Sicherheit bei der Drückjagd: Saujagd, aber sicher!

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Gerade in unübersichtlichem Gelände ist nicht überall ein sicherer Schuss möglich. Foto: Sven-Erik Arndt

Keine andere Jagdart in Deutschland birgt ein so hohes Sicherheitsrisiko wie die Drückjagd. Nicht jeder geht regelmäßig auf Drückjagd und auch für routinierte Saujäger ist es immens wichtig, sich den Faktor Sicherheit vor jeder Jagd erneut ins Bewusstsein zu rufen. Worauf genau der Jagdleiter und die Schützen zu achten haben, erklärt unser Autor PATRIK BOLLRATH.

Strenge Regeln für den Erfolg bei der Drückjagd

Sicherheit ist das oberste Gebot vor, während und nach der Jagd. Sicherheit geht stets vor Jagderfolg. Jeder, der regelmäßig Drückjagden besucht, kennt die Sicherheitsbelehrungen zu Genüge. Doch sind wir uns auch immer der Gefahr bewusst, die von einem durch uns abgefeuerten Geschoss ausgeht? Die Sicherheitsbelehrung umfasst die gängigen Sicherheitsaspekte, welche ich im Folgenden einmal aufzählen möchte:

–              Jeder Schütze ist für seinen Schuss selbst verantwortlich
–              Zugewiesene Schussbereiche sind zwingend einzuhalten – Gefahrenbereiche sind eindeutig markiert, in diese darf weder angeschlagen noch geschossen werden
–              Der Stand darf während des Treibens auf keinen Fall verlassen
–              Es muss von allen Seiten mit Hunden, Treibern und Waldbesuchern gerechnet werden
–              Es darf nur mit sicherem Kugelfang geschossen werden. Dickungsränder, Wege oder gefrorener Boden stellen keinen sicheren Kugelfang dar
–              Alle Teilnehmer tragen Signalfarben an Jacken und Mützen oder ein Hutband
–              Die Waffe wird erst auf dem Stand geladen und dort auch wieder entladen. Bei der Begrüßung und beim Streckelegen verbleibt die Waffe im Auto

Viele dieser Punkte haben die meisten von uns so oder so ähnlich schon einmal gehört. Dennoch gibt es einige Punkte, zu denen man noch etwas mehr wissen sollte

 

Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste!

Die Einhaltung und die Ausweisung der Sicherheitsbereiche stellt für Jagdleiter und die Schützen eine besondere Herausforderung dar. Bei den meisten Drückjagden in Deutschland werden die Schützen über die gesamte Fläche an interessanten Geländepunkten oder Wechseln auf Drückjagdböcken angestellt. Selten gibt es hierzulande den Fall, dass sich die Drückjagdböcke in einer Reihe mit Sichtkontakt zu den Nachbarn befinden.

Beide Varianten haben Ihre Vor- und Nachteile, nicht nur was den Jagderfolg, sondern auch die Sicherheit angeht. Sind die Sitze frei und in der Fläche verteilt? Dann muss der Jagdleiter genau wissen von welchem Sitz eine Gefahr für den Nachbarsitz ausgehen könnte. Hier ist nicht nur der direkte Blickkontakt wichtig, sondern auch der Gefährdungsbereich von eventuellen Abprallern zu berücksichtigen. Da man sich im dichten Bestand schnell mit der Richtung, in welcher der Drückjagdbock steht vertun kann, ist eine georeferenzierte Karte und eine entsprechende App (Avenza) oder ein GPS-Gerät eine sehr nützliche Hilfe. Auch kann eine zweite Hilfsperson einiges an zu laufenden Metern ersparen und ein zweites Paar Augen ist nie verkehrt, wenn es um die Sicherheit aller Teilnehmer geht.

So können zum Beispiel beide Stände besetzt werden und durch Ruf-, oder Sichtkontakt der Sicherheitsbereich genau definiert werden. Alleine sieht man sprichwörtlich manchmal den Stand vor lauter Bäumen nicht. So zeichnet man unter Umständen den Sicherheitsbereich falsch ein. Am besten werden potentielle Drückjagdstände so positioniert, dass durch die natürlichen Geländebegebenheiten überall ein guter Kugelfang vorhanden ist. Alternativ kann sich eine Erhebung oder ein Berg zwischen zwei Ständen befinden. Dass diese Situation natürlich nicht immer gegeben ist, ist insbesondere im Flachland natürlich verständlich. Die Sicherheitsbereiche sind unbedingt in Karten und auf dem Standzettel zu erfassen. Ebenfalls muss der Ansteller den Schützen noch einmal explizit auf diese Schussverbotszonen hinweisen. Generell gilt, die Sicherheitsbereiche eher großzügiger als zu klein zu gestalten.

