Machen wir uns nichts vor: Wildfleisch kaufen ist, mit Verlaub, ein mühseliges Unterfangen. Höchste Zeit, das wir Jäger den Hasen bei den Löffeln packen und das ändern. David Plaz hat dafür drei Missionen herausgearbeitet, die wie Jäger zu erledigen haben.
Eine verschwindend kleine nationale Verzehrmenge zerfällt noch in drei Hauptfleischarten: Hirsch, Wildschwein, Rehe. Kochen kann der Konsument es eh nicht, Wildfleisch kaufen schon gar nicht und gereicht bekommt er es, totgegart, einmal im Jahr, in der Kantine. Supermärkte scheuen sich, weil wenig Umsatz, grosse Sortimentsbreite, schwankende Qualität und Verfügbarkeit befürchtet werden. Zu Recht. Gepfeffert wird das Alles vom ewig belehrenden Gerede von uns Jägern, die es gut meinen, aber höchstens besser wissen, und selten besser machen.
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Wildfleisch kaufen – aber wo?
Daran, dass mir keiner meiner nichtjagenden, deutschen Freunde auf die Frage antworten konnte, wo sie Wild kaufen würden, sofern sie denn wollten, sind alleine wir schuld.
Und wer könnte es uns verdenken? Schlagen wir uns doch nach einem harten Arbeitstag den Abend bei Wind und Wetter um die Ohren, bergen unser Stück, brechen es auf und fahren es am nächsten Morgen noch vor der Arbeit in die nächste Kühlzelle. Heidenarbeit, gerade bei Brunfthirschen oder rauschigen Keilern, für die es gerade einmal 10 Cent das Kilo gibt.
Ja, Hut ab liebe Jagdfreunde, der Aspekt Fleischgewinnung unseres Hobbys ist ein Krampf. Die Kinder wollen den Papi sehen, auch die Ehefrau pocht auf ihr Damenkränzlein in der Woche. Zeit zum Fleisch zerwirken und es selbst vermarkten? Das machen wirklich nur die Passioniertesten. Und auch die machen es oft falsch.
Gegen jede Gewohnheit
Denn der deutsche Konsument kauft, wie die Lebensmittelshandels-Rundschau zum 90. Geburtstag der ANUGA berichtet, 192 Mal im Jahr im deutschen Handel für durchschnittlich 20 Euro ein. Der klassische Rehrücken mit 1.5 Kilogramm Idealgewicht sprengt die Kaufgewohnheiten des Kunden also bereits deutlich, denn selten gibt’s den unter 60-70 Euro bei Gustl Grünrock.
Was der Konsument möchte, weiss jeder Metzger, und ein Gespräch mit einem solchen – Conrad Baierl empfiehlt sich – würde sich für viele von uns Jägern lohnen: Kleine Stücke, knochenfrei, entvliest, vakumiert, idiotensicher in der Zubereitung. Ja warum sollte er es anders wollen?
Vergessen wir nicht: Wenn Konsument schon Wildfleisch kaufen, kochen sie es meistens nicht für sich, sondern um Gäste, Freunde oder ein Tinder-Date zu beeindrucken. Gewünscht wird also Gelinggarantie, wie es rhetorisch Unterzuckerte nennen, und recht haben sie: Wer Schwellenangst beim Fleischkauf überwindet, sollte belohnt werden.
Es muss Spass machen
Mission 1
ist also klar: Küchenfertig, knochenfrei, auf den Grill und Spass dabei! Wenn es uns gelingt, kleine Hirschkalbsschnitzerl zum Panieren, Damwild-Tomahawks oder saftige Wildburger anzubieten, unsere Klappe übers Strecken des «Fleischlieferanten» zu halten und den Kunden mit Geschmack und Herkunft aus den stolzen Wäldern und Auen unserer Heimat zu überzeugen, könnte das mit dem Wildfleisch kaufen was werden.
