Räudiger Wolf – Schicksal besiegelt

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Das geschwächte Jungtier nahm das Futter dankbar an, in die Falle ging es jedoch nicht. (Foto: privat)

In Zschornewitz, einem Ortsteil der Stadt Gräfenhainichen in Sachsen-Anhalt, wurde am 19.12.2023 mit Genehmigung ein junger Wolf entnommen.

Sachsen-Anhalt ist Wolfsland. Laut dem Wolfsmonitoringbericht ist die Anzahl der in Sachsen-Anhalt lebenden Wölfe zwischen Mai 2022 und April 2023 auf insgesamt 201 Tiere gestiegen. Ein junger Rüde wurde nun vor Kurzem mit entsprechender Genehmigung  entnommen. Durch eine unbürokratische und rechtssichere Entnahme verhaltensauffälliger Einzeltiere kann ein konfliktarmes Leben mit dem Wolf möglich sein – sofern sich alle daran beteiligen.

Der Wolf in Sachsen-Anhalt

Die Wolfspopulation in Sachsen-Anhalt ist groß und steigt weiter moderat an. Im Jahr 2008 wurden zwei Einzeltiere bestätigt und 2009 dann das erste Rudel. Mittlerweile sind 27 Rudel im Land der Frühaufsteher bestätigt und die Gesamtzahl liegt bei 201 Tieren. Trotzdem wurden im Berichtszeitraum 2022/2023 so wenig Übergriffe auf Nutztiere verzeichnet, wie seit fünf Jahren nicht mehr.

Überpopulation als Krankheitsauslöser?

In Zschornewitz, einem kleinen Ortsteil der Stadt Gräfenhainichen, zeigte sich ein Wolf Anfang Dezember jedoch verhaltensauffällig. Der sieben Monate alte Rüde stammt vermutlich aus dem Muldensteiner Rudel. Er war geschwächt und von Räude befallen. Das allein wäre jedoch kein Grund, das Jungtier zu entnehmen. Angelockt von Katzenfutter und Fleischresten kam er jedoch immer wieder in die Nähe der kleinen Ortschaft. Die Räude ist eine Erkrankung, die nicht nur den Wolf betrifft. Besonders Füchse sind dafür bekannt, von den Milben geplagt zu werden. Meist lässt ein starker Räudebefall auf eine Überpopulation schließen. Besonders Tiere, mit einem schwachen Immunsystem sind gegen den Parasiten nicht gewappnet. Also vorwiegend sehr junge und sehr alte Tiere.

Fehlprägung des Wolfes führt zur Gefahr

Junge Wölfe jagen sich ihre Beute in der Regel nicht selbst. Erst als Jährlinge beginnen sie ihre Streifzüge und reißen dabei kleinere Beutetiere. Der Rüde nahm sich, was ihm auf einem goldenen Tablett serviert wurde.

Besonders gefährlich dabei: das junge Tier befand sich in der Prägungsphase. Wenn er lernt, dass die Nähe zu menschlichen Siedlungen gleichbedeutend mit gut erreichbarem Futter steht, wird er immer wieder gezielt Orte aufsuchen – und das führt unweigerlich zu Konfliktpotential. Damit solche Begegnungen vermieden werden und der Wolf konfliktarm in unserer Kulturlandschaft leben kann, muss ein Wolf mit solch einem Verhalten entnommen werden.

Hier sehen Sie eine Videoaufnahme des Wolfes in der Ortschaft.

Plan vs. Wirklichkeit

Nach der ersten Sichtung des jungen Wolfes, versuchte man mehrere Tage, das Tier mit einem Betäubungsgewehr zu narkotisieren. Diese Versuche blieben jedoch erfolglos. Der darauffolgende Plan war, den jungen Wolf mittels einer für einen Luchs vorgesehenen Lebendfalle zu fangen. Leider hat das Tier sich jedoch dazu entschieden, nicht in die Falle zu gehen. Als der vom Wolfskompetenzzentrum Beauftragte sah, dass der Wolf sich in der Nähe der Falle aufhält, fuhr er raus und entnahm den Rüden.

Einige Zeit vor der Entnahme des jungen Rüden tauchte ein zweiter Wolf auf. Eine junge Fähe, ebenfalls mit Räude infiziert. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich hierbei um Wurfgeschwister handelt. Besonders problematisch ist, dass die Fähe sich das Verhalten bei ihrem Wurfbruder abschauen kann.

Das Zünglein an der Waage

Es kommt immer wieder zu Konflikten zwischen Menschen und Wildtieren. Oft ist dabei jedoch der Mensch die treibende Kraft. Wildschweine in Berlin pflügen Gärten um – weil Menschen sie vorher angefüttert haben.

So geschah es auch in Zschornewitz. Zwar wurde dabei nicht der Wolf angefüttert, aber es wurde Futter ausgelegt.

Eine Futterstelle für verwilderte Hauskatzen lockte den geschwächten Wolf an. Dabei fraß er nicht nur das ausgelegte Katzenfutter. Es wird vermutet, dass auch die ein oder andere Hauskatze den Weg in seinen Magen gefunden hat.

Auch in der Ortschaft selbst wird immer wieder Futter für Füchse und Waschbären ausgelegt. Die Sinnhaftigkeit solcher Maßnahmen ist generell in Frage zu stellen. Dass damit der im Ort unbeliebte Wolf ebenfalls angelockt wird, wurde nicht überdacht. Eine Kampagne zur Aufklärung – organisiert von der Gemeinde in Zusammenarbeit mit dem Wolfskompetenzzentrum – konnte zwar erreichen, dass die Fütterungszeiten deutlich verkürzt wurden. Den Wolf hielt es mittlerweile nicht mehr davon ab, den Ort in der Hoffnung auf Futter aufzusuchen.

Die junge Fähe, die ebenfalls in Ortsnähe gesichtet wurde, zeigt sich aktuell noch scheu. Schreitet die Räude bei ihr jedoch weiter voran, wird auch sie das leicht zur Verfügung stehende Futter in der Ortschaft nicht verschmähen. Womit sie dann ein Verhalten zeigt, das unweigerlich zu einer weiteren Entnahme führen wird. Noch bleibt jedoch die Hoffnung, dass die junge Wölfin diesem Schicksal entgehen kann – sofern die Menschen anfangen, die Tragweite ihrer Handlungen zu begreifen.

Nachtrag: Auch die junge Fähe musste entnommen werden. Lesen Sie alles dazu hier.