 

Vorbereitung bringt Sicherheit

Der Schütze, welcher den Stand bezieht, muss sich umgehend mit diesen Bereichen vertraut machen und sich diese einprägen. In einer Stresssituation muss er diese Bereiche verinnerlicht haben, um nicht doch aus Versehen in diese Bereiche zu schießen. Genauso gilt es, egal wie dicht das Stück am Sitz steht, den Finger gerade zu lassen.  wenn vermeintlich ein sicherer Kugelfang geben ist. Ein Sicherheitsbereich ist immer eine absolute Tabu-Zone für einen Schuss, auch wenn der lang ersehnte Eissprossenzehner auf zehn Meter Entfernung breit verhofft.

Ein Schuss in diesen Bereich ist verboten und sollte bei Missachtung strengstens bestraft werden.
Sind die Drückjagdböcke in nur geringer Entfernung in einer Reihe zum Beispiel auf einem Weg angeordnet, wird von den Schützen eine ganz besondere Vorsicht abverlangt. Es ist zwingend erforderlich, auf einen mindestens 30° Grad Winkel vom nächsten Drückjagdstand zu achten, bevor ein Schuss abgegeben werden kann. Dies erfordert die besondere Disziplin eines jeden Schützen bei der Drückjagd. Persönlich würde ich diese Art des Abstellens immer vermeiden und wenn die Gegebenheiten es nicht anders zu lassen, hier nur äußerst erfahrene und besonnene Schützen anstellen. Der Gekennzeichnete Sicherheitsbereich entfällt, da nach links und rechts immer ein 30° Grad Sicherheitsbereich herrscht. Dem Jagleiter und dem Schützen obliegt in beiden Fällen ein hohes Maß an Verantwortung.

 

Ohne Disziplin geht es nicht

Weiter gilt natürlich, dass niemand während der Jagd seinen Stand verlässt. Ausnahmen bilden hier erfahrene Hundeführer, welche den Hunden zu Hilfe eilen, sollten die Hunde krankes oder sich stellendes Wild vor haben. Die Hundeführer machen sich durch ständiges, lautes Rufen bemerkbar. Diese Richtung ist dann für die umliegenden Schützen tabu. Ein Schütze, welcher nur mal kurz nach einem Anschuss sehen möchte und seinen Stand verlässt, begibt sich in Lebensgefahr. Dies ist unter keinen Umständen zulässig und gilt für alle Teilnehmer einer Drückjagd zu jeder Zeit.

 

Kugelfang muss sein!

Kommen wir nun zum sehr komplexen Thema des sicheren Kugelfangs: Es darf nur mit sicherem Kugelfang geschossen werden, wird gesagt. Doch was ist sicherer Kugelfang? Die DEVA (Deutsche Versuchs- und Prüfanstalt für Jagd- und Sportwaffen e.V.) hat hierzu eine sehr aufwendige und aussagekräftige Studie durchgeführt. Ziel der Untersuchung war, das Abprallverhalten von bleifreien und bleihaltigen Geschossen zu überprüfen.

Hierzu ist nach dem Wilcoxon Test zunächst zu sagen, dass es zwischen bleifreien und bleihaltigen Geschossen keine signifikanten Unterschiede im Abgangs- und im Seitenwinkel gibt. Weiter ergab die Studie der DEVA, dass bleifreie (monolithische) Geschosse nach dem Abprallen eine signifikant größere Masse (36 % mehr Masse) und eine signifikant größere Energie (28% höhere Energie) als bleihaltige Geschosse besitzen. Ebenso fliegen bleifreie Geschosse nach dem Abprallen signifikant weiter (mittlere Reichweite beträgt 747 m) als bleihaltige Geschosse (mittlere Reichweite beträgt 516 m).

Ist bleifrei bei der Drückjagd gefährlicher?

