Parkschein vergessen, Schwarzfahren in der S-Bahn, Personalausweis bei der Jagdausübung nicht dabei – alles Nichtigkeiten? Was führt wirklich zum Jagdscheinentzug? Jagdrechtsexperte Dr. Henning Wetzel klärt auf, welche (kleinen) Alltagssünden letztendlich doch rechtliche Konsequenzen haben können und wann Jagdschein und Waffenbesitzkarte in Gefahr sind.
Dass Deutschland eines der strengsten Waffengesetze hat und auch das Bundesjagdgesetz in Bezug auf die Zuverlässigkeitsvorschriften diesem in Nichts nachsteht, hat sich in Jägerkreisen längst herumgesprochen. Doch die Frage, unter welchen Voraussetzungen man tatsächlich seinen Jagdschein verliert, wird an vielen Jägerstammtischen allenfalls durch Schauergeschichten gelöst, die darum kreisen, dass man gehört habe, dass jemand „wegen so einer Lappalie“ den Jagdschein losgeworden sei.
Unterschied zwischen „kleiner Sünde“ und rechtlichem Verstoß
Die gute Nachricht vorweg: Bislang musste niemand seinen Jagdschein deswegen abgeben, weil er ab und zu vergisst, einen Parkschein zu ziehen. Aber gleichwohl ist es wichtig zu wissen, dass es nicht nur die dicken Dinger sind, die zum Verlust des Jagdscheins führen können, sondern auch im Einzelfall solche Verhaltensweisen, welche die meisten Jäger als entschuldbare Nachlässigkeit
betrachten würden, die aus Sicht des Gesetzgebers jedoch – jedenfalls bei penetranter Begehung – ein Indiz für die Unzuverlässigkeit des Betroffenen sind.
Zwischen der Bewertung in Jägerkreisen, was eine kleine Sünde ist und was nicht, und der gesetzgeberischen Bewertung, was am Ende dann doch rechtliche Konsequenzen zur Folge hat, tun sich also gelegentlich erhebliche Unterschiede auf, welche hier beispielhaft näher beleuchtet werden sollen. Den meisten Jägern sind die Voraussetzungen, unter denen nach den §§ 17, 18 Bundesjagdgesetz ein Jagdschein oder nach den §§ 5, 45 Waffengesetz die Waffenbesitzkarte wegen Unzuverlässigkeit entzogen werden kann, in Grundzügen bekannt, insbesondere, dass im Zusam- menhang mit der Verwendung und Aufbewahrung von Waffen und Munition vom Gesetzgeber äußerst strenge Maßstäbe angesetzt wurden. Aber auch, dass von einer jagd- und waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit regelmäßig dann ausgegangen wird, wenn ein Jäger zu einer Freiheitsstrafe, Jugendstrafe oder Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer ge- ringeren Geldstrafe rechtskräftig verurteilt wurde, auch wenn es sich um Taten handelt, die aus Sicht des Jägers keinerlei Zusammenhang mit dem Jagd- und Waffenrecht haben (z.B. Trunkenheitsfahrten oder eine als Nötigung im Straßenverkehr anzusehende Drängelei).
Jagdschein weg: „Manch vermeintliches Kavaliersdelikt stellt eine Straftat dar“
Zusammengefasst: Eine Gefahr für den Jagdschein besteht so lange nicht, solange man nicht in strafrechtlich relevanter Weise mit dem Gesetz in Konflikt kommt. Insbesondere dürfte es für Jäger beruhigend sein, dass allgemeine Ordnungswidrigkeiten, das heißt solche, die in keinem Zusammenhang mit jagd-, tierschutz-, naturschutz-, waffen- oder sprengstoffrechtlichen Vorschriften stehen, grundsätzlich keine Gefahr für den Jagdschein bedeuten.