Doch Halt: Wie kommt Waldgold auf den Teller von Max Mustermann? Wissen wir doch, dass zwischen Revier und Theke der Irrgarten der deutschen Wildverarbeitung liegt. Letztere kann auf gut funktionierende Strukturen zurückgreifen, die für uns Jäger nicht zu kopieren, geschweige denn aufzubauen sind, denn die Infrastruktur für die Zerlegung von Wild ist teuer. Bis auf tiefbetaschte Eigenjagdbesitzer ist es wenigen vergönnt, über gekachelte Räume für das Zerwirken ihrer Beute zu herrschen. Zumal das Privileg des Jägers, Wild zu vermarkten, an einige Einschränkungen geknüpft ist.
Nützliches Metzgersterben
Abhilfe bietet hier ein eigentlich trauriger Umstand: In Deutschland grassiert ein Metzgereien-Sterben. „Für unsere Branche ist es nicht fünf vor zwölf, sondern schon fünf nach zwölf“, sagt Klaus-Dieter Kohlmann, Fleischer und Landesinnungsmeister seiner Zunft für Sachsen-Anhalt. Das liegt vor allem am fehlenden Nachwuchs. Gerade einmal 3’200 Auszubildende begannen ihre Lehre heuer in den Betrieben der Fleischwirtschaft zwischen Konstanz und Sylt – das ist halb so viel wie noch vor zehn Jahren.
Wenn Fleischer stiften gehen, wird Infrastruktur frei. Eine Chance für uns Jäger? Manch alter Meister würde sich wohl über die Pacht freuen, die ihm eine örtliche Hegegemeinschaft für die Überlassung des Betriebs zahlen würde. Zumal jener als altgedienter Meisterbriefinhaber als (teilzeitiger?) Betriebsleiter über alle Befähigungen verfügt, die innovative Wildbretvermarktung benötigt.
Demokratische Vermarktung
Isabelle Bulling warf im JÄGER-Talk die Idee einer Wildbret-Genossenschaft ein. Urteil: Besonders wertvoll. Die Vorteile liegen auf der Hand: Kurze Wege, eine ordentliche Jagdstrecke zum Verarbeiten, darum gute Fixkostenumlegung, arbeitsteilige Strukturen, Einbindung aller Waidsleute, demokratische Entscheide und Verteilung der Gewinne aus dem Fleischverkauf nach Schlüssel. Vor allem aber: Aussicht auf mehr Gewinn für in den Markt gebrachtes Wildbret für den Waidmann.
Mission 2
ist also auch klar: Macht’s wie Raiffeisen, gründet Genossenschaften. Hegeringe, Jagdclubs und bereits anderweitig zusammenhängende Reviere müssen örtliche, freiwerdende Infrastruktur gemeinsam pachten, Miet-, Kosten- und Gewinnverteilschlüssel erarbeiten und Einsatzpläne für Zerwirkung und Verkauf erstellen. Quod licet Milchbauer, licet venatori etiam! Sogar Finanzierungsstrukturen gäbe es. Moooment, mag mancher einwerfen, im zweiten Teil dieser Serie hat doch dieser Autor noch behauptet, Jäger seien schlechte Verkäufer. Wie sollen von Wildpflegern durchsetzte Genossenschaften denn Marketing-Kompetenz entwickeln um die Ware an den Mann bringen: Sicher, vielleicht liesse sich ein Hofladen einrichten, der sogar noch andere Produkte wie Gartengemüse oder Wachteleier aus Karl-Ottos Voliere feilböte.
Vielversprechender aber ist es, dort hinzugehen, wo der lebensmittelaffine, bewusste und bekehrte Konsument bereits in Scharen wiederkehrend aufkreuzt: Auf dem Wochenmarkt. Klingt altbacken, aber: „Märkte, die auf Qualität achten und viele regionale und Bio-Produkte anbieten, laufen in der Regel gut“, sagt Jürgen Block, Geschäftsführer der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing. Die Zahlen geben ihm recht: 28,71 Millionen Deutsche kauften 2018 auf dem Wochenmarkt ein. Wildfleisch kaufen kann also sehr gut fester Teil eines Wochenmarkt-Besuches werden.
Dass darunter viele sind, die Wildbret als Bereicherung für ihren Speiseplan betrachten, darf als gesichert gelten. Ernährung ist Ersatzreligion und Lifestyle-Choice, und der Gang zum Wochenmarkt der Götzendienst der Erlösungshungrigen. Wo viele Wallfahrer und pilgern, das weiss nicht nur der Bayer, sollten Devotionalien angeboten werden.
