Fragt man, wo in Europa kapitale Böcke stehen, erhält man zumeist die Antwort: Südschweden, England, Ungarn. Und was ist mit Rumänien? Jagdreiseveranstalter Nikolaus Brockmann war vor Ort. Sein Fazit: Ein Land, in dem Rehbockträume wahr werden! Hier sein Bericht.
Als ich das Spektiv auf gute sechshundert Meter fokus- siere, durchfährt es mich: ein alter, reifer Bock, stark im Wildbret, mit sehr starken Rosen und hellen Enden. Alle Merkmale sprechen sofort für einen kapitalen Bock und das Ziel meiner Träume. Wir pirschen den Bock, der an einem gegenüberliegen- den Hang, aus einem Rapsfeld kommend, durch ein Weizenfeld zieht, an. Von Erlen gedeckt, kommen wir bis auf 170 Meter heran, und der Schuss vom Zielstock aus lässt den Bock nach vierzig Gängen ver- enden. Mich überrascht zunächst die Körpergröße des mit 25 Kilogramm sehr schweren Bocks, aber das greise Haupt und das reife, wohl schon zurückgesetzte Gehörn mit seinen breiten und wuchti- gen Dachrosen übertrifft meine kühnsten Erwartungen. Mit Sicherheit ein Lebensbock. Zumindest bis hierhin.
Dr erste Gedanke
Sprechen Jäger über Rumänien, denken sie vor allem an urige Karpatenjagd, starke Hirsche und Bären, einfache Quartiere in den Bergen und anstrengende Pirschen in wilder Natur. Geschürt werden diese Vorstellungen durch die zahlreiche Jagd- literatur aus der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, in der berühmte Schriftsteller expeditionsgleichen Jagden beschreiben. Nicht zuletzt dadurch inspiriert, sind viele Jäger nach Rumänien zu ihrer Traum- jagd aufgebrochen, aber nur für einen Teil haben sich die Erwartungen erfüllt. Überlesen wurde oft, dass die beschriebenen Jagden, während derer ein bis zwei Hir- sche erlegt wurden, zwei oder drei Wochen dauerten, dabei einige Entbehrungen in Kauf genommen wurden und die Jäger fit sein mussten. Heutzutage wollen viele zwei reife Hirsche erlegen, haben aber nur vier Tage Zeit, wollen komfortabel wohnen und können nicht den ganzen Tag im Berg laufen. Klar, dass dadurch viele enttäuscht wurden und über Verallgemeinerungen, vielleicht auch unseriöse Anbieter oder Abwicklung das Jagdland an Gunst verliert.
Inneröstlicher Vergleich
Die Rehbockjagd in Rumänien geriet da- durch und durch die näherliegenden Jagdländer wie Polen oder Ungarn ins Hintertreffen. Einfache Erreichbarkeit und günstige Preise in Polen oder die Jahrzehnte zuverlässige Leistung guter Bockjagden in Ungarn haben die Gastjäger sich dorthin wenden lassen. Erst jüngere Berichte aus Rumänien von erfolgreichen Bockjagden und zum Teil sehr starken Trophäen haben das Land wieder etwas mehr in den Fokus der Rehbockjäger rücken lassen. Viele geringe und mittlere Böcke bis 400 Gramm kann man in Polen erlegen, aber starke um und über 500 Gramm sind dort selten. Ungarn hat diese zwar, aber überwiegend in der ostungarischen Tiefebene, wo man fast nur vom Auto aus jagen kann, weit schießen muss und der 500-Gramm-Bock zudem deutlich teurer ist. Da kommt nun Rumänien ins Spiel, wo man gezielt auf Böcke in der Klasse von 450 bis 550 Gramm jagen kann. Selbst Böcke um 600 Gramm und abnorme kommen immer wieder vor.
Die Rehwildreviere
Die Reviere mit starken Böcken befinden sich überwiegend in Zentralrumänien im Raum Ludasch und Mures innerhalb des Karpatenbogens. In diesen hügeligen und landwirtschaftlich geprägten Revieren mit kleinen, wechselnden Feldern, Feldgehölzen und geringer Besiedelung mit abgelegenen Dörfern findet das Rehwild einen idealen Lebensraum vor. Der Bestand ist hoch und die Qualität sehr gut. Auch abnorme Böcke sind nicht selten. So ist es dem Gastjäger, unterstützt durch kundige Führung, möglich, bei selektiver Jagd seinen Traumbock zu suchen. In den Revieren, die nicht selten zigtausend Hektar groß sind und nur sehr geringen Jagddruck erfahren, kann man weit pirschen. Zwar muss auch hier mit dem Auto gefahren, das Wild aber fast immer zu Fuß angepirscht werden. Hochsitze gibt es meist nur für den Ansitz auf Schwarzwild oder Bären, deren Bejagung im Mai mit der Bockjagd kombiniert werden kann (sofern die jüngste Schließung der Bärenjagd in Rumänien wieder aufgehoben wird). Keiler erreichen schnell Gewichte von über 200 Kilogramm, und die Bären, für die Rumänien nach wie vor berühmt ist, messen zwischen 350 und 500 CIC-Punkte, gelegentlich sogar mehr.
