Im September Kitze oder Kälber schießen? Das machen wenige Jäger.
Viele glauben, das Wildbrechtgewicht ist geringer als im November oder Dezember. Professor Stubbe erläutert, warum es sich lohnt, junges Schalenwild schon im September zu bejagen.
Kosten und Körpergewichte
Leider wird die Jagd heute in vielen Gebieten zunehmend von kommerziellen Gedanken geprägt. Die Kosten für dieses „Vergnügen“ steigen ins Uferlose. Die Tendenz der Entwicklung von Pacht- und Begehungsgebühren ist bekannt. Zunehmend ökonomisch Schwierigkeiten der Landwirte führen dazu, daß Wildschadensersatz zu einer festen Größe wird. Niedrige Holzpreise lassen nur in wenigen Fällen einen Gewinn in der Forstwirtschaft zu, so daß Einnahmen durch Wildschadensersatz willkommen sind.
Der Einfluss der Jäger auf den Wildschaden ist begrenzt. Glücklicherweise gibt es noch Land – und Forstwirte, die ein sichtliches Bemühen der Jäger zur Senkung von Wilddichten und Wildschäden anerkennen. Dies alles führt jedoch dazu, dass eine Reihe von Jagdpächtern und Eigenjagdbesitzern auch zusätzliche Einnahmen zur Senkung ihrer Aufwendungen erzielen möchten. In diesem Zusammenhang ist immer wieder zu hören, dass es sich nicht lohnt, Kitze, Kälber, Lämmer und Frischlinge mit Aufgang der Jagdsaison zu erlegen, da sie noch zu geringe Körpergewichte hätten.
Junges Schalenwild: Wildbretgewichte
Wie hoch sind die Körpergewichte jungen Schalenwildes im September? Leider stehen bei den einzelnen Wildarten nur wenige Zahlen für Körpergewichte zur Verfügung, da im September aus oben genannten Gründen wenig Jungwild erlegt wird. Die meisten Angaben finden sich noch immer in den Unterlagen der ehemaligen Wildforschungsgebiete der DDR. Die Varationsbreite der Jungwildgewichte ist besonders in der ersten Zeit nach Aufgang der Jagd hoch.
Beeinflussend wirken Setztermine, die bis zu zwei Monate und mehr auseinanderliegen können, die Stärke der Muttertiere, die Ernährung, Krankheiten (Parasiten) und auch das Geschlecht. Aus den vorhandenen Literaturangaben wurden Durchschnittswerte für Kälber, Lämmer, Frischlinge und Kitze ermittelt. Die Septemberwerte werden denen aus dem November gegenübergestellt (siehe Tabelle). Bis zum November da wesentliche Wachstum des Jungwildes abgeschlossen. Im Winter erfolgt nur eine geringe Zunahme der Körpergewichte.
Wildart | September | November |
Rotwildkälber | 32 kg | 40 kg |
Damwildkälber | 15 kg | 18 kg |
Muffellämmer | 14 kg | 17 kg |
Frischlinge | 13 kg | 24 kg |
Rehkitze | 8,5 kg | 10 kg |
Junges Schalenwild früh erlegen: Was spricht dafür?
Bei der Frage nach einem sinnvollen Abschuss von Jungwild im September sind verschiedene Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Einerseits bestehen deutliche Unterschiede zu den Novemberwerten zwischen den Wildarten. Beim Rehwild ist die Differenz gering. Sie würde eine Verlegung des Kitzabschusses in den November kaum rechtfertigen. Andererseits muss die Höhe des Wildbestands und die des Abschussplans berücksichtigt werden. Bei hohem Abschussplan zur Reduzierung des Wildbestands wird mit Aufgang der Jagd intensiv Jungwild erlegt, da der Plan sonst nicht zu erfüllen ist. Ein hoher Jungwildanteil im Abschuss ist zum Erreichen der angestrebten Populationsstrukturen notwendig. Zunehmend setzt sich die Tendenz durch, den Schalenwildabschuss möglichst bis Ende Dezember zu erfüllen, um dem Wild im Winter mehr Ruhe zu gewähren. Auch dies erfordert ein intensives Bejagen des Jungwilds von Beginn der Jagdzeit an.
Wenn man weiterhin berücksichtigt, daß in einer Reihe von Gebieten sogenannte Intervalljagden betrieben werden, bei denen Zeiten intensiver Bejagung mit völliger Jagdruhe wechseln, dann werden die ersten Jagdtage zu einer intensiven Jagdphase ausgenutzt, zumal beim Rotwild in der zweiten September- und beim Damwild in der zweiten Oktoberhälfte die Brunft stattfindet, in der Jagdruhe herrschen wird bzw. nur wenig männliches Wild erlegt wird.
Leichte Brunfthirsche
Das Argument höherer Körpergewichte des Jungwilds mit fortschreitender Jahreszeit zur Ablehnung des Septemberabschusses kann in wenigen Fällen kleinerer Jagdgebiete mit geringem Abschuss noch verstanden werden. Wenn aber nach diesem Prinzip verfahren wird, müßte das Wild konsequent auch bei den anderen Altersklassen zu den Zeiten des höchsten Körpergewichts erlegt werden. Das wären beim männlichen Wild die Wochen vor der Brunft und beim weiblichen Wild der Herbst nach dem Fallen der Mast im Oktober/November. Nach der Brunft dürfte kein älteres männliches Wild mehr erlegt werden. Beim Damwild sind beispielsweise zweijährige Hirsche im September durchschnittlich vier Kilogramm, fünfjährige und ältere zwölf Kilogramm schwerer als im November. Auch beim Rothirsch ist der Körpergewichtsverlust durch die Brunft beträchtlich.
Nutzen, bevor sie verenden
Ein weiterer Grund für möglichst frühzeitigen Abschuss von Jungwild ist die angestrebte Wirkung der Jagd als kompensatorische Sterblichkeit. Das bedeutet, dass durch die Jagd ein möglichst hoher Teil der sonst als natürlich Sterblichkeit abgehenden Stücke genutzt werden soll. Diese natürlichen Abgänge (Verkehrsverluste, Krankheiten oder Forkelverluste) sind beim Jungwild besonders hoch. Je früher in diese Altersklasse durch Abschuss eingegriffen wird, um so mehr wird von diesen sonst als natürliche Verluste abgehenden Stücken genutzt. Ein erlegtes Kitz kann nicht mehr überfahren werden. Dadurch werden ökonomisch die geringeren Körpergewichte des Jungwilds im September wieder ausgeglichen.
Aus alledem ergibt sich,…
Zusammenfassend wird festgestellt, dass dem einen Grund geringerer Körpergewichte jungen Schalenwildes im September für das Verschieben des Abschusses in die späteren Monate mehrere Argumente entgegenstehen, die einen rechtzeitigen Abschuss besonders bei hohen Abschussplänen dringend erforderlich machen. Diese sind das Erfüllen eines hohen Jungwildanteils, ein Verringern der natürlichen Sterblichkeit, frühzeitiges Erfüllen des Abschussplans und das Senken der Wilddichte zum Vermeiden von Wildschäden im Herbst.