Der DJV ist gefordert
Mission 3:
Genossen, auf den Markt! Was altgedienten Sozialisten die Zornesröte ins Gesicht triebe, muss die Losung (jaja, hihi) der grünen Zunft sein: Gemeinsam gutes Gelingen garantieren. In Zeiten in denen eine sinnsuchende Jugend Erbsenproteine in Burgerform bejubelt und in Jack-Wolfskin-Jacken in Naturparks dackelt, muss die Jägerschaft Genuss, Handwerk und Ursprung verkörpern.
Den Supermarktkonsumenten, der Fleisch die Wertschätzung von Zahnbürsten entgegenbringt, wollen wir nicht erreichen. Genug Wild für alle ist gar nicht da, es bleibt ein Produkt für Kenner. Und die trifft man nicht im Albrecht Diskont, sondern zwischen Marktfahrern, Bauern aus dem Vorland und Imkern aus dem Dorf. Nur wir Jäger fehlen.
Gerade deshalb muss der DJV der Idee der Verwertungsgenossenschaft massiv Auftrieb verleihen. Möglichkeiten wie erleichterte Befähigungszeugnisse für die am Zerwirkprozess Beteiligten, Muster-Statuten für die Genossenschaften sowie Schulungen, Weiterbildungen und praktische Hilfestellungen aller Art wären nötig, um das Gedeihen der Idee zu fördern. Die Basis in Form von Hegeringen ist bereits gelegt; die Verwertungsgenossenschaft wäre die Kirsche auf der Crème.
Wie’s besser geht, zeigen ausgerechnet die für ihre Küche zu Unrecht geschmähten Briten. Wer einmal nach Grossbritannien auf der Suche nach Wild geht, traut seinen Augen kaum: Überall wird «Great British Game and Venison» beworben. Initiativen wie die «British Game Alliance» oder das Pendant zum DJV, die BASC, werden nicht müde, die Bedeutung der Jagd und des Wildbrets für den ländlichen Raum zu betonen.
Bis bald, Frau Meier!
Da Wildbret erklärungsbedürftig, sortimentsbreit und für viele Nichtjäger mit Vorurteilen (Haut Gout! Trocken! Herbst! Schwer!) behaftet ist, braucht es neben guter, besserer (!) Verbandsarbeit aber die persönliche Ansprache vor Ort. Es braucht den Grill am Wochenmarkt, der eine Salsiccia dolce nach toskanischem Rezept vom Wildschwein brät. «Schauen Sie, Frau Meier, hier ein Rädle, wie wär’s zudem mit einem Nackensteak vom Wildschwein, hier beim alten Metzger Schubert zubereitet. Ja, genau der, da machen wir jetzt unser Wild. Ja, finden wir auch gut. Das schmeckt, was, Frau Meier? Ja, gerne, pack ich Ihnen ein. Macht 35,70 EUR. Bis nächste Woche, Wildfleisch kaufen geht immer, Frau Meier!»
Der Wochenmarkt hat also viele Vorteile: Er bringt uns ins Gespräch und in die Mitte der Gesellschaft, der wir zwar entstammen, aber aus der wir entflohen sind. Raus aus der Filterblase, und rein in die Genossenschaft, muss deshalb die Devise lauten, wenn wir Jäger unser liebstes Hobby in die Zukunft retten wollen. Dies wird uns nur gelingen, wenn wir eine Fan-Base aufbauen, die uns regelmässig auf dem Wochenmarkt bejubeln kommt und denen Wildfleisch kaufen ein Hochgenuss ist. Und mehr Kohle läge auch noch drin. Worauf warten wir also noch! Waidgenossen, hört die Signale!
Noch nicht genug gehabt? Jetzt den JÄGER-Talk zum Thema anschauen!
Im neuen JÄGER-Prime Format diskutiert Chefredakteur Lucas v. Bothmer mit Experten über unser Wildbret und seine Vermarktung. Neben David Plaz sind die Wildbloggerin Isabel Bulling und Johann Jencquel, Inhaber des Hamburger Wildrestaurants „Edelsatt“ mit dabei.