Aber Achtung: Manches vermeintliche Kavaliersdelikt stellt eine Straftat dar! Mal eben ohne einen Fahrschein die S-Bahn in der Hoffnung zu benutzen, nicht kontrolliert zu werden, ist nicht nur eine zivilrechtliche Angelegenheit, die zur Entrichtung eines erhöhten Beförderungsentgelts verpflichten kann, sondern nach § 265a Strafgesetzbuch erfüllt dies den Tatbestand des Erschleichens von Leistungen und wird mit Freiheitstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft. Wird man wegen Schwarzfahrens zumindest zweimal zu einer geringfügigen Geldstrafe verurteilt, ist die waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Waffengesetz dahin, und jagdrechtlich darf in Folge dessen höchstens noch ein Falknerjagdschein erteilt werden. Der Jagdschein wird dagegen eingezogen.
Unzuverlässigkeit
Eine vielfach übersehene und unterschätzte Vorschrift im Hinblick auf die Jagdscheinentziehung ist aber § 17 Absatz 4 Nummer 2 Bundesjagdgesetz, der Unzuverlässigkeitstatbestand. Danach besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel solche Person nicht, die wiederholt oder gröblich gegen jagd-, tierschutz- oder naturschutzrechtliche Vorschriften, gegen das Waffengesetz, gegen das Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen oder gegen das Sprengstoffgesetz verstoßen haben. Damit sind nach herrschender Meinung alle objektiv rechtswidrig und schuldhaft begangenen Verletzungen der genannten Vorschriften zu verstehen, auch wenn diese nicht zu einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Straftat geführt haben, beispielsweise weil das Verfahren – etwa gegen Geldauflage – eingestellt wurde oder aber weil strafrechtlich relevante Verhaltensweisen den Ermittlungsbehörden nicht bekannt geworden sind und die Jagdbehörde von sich aus gleichwohl die Jagdscheinentziehung betreibt. Auch verjährte Straftaten können über diese Vorschrift noch zum Verlust des Jagdscheins führen.
In der Praxis relevanter ist jedoch der Umstand, dass diese Vorschrift auch und gerade die Verstöße gegen Vorschriften der benannten Gesetze erfasst, die „nur“ eine Ordnungswidrigkeit darstellen. Und auch hier gilt, dass die Jagdscheinentziehung gestützt auf solche Verstöße vollkommen unabhängig davon erfolgen kann, ob parallel ein Bußgeldverfahren betrieben wird oder nicht. Auch auf des- sen Ausgang kommt es insoweit nicht an. Und genau hierin liegt die Gefahr für den Jagdschein: Die Liste der alleine nach dem Bundesjagdgesetz denkbaren Ordnungswidrigkeiten ist lang. So handelt nach § 39 etwa ordnungswidrig, wer in Omis Hofgarten und in deren Auftrag vom Küchenfenster aus den hühnermeuchelnden Fuchs erlegt (Jagdausübung im befriedeten Bezirk), bei der Anwendung der Eineinhalb-Stundenregelung über den Beginn der Nachtzeit aufgrund örtlich noch guter Sichtverhältnisse eine – vorsichtig gesagt – großzügige Auslegung vornimmt (Verstoß gegen das Nachtjagdverbot), den Abschussplan überschreitet oder vor dessen behördlicher Bestätigung mit seiner Erfüllung beginnt.
Jagdschein weg! Weitere Folgen
Unter Berücksichtigung der Frage, ob eine Tat vorsätzlich oder fahrlässig begangen wurde, sind alle genannten Beispiele – sowie auch alle anderen Ordnungswidrigkeitstatbestände nach § 39 Bundesjagdgesetz oder auch nach Landesrecht (z.B. die Durchführung einer Erntejagd ohne die Benutzung erhöhter Ansitzeinrichtungen in Mecklenburg-Vorpommern) – jedenfalls bei wiederholter Begehungsweise grundsätzlich geeignet, die Zuverlässigkeit infrage zu stellen. Der Gesetzgeber geht dabei davon aus, dass der Jäger einen verantwortungsvollen Umgang mit den seinem Handeln zugrundeliegenden Rechtsvorschriften pflegt und deren Einhaltung nicht auf die leichte Schulter nimmt. Daher geht die juristische Literatur zum Beispiel bei Abschussplanüberschreitungen in erheblichen Fällen (wozu auch jedenfalls bedingter Vorsatz gehören dürfte) schon bei einmaliger Begehung von Unzuverlässigkeit aus (Lorz/Metzger/Stöckel – BJagdG § 17 Randnummer 18).
