Achtung Wildunfall! Unser Autor Alexander Timpe hat sich Klassiker und Alternativen zur Prävention von Wildunfällen angesehen und stellt diese im Folgenden vor.
Jedes Jahr werden zwischen 200.000 und 300.000 Wildunfälle auf deutschen Straßen gemeldet. Hauptunfallzeit für Dam-, Rot- und Schwarzwild sind die Monate Oktober bis Dezember. Grund dafür ist, dass der Berufsverkehr in den Wintermonaten auf die Dämmerung fällt und damit auf die Hauptaktivitätszeit des Wildes. Besonders gefährlich ist dabei die Zeit zwischen 6 und 8 Uhr morgens.
Blaue Warnreflektoren
Der Klassiker: Neben den meist wenig wirkungsvollen Maßnahmen, die die Autofahrer warnen sollen, wie zum Beispiel das rot umrandete dreieckige „Achtung Wildwechsel“ Schild mit Hirsch in der Mitte, gibt es zwei gängige Methoden zur Prävention von Wildunfällen. Besonders populär und häufig angewendet sind die an den Leitpfosten angebrachten blauen Wildwarnreflektoren. Die Farbe blau ist für Tiere aufgrund ihres Farbsehspektrums eine Warnfarbe und sorgt bei plötzlichem Aufblitzen für Irritation. Zudem wird vom Wild eine Bewegung durch den sich verändernden Einfallswinkel des Lichtes, der beim Vorbeifahren eines Autos am Reflektor erzeugt wird, wahrgenommen.
Streitpunkt ist aber nach wie vor die Wirksamkeit der blauen Warnreflektoren. Während einige Experten positive Auswirkungen aufs Wildunfallgeschehen abstreiten, hat eine Langzeitstudie des Instituts für Wildbiologie Göttingen und Dresden einen Rückgang der Wildunfälle um durchschnittlich 60 Prozent auf den mit Reflektoren ausgestatteten Teststrecken in Schleswig-Holstein ergeben. Natürlich können die Reflektoren nur bei richtiger Anwendung ihre Wirkung entfalten. Dazu gehört eine regelmäßige Reinigung, um Verschmutzung zu vermeiden. Außerdem wirken Wildwarnreflektoren nur bei Dunkelheit und nicht auf Strecken mit dichtem Bewuchs oder hohen Böschungen direkt neben der Fahrbahn.
Geruch des Feindes
Etwas unbekannter als die Reflektoren ist der sogenannte Duftzaun. Dabei handelt es sich um einen an Holzpflöcken oder Bäumen angebrachten Schaum. Dieser setzt einen Geruch frei, der für Wild nach einer Mischung aus Wolf, Luchs, Bär und Mensch riecht. Ein herannahendes Auto soll in Verbindung mit dem Geruchsmix als Feind wahrgenommen werden, sodass das Wild entweder am Straßenrand stehen bleibt oder zurück flüchtet. Auch beim Duftzaun ist die tatsächliche Auswirkung aufs Wildunfallgeschehen nicht endgültig geklärt. Auf manchen Teststrecken scheint es durch diese Prävention gegen Wildunfälle einen starken Rückgang der Unfälle bis zu 70 Prozent geben. Allerdings konnte teilweise auch ein schneller Gewöhnungseffekt an den Geruch festgestellt werden. So oder so müssen Duftzäune mindestens alle sechs Monate aufgefrischt werden.
Wildschutzzäune
Die sichere Methode: Durch Wildschutzzäune, wie sie an Autobahnen zu finden sind, können Wildunfälle bis auf Einzelfälle komplett vermieden werden. Negative Folge ist aber die Lebensraumzerschneidung, weswegen teilweise Wildbrücken- oder tunnel gebaut werden.
Elektronische Wildwarnanlage
Eine alternative Möglichkeit Wildunfallprävention ohne Lebensraumzerschneidung zu gewährleisten, bietet die elektronische Wildwarnanlage. Eine solche wurde 2011 an der B202 in Schleswig-Holstein errichtet. Auf einer wildunfallträchtigen Strecke nahe der Landeshauptstadt Kiel wurde zunächst auf einer Länge von etwa drei Kilometern ein Wildschutzzaun gezogen. Die jährlichen Wildunfallzahlen konnten dadurch von durchschnittlich 50 auf etwa 25 gesenkt werden. Da der Unfallschwerpunkt sich an die Enden des Zaunes verlagerte, wurde der Zaun an zwei ursprünglichen Hauptwechseln wieder geöffnet und eine elektronische Wildwarnanlage installiert. Wild, dass kurz davor ist die Straße zu überqueren wird von Infrarot-Sensoren erfasst. Daraufhin leuchten große LED-Verkehrsschilder mit Tempo-70-Bergrenzung und einer Wildwechselwarnung am Straßenrand auf. Durch die Anlage konnte die Wildunfallzahl weiter auf durchschnittlich nur noch fünf Unfälle pro Jahr gesenkt werden.
Wildunfall App für die Wissenschaft
Die Errichtung von Wildschutzzäunen in Kombination mit Wildbrücken oder elektronischen Wildwarnanlagen ist sehr kostenintensiv und bleibt Sache von Bund oder Land. Blaue Warnreflektoren hingegen sind mit Anschaffungskosten von 200 bis 300 Euro pro Straßenkilometer für jeden Jäger eine erschwingliche Option. Gänzlich kostenlos und jedem Waidmann/ jeder Waidfrau zu empfehlen, ist die Nutzung der Tierfund-Kataster-App. Dort werden Wildunfälle und andere Totfunde eingetragen. Die gesammelten Daten werden von Wissenschaftlern ausgewertet und die Ergebnisse für die Verkehrsplanung genutzt. So können Wildunfallschwerpunkte ausgemacht und entschärft werden.
Aber nicht nur die Zeit der Dämmerung führt zu Wildunfällen. Auch die Durchführung von Gesellschaftsjagden treibt Wild blindlings über die Straßen. Weiterführende Artikel über Drückjagden finden Sie hier.