Kapitaler Sechser oder kümmerlicher Knopfbock – womit sollte der Jungjäger seine jagdliche Laufbahn starten? JÄGER- Autor Bertram Graf v. Quadt hat diesbezüglich eine klare Meinung.
Erzogen ist langsam, versaut ist schnell.“ Gemocht habe ich diesen Satz in meinen jagdlichen Anfangsjahren überhaupt nicht, jedoch habe ich mit der Zeit die Weisheit begriffen, die darin liegt. Wobei es doch etwas gedauert hat, bis ich verstanden habe, worin das „Erziehen“ liegt und worin das „Versauen“. Gerade in meinen Anfängen auf Rehwild war ich im elterlichen Revier eng in das eingebunden, was man seinerzeit als Arbeitsabschuss bezeichnete: die Erlegung schwacher Böcke vor allem in der Jährlings-, teilweise in der Mittel-, ganz selten in der Altersklasse.
Bessere oder gar gute Böcke waren zu beobachten, zu bestätigen, gegebenenfalls zu skizzieren, immer zu melden, aber nie zu schießen. Der Satz „der ist noch zu gut für dich“ wurde zu einem Mantra, das mir zum Hals heraushing. Nicht, dass ich jahrelang keinen guten Bock geschossen hätte. Mein erster guter Bock fiel sogar recht früh auf Einladung eines guten Freundes, und laut meiner Jagdtagebücher war er insgesamt der fünfte Bock meiner Lebensstrecke. Aber: Bis dahin hatte ich schon vergleichsweise viel Rehwild nicht nur gesehen, sondern genau beobachtet und bestätigt. Ich wusste also, dass das, was mir mein Pirschführer damals freigab, nicht irgendein, sondern ein ziemlich guter Rehbock war, und ich konnte dies schätzen und werten. Ich hatte gewisse Erfahrung im Jagen auf Rehwild, ich hatte sozusagen meinen Teil dafür getan. Es folgten viele sogenannte Abschussböcke sowie ein einziger besserer Bock – wiederum auf Einladung und unter Führung.
Der erste wirklich gute Bock fiel sieben Jahre nach meinem Erstling, und bis ich im eigenen, freien und ungeführten Jagen einen starken Bock schoss, war mein Jagdschein bereits 16 Jahre alt. Ich will damit nicht sagen, dass man so lange warten muss. Aber durch das zuerst angeordnete und dann selbst praktizierte Schonen der starken Böcke hatte ich Respekt gelernt. Respekt vor dem Wild, und Respekt vor der Jagd. Ich will nicht behaupten, dass ein Jäger, der eine stärkere Trophäe als Erstling erlegt und dann eventuell so weitermacht, deswegen automatisch ein schlechter Jäger werden wird.
Das Problem des „Reichseins“
Aber gesetzt den Fall, ein reicher Mann beginnt in seiner Lebensmitte mit der Jagd und kauft sich dafür in guten Revieren gute Trophäen, wird dieser das Jagen erheblich schwerer lernen als einer, der klein angefangen hat. Denn dem Reichen wird es zur Gewohnheit werden, dass da halt immer ein guter Bock oder Hirsch oder Keiler steht, denn er hat ja dafür bezahlt. Getan und gewusst hat er allerdings deutlich weniger dafür. Für ihn bemisst sich der Wert der Jagd letztlich nur am Glück über die Trophäe und am Grad der Schwernis, mit der er sein Geld verdient. Wer aber gering beginnt und sich langsam steigert, weiß, dass die starken Böcke oder Hirsche nicht von selbst wachsen, sondern dass dafür einiges getan werden muss. Ich glaube, das ist der springende Punkt. Ob ein Jungjäger als seinen Erstling einen Knopfer oder einen Sechser erlegen darf, ist letztlich sekundär. Wichtig ist weniger die einzelne erste Erlegung, wichtig sind die ersten Erfahrungen, die Art, wie ein Mensch in die Jagd hineinwächst. Die sind die Faktoren, die prägen. Sie bestimmen auf eine ganze Weile, wie dieser Mensch jagt, ob er bewusst und umsichtig oder sorg- und gedankenlos mit der Schöpfung umgeht, die ihm anvertraut ist.