Gerade aber auch außerhalb des Jagdrechts lauert eine häufig übersehene Fußangel: Nach § 17 Absatz 4 Nummer 2 Bundesjagdgesetz genügt auch ein wiederholter Verstoß gegen waffenrechtliche Vorschriften, mithin auch gegen eine Norm, die vielen Jägern gar nicht (mehr) präsent ist: Nach § 38 Waffengesetz muss der Jäger, der eine Waffe führt (worunter auch das entladene Führen auf dem Hin- und Rückweg zur Jagd fällt) nicht nur seinen Jagdschein und die Waffenbesitzkarte mit sich führen, sondern auch seinen Personalausweis oder seinen Reisepass, welcher dann beispielsweise im Rahmen von allgemeinen Verkehrskontrollen Polizei- beamten auf Verlangen vorzuzeigen ist. Nach § 53 Waffengesetz ist auch das fahrlässige Nicht-mit-sich-Führen („zu Hause vergessen“) eine Ordnungswidrigkeit, womit in Verbindung mit § 17 Absatz 4 Nummer 2 Bundesjagdgesetz die Zuverlässigkeit zumindest dann in Gefahr ist, wenn man mehrfach ohne die erforder- lichen Dokumente angetroffen wurde. Gerade die letztgenannte Vorschrift zeigt, dass auch Ordnungsvorschriften, deren Nichteinhaltung der Jäger wie im Falle des vergessenen Personaldokuments vielleicht als verzeihbar ansieht, je nach Schwere oder Wiederholung des Tatgeschehens zur Annahme der Unzuverlässigkeit führen können. Natürlich wird man in derartigen Fällen darauf hinwir- ken müssen, dass die Behörde die Kirche im Dorf lässt, zumal der Betroffene in einem solchen Fall gegebenenfalls durch die Verhängung des Bußgelds hinreichend dazu angehalten wird, seine Pa- piere künftig mit sich zu führen. Aber die Praxis zeigt, dass man bei manchem Sachbearbeiter in den Jagdbehörden nicht mit allzu viel Milde rechnen darf. Ein Korrigieren der Behördenentscheidung beim Verwaltungsgericht ist zeit- und kostenintensiv, und es gilt: Ausgang ungewiss.
Fazit
Zusammengefasst kann man daher feststellen, dass im Bereich der gewöhnlichen, das heißt nicht jagd- oder waffen- rechtlich relevanten Delikte eine Gefährdung für den Jagdschein regelmäßig erst
dann anzunehmen ist, wenn eine Verurteilung zumindest zu einer Geldstrafe vo- rausgegangen ist. Ganz anders verhält es sich jedoch im Bereich der jagd-, waffen-, tierschutz- und naturschutzrechtlichen Vorschriften. Hier ist bei besonders gravierenden Rechtsverstößen, jedenfalls aber bei mehrfacher Begehung (und ins- besondere, wenn diese vorsätzlich erfolgt) über die häufig übersehene Vorschrift des § 17 Absatz 4 Nummer 2 Bundesjagdgesetz unabhängig von dem Ausgang eines etwaigen Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahrens stets die Gefahr gegeben, dass die Jagdbehörde den Betroffenen als unzuverlässig ansieht und ein Jagdschein- entziehungsverfahren einleitet.
Während mithin alltägliche Ordnungswidrigkeiten grundsätzlich nicht geeignet sind, die Zuverlässigkeit eines Jägers infrage zu stellen, sieht dies bei den jagdnahen Rechtsgebieten ganz anders aus. Insofern kann jedem Jäger nur geraten werden, sich immer wieder mit dem aktuellen Stand der Vorschriften vertraut und ihre Einhaltung zur obersten Maxime seines jagdlichen Handelns zu machen.
Dieser Artikel erschien zuerst im Jäger 01/14. Hier geht es zum aktuellen Heft