Rotwild ist in vielen Teilen Deutschlands beheimatet, zentriert sich aber auf relativ kleine Kernzonen, in denen man es das ganze Jahr antreffen kann. Unser Autor Patrik Bollrath hat sich damit beschäftigt, was es zu beachten gilt, um auch am Rande dieser Kernzonen erfolgreiche Jagd auf den König des Waldes machen zu können. Gerade zu Beginn der Jagdzeit bzw. vor der Brunft kann man mit den folgenden Tipps seine Chancen maximieren, den sogenannten Feisthirschen zu begegnen.
1. Einstandsverhalten beachten
Rotwild nutzt über das Jahr hinweg unterschiedliche Lebensräume bzw. Einstandsgebiete. Mit Beginn der Kolbenzeit stehen die Hirsche meist weiter verbreitet in der Fläche. Sie tauchen dann auch in Revieren auf, in denen im Herbst oder Winter selten oder gar kein Rotwild vorkommt. Diese sogenannten Hirschreviere bieten neben ausreichend Schutz und Ruhe auch ein gutes Äsungsangebot. Spätestens mit der Setzzeit lösen sich die Kahlwildrudel dann auf und verteilen sich häufig in der Nähe der sonst üblichen Einstände. Die Hirsche suchen stattdessen nach geeigneten Orten, um sich den Feist, der für die Brunft benötigt wird, anzufressen. Maßgeblich für diese sogenannten Hirschreviere ist das Äsungsangebot gepaart mit dem Ruhebedürfnis. Liegen also viele und gute Äsungsflächen dicht beieinander und bieten den Hirschen genug Ruhe, besteht auch eine große Wahrscheinlichkeit, dass diese auf ausgedehnte Wanderungen zu anderen Orten verzichten.
2. Streifgebiete des Wildes kennen
Mit Beginn der Brunftzeit sucht das Rotwild die alljährlich bekannten Brunftplätze auf, ehe sie ihren Wintereinstand einnehmen. Die Gesamtheit des Raumes, welcher von einem Individuum über das Jahr verteilt genutzt wird, nennt man Streifgebiet. Die Ausmaße dieser Streifgebiete können variieren, sind heute aber häufig durch die Lebensraumzerschneidung durch menschliche Bauwerke wie die Autobahn geprägt. Eine ungehinderte Wanderung auf der Suche nach brunftigem Kahlwild ist für die Rothirsche in Deutschland so kaum noch möglich. Jegliche Art von Wanderung wird hierbei tendenziell durch die Attraktivität der vorkommenden Äsung bestimmt. Hier gilt das Gesetz des Örtlichen. Rotwildhirsche nutzen im Vergleich durchschnittlich ein etwa doppelt so großes Gebiet wie Kahlwild, Verallgemeinerungen sind hier jedoch durch die Gegebenheiten nicht möglich.
3. Jagdorganisation anpassen
Der Jäger, durch dessen Revier Rotwild nur jahreszeitlich bedingt durchzieht, kann sich die Wanderung zu Nutze machen. Hierbei sollte in keinem Fall die Wanderung der Tiere durch die Jagd beeinflusst werden – hier ist Fingerspitzengefühl gefragt. Zielführend ist hier die Organisation in Hegegemeinschaften über eine große Fläche, sofern dies nicht durch Schüren von Angst bei einem Fehlabschuss zu einer großflächigen Enthaltung bei der Erlegung der Hirsche führt.
Viele Reviere haben dementsprechend eine bestimmte Anzahl an Rotwild zum Abschuss frei. Es steht jedem Revierinhaber frei, einen Hirsch gemäß der Freigabe zu erlegen. Doch wie gelingt dies in Revieren, in denen sich das Rotwild nur saisonal aufhält?
4. Revierkenntnisse sind von höchster Relevanz
Die Kenntnis über das Raumnutzungsverhalten der Feisthirsche ist von essenzieller Bedeutung. Wo stehen die Hirsche im Frühsommer, wo ziehen sie zu Beginn der Brunft hin? Ziehen sie durch mein Revier, wenn sie die Brunftplätze aufsuchen oder stellen sie sich sogar zur Feistzeit in mein Revier? Ist letzteres der Fall, gibt es hohe Chancen darauf, einen Hirsch erlegen zu können. Die Hirsche reagieren in dieser Zeit empfindlich auf jegliche Störungen, Beobachtung und Planung sollten daher aus der Ferne erfolgen. Es gilt herauszufinden, wo sie in der Dämmerung zum Äsen den Einstand verlassen und wo sie am Morgen wieder einwechseln.
