Die mutmaßlich unrechtmäßige Tötung des Löwen Cecil befeuert dieser Tage die sozialen Medien. Idealer Aufhänger für Besserwisser, Tugendterroristen und eine mediale Hexenjagd.
Ein Kommentar von JÄGER-Redakteurin Dr. Nina Krüger.
Zum wiederholten Mal klingelt das Telefon in der Redaktion – dieses Mal ist es der NDR. Eine Stellungnahme zum kaltblütig ermordeten Cecil möchte man von uns haben.„Was bewegt Menschen, die so etwas tun? Was halten Sie persönlich davon? Warum musste Cecil auf so grausame Weise sterben?”Ganz leise kann ich den Geifer auf den Schreibtisch des Anrufers tropfen hören.
Ja, Cecil ist tot. Das ist besonders traurig, weil Cecil nicht einfach irgendein Löwe war. Spätestens seit Marius wissen wir, dass Tiere mit einem Namen noch etwas mehr wert sind, als die der Öffentlichkeit unbekannten.
Cecil war ein Star. Er verbrachte sein Leben im Rampenlicht des Tourismus und bescherte unzählbaren abenteuerlustigen Pauschalreisenden tolle Fotos und das Gefühl von Wildnis und Ursprung mit kalkulierbaren Risiken. Der König der Savanne in der Wiege der Menschheit. Einmalig und unvergesslich, zum Mitnehmen, in tausendfacher Ausführung.
Wäre Cecil nicht berühmt gewesen, niemand hätte von seinem Tod erfahren. Niemand hätte ihm eine Träne nachgeweint – außer Hannes Jaenicke vielleicht. Aber Cecil galt als die Attraktion des Hwange National Park. Er war an Menschen gewöhnt, suchte und genoss angeblich sogar ihre Gesellschaft.
Das ist etwas ungewöhnlich für einen wilden Löwen, aber es macht sich dafür umso besser in einer Geschichte über einen kaltblütigen, perversen Serienkiller mit zu viel Kleingeld. Ein Schauer läuft dem Socialnetworker den Rücken herunter: Zahnarzt und Amerikaner ist der Erleger nämlich auch noch. Manchmal ist die Wirklichkeit viel besser, als es sich PETA und Co je ausdenken könnten.
Aber anstatt über die fragwürdigen Umstände und Praktiken des Jagdanbieters zu diskutieren, ist der Lynchmob schon von der Kette gelassen, gefüttert mit Halbwahrheiten aus den Medien und sozialen Netzwerken. Jemand der Jagd auf Löwen macht, muss eigentlich auch sein Personal befummeln und kleine Kinder fressen. Anders ist es doch überhaupt nicht denkbar. Und so jemanden darf man hassen. Man kann ruhigen Gewissens seinem Temperament freien Lauf lassen und braucht sich nicht bemühen das eigene Gehirn einzuschalten. Hinterher kann man sich selbst auf die Schulter klopfen. Die Moral hat einmal mehr über das Böse gesiegt. Zumindest im Netz.
Spätestens seit gestern ist auch die Welt der Prominenz entsetzt und tut dies öffentlich kund. Gegen einen Löwenmord verblassen volltrunkene Busengrabscher und Steuerhinterziehung zu harmlosen Kavaliersdelikten. Solch eine, auf dem Silbertablett präsentierte, Chance sich öffentlich in vorteilhafteres Licht zu rücken, kann und darf man sich nicht entgehen lassen, egal an welchem Ende des Alphabets der eigene Bekanntheitsgrad rangiert. In einem der lebenssinngebenden Promi-Handbücher findet sich sicher ein geeignetes Zitat.
Es ist schon erstaunlich, wie viele Leute sich auf einmal mit der Großwildjagd auskennen und zusätzlich auch noch Experten auf dem Gebiet der menschlichen Psyche sind. Dabei haben die Meisten weder je einen Fuß nach Afrika gesetzt, noch einen Psychologie-Hörsaal von innen gesehen.
Während sich die erste Welt also dabei vergnügt einen Zahnarzt aus Minnesota zu zerfleischen, sterben andere Löwen von Menschenhand. Grausamer und illegaler. Denn das passiert, wenn das Wild in Afrika seinen Wert und damit seine Schutzwürdigkeit verliert. Wäre die Jagd in Kenia zum Beispiel noch legal, hätte das Land vielleicht nicht einen Großteil seines Wildreichtums verloren. Laut offiziellen Angaben sei die Zahl der Wilderer seit die Jagd in den 1970er Jahren abgeschafft wurde so alarmierend gestiegen, dass man der Lage nicht mehr Herr werde. Und das, obwohl der Safari-Tourismus einen nennenswerten Beitrag zum Brutto-Inlands-Produkt liefere.
Ein Vergleich mit anderen afrikanischen Ländern lohnt sich. Die Einnahmen durch die Jagd liegen um den Faktor 10 unter denen des sonstigen Tourismus, trotzdem sind es vorwiegend in- und ausländische Jäger die Wilderei verhindern und Arten effektiv schützen. Schlussendlich entscheidet die Art des Managements nämlich drüber, ob die Jagd zum Erhalt bedrohter Tierarten beiträgt oder ihr schadet.
Man muss und darf nicht mit allen Praktiken von Jagdtouristen und -anbietern einverstanden sein. Aber man muss sich auch nicht blind dem Fackelzug zum Scheiterhaufen eines vor den Karren gespannten Zahnheilkundlers anschließen.