Bockjagd in Rumänien: Was einen erwartet
Rumänien ist kein Ziel für jemanden, der eine preiswerte oder pauschale Bockjagd sucht. Die Grundkosten sind auf den ersten Blick höher als in Ungarn oder Polen, was sich aber insofern relativiert, dass Flughafentransfers und Revierfahrten meist enthalten sind. Neben der Jagd als solcher machen die starken Böcke den Unterschied: kostet der 500-Gramm-Bock in Ungarn über 3.000 Euro, so ist er in Rumänien bereits ab 2.000 Euro zu haben, und wenn er stärker wird, ist der Unterschied noch deutlicher. Da man aber in vier oder fünf Jagdtagen nicht nur einen Bock in der gewünschten Klasse erlegen kann, wird die Jagd auf die Kapitalen dort günstiger und ist geradezu preiswert, wenn man sich vor Augen hält, wie erlesen diese Jagdbeute ist.
Die Jagdorganisation ist zuverlässig und die Berufsjäger, die ihre eigenen Revierteile betreuen, kennen die Einstände der Böcke und verfügen meistens über moderne Revierfahrzeuge. Geschossen wird über den Zielstock. Der Gastjäger sollte aber auch selbst ansprechen können, wobei die starken Böcke aufgrund der höheren Wild- bretgewichte geringer erscheinen können. Trophäenobergrenzen können gegebenen- falls aber mit dem Veranstalter abgesprochen werden.
Ideale Voraussetzungen
Die Unterbringung erfolgt in der Regel in komfortablen Hotels oder Pensionen in Reviernähe. Die Verpflegung ist reichlich und gut. Da Rumänien seit 2007 Mitglied der Europäischen Union ist, ist die Waffeneinfuhr mittels Europäischem Feuerwaffenpass problem- und kostenlos. Patronen müssen in einem abschließbaren Metallbehälter ein- und ausgeführt werden. Die Kontrollen sind genau, gehen aber schnell. Die Trophäen dürfen abgekocht und mit Begleitpapieren versehen direkt ausgeführt werden. Sollten aber am Ende der Jagd noch Trophäen abzukochen und zu vermessen sein (bei starken Böcken sollte man lieber nicht schätzen lassen), so werden diese später nachgesandt. Das jagdliche Brauchtum und die Jagdethik entsprechen den unsrigen. Als Rehbock- Jäger kann man nach Rumänien des Landes oder der starken Böcke wegen reisen, man wird wohl kaum enttäuscht werden. Hadern Gams- oder Hirschjäger in den Karpaten gelegentlich mit den wenigen sich bietenden Möglichkeiten oder den körperlichen Anstrengungen, so eröffnen sich einem bei der Bockjagd riesige Reviere mit idealen Lebensräumen und gutem Wildbestand, der auch leichter zu bejagen ist. Somit darf man zum Beispiel bei vier Jagdtagen mit drei bis vier Böcken in der gewünschten Klasse rechnen, und die Chance auf einen starken rumänischen Keiler ist auch nicht so unwahrscheinlich.
Die Gunst der Stunden
Am ersten Morgen und nach der zweiten Pirsch war ich bereits am Ziel meiner Reise angelangt. Ein starker, reifer Bock in der 500-Gramm-Klasse lag. Ja, natürlich habe ich die verbleibenden zweieinhalb Jagd- tage nutzen wollen. Einfach das Wild beobachten, die Landschaft genießen und die Eindrücke aufnehmen, hatte ich mir vorgenommen. Irgendwie war das Gewehr dann aber doch dabei, und schnell war man wieder im Jagdmodus. Es kam viel Rehwild in Anblick, darunter auch starke Böcke. Und ein offensichtlich starker und alter Bock lässt mich nicht kalt, und so begab es sich, dass am vierten Jagdtag der vierte Bock lag.
Dreimal der beste Bock
Drei über 500 Gramm, zwei mit Goldmedaille, und einer in der 400-Gramm- Klasse. Die Trophäen erreichten mich wohlbehalten vier Wochen später. Auf einer Reise dreimal meinen besten Bock zu erlegen, hätte ich niemals erwartet. Genauso wenig wie ein anderer Gast, der zur selben Zeit einen Bock mit 580 Gramm und einen Bären mit 500 CIC-Punkten erlegte. Rumänien macht’s möglich!