren.
Reaktion auf Intelligenz
Überall, so heißt es pauschal, ufern die Schwarzwildbestände aus. Die steigenden Strecken belegen dieses. Doch stimmt das tatsächlich?
Sauen sind ungemein anpassungsfähig und orientieren sich überwiegend an Fraß, Wasser, Deckung und vor allem Ruhe. Durch die Energiewende hat der Maisanbau stark zugenommen. Profitiert haben davon in erster Linie die Sauen. Durch die zunehmende Vermaisung und durch Ausweisung weiterer Naturschutzflächen, in denen die Sauenbejagung nur stark eingeschränkt möglich ist, haben sich Sauenbestände in Regionen entwickeln können, in denen es sie früher nicht gegeben hat.
Häufige Vollmasten führen ebenfalls zu günstigeren Lebensbedingungen bei den Sauen, wie auch das Ausbleiben wirklich schneereicher Winter. Sauen sind nicht nur anpassungsfähig, sondern darüber hinaus auch sehr intelligent. Das führt dazu, dass Drückjagden auf Sauen akribisch geplant und durchgeführt werden müssen, was vielerorts jedoch leider nicht genügend beachtet wird. So kommt es häufig vor, dass im Vergleich zum Vorkommen von Sauen an einem Jagdtag nur wenig Sauen auf der Strecke liegen.
Dieses führt dann dazu, dass die Bestände weiter anwachsen und sich viele Revierinhaber zurecht mit dem Vorwurf konfrontiert sehen, ihre Schularbeiten nicht vernünftig erledigt zu haben. Doch schonungslose Selbstkritik ist nicht unbedingt die Stärke des Menschen, respektive der Jägerschaft.
Schlüssel zum Erfolg
Der Schlüssel zum Erfolg, Sauenbestände nicht weiter ausufern zu lassen, liegt in der perfekten Planung und Durchführung der Sauenbejagung mit Schützen, die ihr Handwerk verstehen. Dieses gilt auch und insbesondere bei den sogenannten Erntejagden. Ohne den Eindruck erwecken zu wollen, sich selbst zu beweihräuchern, ist genau dieses das Erfolgsrezept meiner eigenen Jagden. In meinem Revier ufern die Bestände nicht aus, sondern wir verbuchen seit nunmehr über zwanzig Jahren annähernd gleiche Strecken mit einem Frischlingsanteil von weit über 80 Prozent.
Überläuferrotten im Frühjahr gibt es bei mir faktisch nicht, wohl aber eine genügend hohe Anzahl erwachsener Bachen. Diese erfahrenen Mutterschiffe wissen um die Gefahren der Straße, was zur Folge hat, dass im Vergleich zum Vorkommen nur sehr wenige Stücke überfahren werden.
Dieses ist eine Tatsache, die mit Rücksicht auf den fließenden Verkehr in meinen Augen viel zu wenig beachtet wird. Natürlich muss an dieser Stelle auch erwähnt werden, dass diese Bachen auch die Abläufe der Jagden verinnerlicht haben und es dann sehr oft verstehen, sich rechtzeitig aus den Treiben zu stehlen. Daher ist es umso wichtiger, immer neue Stände einzurichten und aus unterschiedlichen Richtungen zu treiben. Es nützt schlicht gar nichts, potenzielle Königsstände in Bereiche zu stellen, wo das Schwarzwild den Einstand verlässt, bevor der Schütze seinen Stand eingenommen hat.
Folgen der Hilfsmittel
Es gibt heute vielerorts reichlich Sauen, wirklich gut organisierte und durchgeführte Jagden leider nur sehr wenige. Das führt dazu, dass Rufe nach Hilfsmitteln wie künstliche Lichtquellen und Nachtsichttechnik in Form von Wärmebild oder Infrarotgeräten immer lauter werden. In Zeiten der drohenden Afrikanischen Schweinepest werden diese technischen „Wundermittel“ zunehmend in vielen Bundesländern legalisiert.
Wozu führt das? Nächtliche Ruhezeiten, auch für die übrigen Wildarten, gibt es dann nicht mehr. Das tiefe Naturempfinden, mit dem sich die Jäger nur allzu gerne schmücken, fällt dann auch weg. Die Versuchung, auch andere Wildarten, vornehmlich Trophäenträger, nebenbei mit zu erlegen, steigt latent. Hegebemühungen etwaiger Hochwildringe können in kurzer Zeit zunichte gemacht werden. Das Wild wird gezwungen, Einstände gar nicht mehr oder nur noch bei völliger Dunkelheit zu verlassen. Anwachsende Schäl- oder Verbissschäden werden (logischerweise) die Folge sein.
Reaktionen der Sauen
Und wie reagieren die Sauen auf diese modernen Techniken? Erste Erfahrungen zeigen, dass beim erstmaligen Einsatz von Weißlicht die Rotte ruhig bleibt, bis es knallt. Die gleiche Rotte, um eine Erfahrung reicher, wird beim nächstmaligen Anleuchten garantiert sofort flüchtig. Der Gebrauch von Grünlicht ändert daran nichts. Nachtzielgeräte werden den Effekt nach sich ziehen, dass das Schwarzwild fortan in der sicheren Deckung bleibt und sich selbst bei tiefster Dunkelheit nicht mehr auf die Kirrungen traut. Kurzum, auch durch den Einsatz dieser Techniken wird es nicht gelingen, die Schwarzwildbestände nennenswert zu dezimieren.
Der einzig richtige Weg
Der einzige Weg, Sauen dauerhaft zu reduzieren und die Bestände gen Null zu fahren, ist der Abschuss aller Sauen, vor allem der Bachen. Tote Bachen frischen nicht. Doch selbst dieser Weg, der von mir ausdrücklich nicht favorisiert wird, setzt voraus, dass man die Gegebenheiten seines Reviers kennt und in der Lage ist, den größtmöglichen Jagderfolg zu generieren. Und genau hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Es führt nach meinem Dafürhalten kein Weg an bestens organisierten Jagden vorbei, unter ausdrücklicher Einbeziehung der Nachbarjagden mit gleichen Freigaben.
Dass sich zunehmend weiter entfernte Jagden beteiligen, um partizipieren zu können, ist widerwärtig und nicht zuletzt auch aus ethischen Gründen abzulehnen. In Sachen Sauenbestände ist der Offenbarungseid der Jäger längst geleistet. Moderne Nachtsichttechniken werden dieses auf Dauer nicht ändern, wohl aber das Wohlbefinden der übrigen Wildarten empfindlich stören. Ideale wie Hege, Brauchtum und Eins-sein mit der Natur verkommen damit endgültig zur Farce.