Welches Gebiet umfasst ihren Tageseinstand und gibt es hier sogar die Möglichkeit, die Hirsche an einer Suhle abzupassen? Gerade Suhlen, die ständig Wasser beinhalten, sind an heißen Sommertagen sehr beliebt. Wasser im Revier, unter anderem in Form kleiner Tümpel oder schmaler Bachbetten, ist neben der Schaffung von Ruhe der wichtigste Faktor, um Rotwild zu binden und sollte daher hohe Priorität haben. Weiß man nun um das Verhalten der Hirsche, kann man gezielt planen, wo und wann man diese abpassen möchte. Anfang August ist es nur wenige Stunden dunkel, sodass man die Hirsche gut in den späten Abendstunden oder frühen Morgenstunden bejagen kann.
5. Die Bejagung selbst
Ein wichtiger Faktor ist der Wind. Dreht dieser sich oder beginnt er zu küseln, sollte der Ansitz unverzüglich abgebrochen werden, um die Hirsche nicht zu vergrämen oder ihr Verhalten im schlimmsten Fall zu verändern. Getreidefelder sind oft ein guter Anziehungspunkt und bieten dem Wild eine hervorragende Äsung. Nicht immer sind es Wälder oder Brüche, die von den Hirschen bevorzugt werden. Je kürzer der Weg zwischen Äsung und Einstand, desto sicherer fühlen die Hirsche sich.
Hirsche, die auf Getreidefeldern stehen, sollten so schnell wie möglich nach Aufgang der Jagdzeit im August gejagt werden, bevor das Getreide abgeerntet wird. An solchen Schlägen können mobile Ansitzeinrichtungen in ausreichender Entfernung platziert werden. Diese sollte man ungesehen angehen und verlassen können. Bollrath betont, dass der Abstand so groß sein muss, dass die Hirsche einen nicht bemerken: „Ist die Waffe auf GEE eingeschossen, ist ein Schuss auf einen Feisthirsch auf 200 Meter kein Problem. Das „Leben“, welches es zu treffen gilt, hat die Ausmaße von zwei Schuhkartons und die sollte jeder sicher auf eine solche Entfernung treffen.“
6. Die richtige Ausrüstung
Bollrath teilt seine Präferenzen bezüglich der Feisthirschjagd wie folgt: „Das mit einem entsprechenden Geschoss gejagt wird, ist selbstverständlich. Ich bevorzuge in diesem Fall bleifreie Deformationsgeschosse oder wo noch erlaubt mit dem Mantel verbundene Bleigeschosse, welche eine nötige Tiefenwirkung besitzen. Das Kaliber ist dabei zweitrangig. Ich selbst nutze zum Beispiel eine .308 Win. Auch für den dicksten Feisthirsch muss es nicht eine 9,3 x 64 sein, doch das ist Geschmackssache.“
7. Täglicher Einsatz für ein Ziel
Ausdauer ist vor allem dann gefragt, wenn das Revier weder zur Feistzeit noch zur Brunft fest von den Hirschen besetzt wird und das Revier ausschließlich im Streifgebiet dieser liegt. Tägliches Abfahren der entsprechenden Wechsel oder Schläge gibt einem Aufschluss über die Nutzung der Hirsche. Oft ziehen die Hirsche nicht in einer Nacht von einem Ort zum anderen, sie legen bestimmte Zwischenstopps ein. Daher ist häufig Geduld vonnöten. Hat man frische Fährten oder die Hirsche selbst entdeckt, gilt es in kürzester Zeit herauszufinden, wo sich diese aufhalten und wohin sie vermeintlich weiterziehen. Diese Wechsel gilt es dann zu besetzen.
8. Technische Hilfe
Eine besonders gute Hilfe bei der Jagd können auch Wildkameras leisten. Diese können idealerweise per Funk Bilder versenden. So kann man die Standorte der Hirsche bestimmen, ohne die Stellen täglich mit der menschlichen Witterung zu belegen. Wenn man sie nutzen möchte, können solche technischen Mittel den Zeitaufwand bei der Feisthirschjagd verringern.
9. Äsungsflächen schaffen
Die Anlage von entsprechenden Äsungsflächen kann ebenfalls dazu führen, dass die Hirsche mehrere Tage eine Pause im Revier einlegen. Hier ist ebenfalls eine langfristige Planung, ein gutes Verhältnis mit den Landeigentümern sowie Erfahrung gefragt. Einen Wildacker richtig anzulegen, ist enorm wichtig. Dabei ist sowohl die Platzwahl als auch die Äsung selbst entscheidend. Bollrath empfiehlt hier insbesondere Buchweizen in Reinsaat, welcher auf alle Schalenwildarten extrem ansprechend wirkt.
10. Nach der Jagd: Wildbretverwertung
Einen weiteren Vorteil bringt die Jagd auf den Feisthirsch noch mit sich. Der Hirsch kann in Gänze und ohne Brunftgeruch oder -geschmack verwertet werden. Ein Hirsch kommt nicht immer vom Himmel gefallen, man muss etwas dafür tun und all sein jagdliches Wissen und Können in Verbindung mit der dazugehörigen Technik nutzen, um zum Erfolg zu kommen. Mit der entsprechenden Vorbereitung und genug Geduld steht der Jagd auf die Feisthirsche allerdings nicht mehr im Wege.