Mit der Nennung dieser Studie möchte ich nicht sagen, dass bleifreie Munition schlechter als bleihaltige ist. Ich bin von der Wirkung dieser absolut überzeugt und würde diese auch ohne gesetzliche Vorschriften nutzen. Jedoch sollte man sich der Gefahr bewusst sein. Ob ein Geschoss abprallt, hängt in erster Linie vom Auftreffwinkel und der Beschaffenheit des Auftreffobjektes (Boden, Baum. Stein etc.) ab. Ein Boden, welcher mit Steinen durchsetzt ist, hat eine deutliche höhere Wahrscheinlichkeit für Abpraller als ein Boden, welcher nur aus lockerem Erdreich besteht. Nach Untersuchungen der DEVA wird ein Geschoss nur mit einem Auftreffwinkel von mindestens 10 Grad in den meisten Fällen sicher vom Boden (weicher Erdboden) aufgenommen. Einen Winkel von 10 Grad erreicht ein durchschnittlich großer Schütze stehend freihändig vom Erdboden auf eine Entfernung von zehn Metern (rechnerische Ergebnisse auf ganze Zahlen aufgerundet).

Einen für den Kugelfang noch deutlich besseren Winkel von 15 Grad würde er bei einer Entfernung von sechs Metern erreichen. Darüber hinaus ist der Winkel zu flach, um einen sicheren Kugelfang zu gewährleisten. Wichtig für diese Zahlen ist zu wissen, dass es sich um absolut geraden Erdboden handelt. Im kupierten Gelände, bzw. wenn man in einen Gegenhang schießt, ist der Winkel auch auf höhere Entfernung natürlich ein ganz anderer. Da auf den meisten Jagden die Schützen auf Drückjagdständen abgestellt werden, ist die Entfernung für einen sicheren Kugelfang aufgrund der erhöhten Position eine etwas Weitere. Viel ist hier jedoch nicht gewonnen.

 

Allheilmittel Hochsitz?

Mit einer Schusshöhe von drei Metern (hoher Drückjagdbock) kann immerhin etwa 27 Meter weit geschossen werden, wenn der sichere Auftreffwinkel von 10 Grad eingehalten werden soll. Für die auch bei härterem Boden erforderlichen 15 Grad kann noch circa 18 Meter weit geschossen werden. Der seitliche Abprallwinkel ist laut DEVA, mit unter 2 Grad deutlich zu vernachlässigen. Wenn Sie sich jetzt vorstellen, Sie schießen vom Boden in Richtung eines Schützen auf Sauen, die 50 Meter an Ihnen vorbei flüchten: Sie können sicher sein, dass die Kugel abprallt, da der Auftreffwinkel viel zu flach ist. Von zehn Schüssen seien auf verdichteter Erde, wie etwa einer Fahrspur, mit einem Auftreffwinkel von 10 Grad im Versuch zehn Schüsse abgeprallt (Kneubuehl, 2019).

Mit diesem Wissen sollte sich jeder selbst vor jeder Schussabgabe hinterfragen, ob diese sicher ist oder eben nicht – vor allem bei einer Drückjagd. Ein Reh auf 100 Meter in nur die grobe Richtung eines Nachbarschützen zu beschießen, ist grob fahrlässig. Es gefährdet mitunter ein Menschenleben. Ein Auftreffwinkel von unter 2,5 Grad ist alles andere als ein sicherer Kugelfang, auch wenn man noch gewachsenen Boden über dem Rücken des Stückes sieht. Deshalb gilt auf vielen Drückjagden auch eine maximale Schussdistanz von 60 Metern.

Werden Schützen auf dem Boden angestellt, so ist die maximale Schussentfernung bei ebenem Gelände sehr gering. Foto: PATRIK BOLLRATH

Die Drückjagd muss sicher bleiben

Und das nicht ohne Grund! Wir können von Glück sagen, dass die Jagd in Deutschland aufgrund unseres großen Sicherheitsbedürfnisses auch sehr sicher ist und die meisten sich an bestehende Regelungen halten. Wenn Jagdleiter und Schützen weiter so diszipliniert ihre Jagden durchführen und sich der Gefahren bewusst sind und diese mit in die Planung mit einberechnen, haben wir das Maximum an Sicherheit erreicht, sodass schwere Unfälle hoffentlich auch künftig ausbleiben.