Wölfe sind zurück in unseren Wäldern – und mit ihrer Rückkehr nehmen auch die Konflikte zu. Während sich viele Diskussionen mit der Frage der Bejagung der Wölfe befassen, fällt ein Punkt häufig unter das Radar. Und gerade dieser Punkt ist der tödlichste für Wölfe in Deutschland: Verkehrsunfälle. Seit 2000 wurden in Deutschland laut DBBW insgesamt 1160 Wölfe tot aufgefunden (Stand: 17. Dezember 2024) – davon sind 877 Wölfe durch Verkehrseinwirkungen gestorben. Das sind mehr als 75 Prozent.
Und dennoch kommt es immer wieder zu Unsicherheiten, wenn ein Wolf in einen Verkehrsunfall verwickelt ist. Besonders kompliziert ist es, wenn die Raubtiere nach einer Kollision nicht direkt ums Leben kommen, sondern teilweise schwer verletzt überleben. Eine solche Situation mit einem Reh oder Wildschwein ist für zuständige Jäger klar einzuschätzen. Beim Wolf sieht dies ganz anders aus. Der hohe Schutzstatus des Wolfes und die Frage nach dem allgemeinen Jagdrecht lässt ein schnelles und eigenständiges Handeln nicht zu.
Wie also sollen Jäger vorgehen, wenn Beamte sie zu einem solchen Unfall Hinzurufen? Welche gesetzlichen Hürden gibt es, und welche Konsequenzen drohen bei falschem Handeln? Wir haben Syndikusrechtsanwalt und Jagdrechtexperten Manuel Neufeldt gefragt.
Redaktion: Darf ein Jäger einen angefahrenen und verletzten Wolf entnehmen, um das Tier von seinen Leiden zu befreien?
Neufeldt: Der Wolf ist eine nach dem Bundesnaturschutzgesetz „streng geschützte Art“. Als solche ist es verboten, ihn zu töten. Die Befugnis aus § 22a BJagdG, schwerkrankes Wild unverzüglich zu erlegen, um es vor vermeidbaren Schmerzen oder Leiden zu bewahren, greift nicht ein, weil der Wolf (mit Ausnahme von Sachsen, dass allerdings gesonderte Regeln hierzu getroffen hat) nicht dem Jagdrecht unterliegt und damit kein Wild ist.
Grundsätzlich können bei erheblich verletzten Tieren streng geschützter Arten, bei denen die Möglichkeit des „gesund Pflegens“ ausgeschlossen ist, leidensverkürzende Maßnahmen gerechtfertigt sein. Die Entscheidung hierüber ist allerdings den Behörden (Amtstierarzt etc.) vorbehalten.
Im Klartext bedeutet das, dass ein Jäger ohne Beteiligung/Beauftragung eines (Amts-)Tierarztes und/oder der Polizei nicht zu leidensverkürzenden Maßnahmen berechtigt ist.
Auch andere in Betracht kommende Rechtfertigungsgründe greifen nach überwiegender Auffassung von Juristen nicht: So etwa der „rechtfertigende Notstand“, weil der Tierschutz kein Individualrechtsgut ist und damit vom § 34 StGB nicht erfasst wird. Schließlich greifen auch die Grundsätze über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) als Rechtfertigungsgrund nicht. Denn der Revierinhaber darf nicht davon ausgehen, dass er „für“ die Naturschutzbehörde den verletzten Wolf getötet hätte, ohne dass diese vorab eine Untersuchung durch einen Veterinär veranlassen konnte.
Welche rechtlichen Konsequenzen könnte dies für den Jäger haben, insbesondere im Hinblick auf den Schutzstatus des Wolfes?
Sofern kein Rechtfertigungsgrund vorliegt:
Die Tötung eines wildlebenden Tieres einer streng geschützten Art kann gemäß § 71 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 69 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft werden. Darüber hinaus dürfte die Jagd- und Waffenrechtliche Zuverlässigkeit nicht mehr bestehen, mit den allseits bekannten negativen Folgen für Jagdschein und WBK.
Gibt es spezielle Vorschriften, die in einer solchen Situation beachtet werden müssen, wie etwa die Hinzuziehung eines Amtstierarztes oder einer anderen Behörde?
Nach § 15 Abs. 2 TierSchG sollen die zuständigen Behörden im Rahmen der Durchführung des Gesetzes oder auf dessen Grundlage erlassener Rechtsverordnungen den beamteten Tierarzt / die beamtete Tierärztin als Sachverständige/n beteiligen.
Hier müssen insbesondere die jeweiligen Landesjagdgesetze und entsprechende (Wolfs-) Verordnungen beachtet werden.
Voraussetzung für die Tötung eines schwer kranken Wolfes ist entweder eine polizeirechtliche Inanspruchnahme als Notstandspflichtiger zur Beseitigung einer öffentlichen Gefahr, oder aber eine Ausnahmegenehmigung für den Einzelfall durch die zuständige Behörde oder allgemein durch eine Wolfsverordnung. In den meisten Fällen dürfte dies nur für Revierinhaber/Jagdausübungsberechtigte in Frage kommen und nur in den seltensten Fällen für zufällig anwesende Jäger.
Als Jagdausübungsberechtigter sollte daher -vorab jeder Maßnahme- Kontakt mit der Polizei oder dem Landkreis als Untere Veterinär- und Naturschutzbehörde aufgenommen werden. Die jeweilige Behörde entscheidet dann, ob sie auf der Grundlage der Angaben des Jägers eine Anordnung/Genehmigung erteilt oder aber Vertreter der Veterinär- und/oder Naturschutzbehörde zum Unfallort entsendet, um eine eigene Begutachtung vorzunehmen.
Um späteren Streitigkeiten/Diskussionen über die Beauftragung zu entgehen, sollte die Beauftragung/Anordnung schriftlich z.B per Mail/Messenger oder ähnliches erfolgen.
In welchen Fällen – falls überhaupt – ist eine Handlung wie das Erlösen eines verletzten Wolfes durch den Jäger rechtlich unbedenklich?
Von den oben bereits geschilderten Fällen (Polizeiliche Beauftragung nebst Amtstierarzt) unabhängig fällt mir nur ein Fall ein: Wenn der verletzte Wolf den Jäger (oder seinen Jagdhund) angreift und noch in der Lage ist diesen schwer zu verletzen. In dieser klassischen Notstandslage dürfte auch ein letaler Schuss zum Selbstschutz gerechtfertigt sein. Selbst dann wird ein strafrechtliches Ermittungsverfahren in Gang gesetzt.
Die Antworten zeigen ganz klar: vorschnelles Handeln kann zu schweren Konsequenzen für die zuständigen Jäger führen, die den Umgang mit verletzten Wildtieren ehrenamtlich übernehmen. Wer zu einem Verkehrsunfall hinzugezogen wird, bei dem ein Wolf verletzt wurde, sollte sich der rechtlichen Lage klar bewusst sein. Auch wenn diese dafür sorgt, dass das Tier länger auf seine Erlösung warten muss. Abzuwarten bleibt, wie sich auch solche Regeln in Bezug auf die Herabsenkung des Schutzstatus durch die Berner Konvention entwickeln wird.