Wie stabil sind montierte Zielfernrohre?
In Erfahrungsberichten der Deutschen Versuchs- und Prüf-Anstalt für Jagd- und Sportwaffen (DEVA) über schlechte Trefferleistungen von Waffen steht öfter, daß der Fehler bei einer nicht einwandfrei gearbeiteten oder angebrachten Montage liegt.
Einen guten Gams hatten wir gesehen und querten nun einen recht steilen Geröllhang, um ihn anzupirschen. Mein Freund trug seine Büchse mit Zielfernrohr in der Hand, denn hinter der nächsten Kante müßte er zu Schuß kommen. Unter seinem Tritt kamen plötzlich Steine in Bewegung. Beim schnellen Griff nach einer kleinen Latsche machte sich seine Büchse talwärts auf den Weg, blieb aber nach etwa 30 Meter vor einem Felsklotz liegen. Sein Fluchen war äußerst kraftvoll. Der Schaft war gesplittert, der Kammerstengel verbogen, das Korn fehlte, beim Zielfernrohr war ein Turm eingedrückt, der Objektivtubus hatte eine ovale Form angenommen und der Rest der Frontlinse fiel uns vor die Füße. Ich konnte ihm nur den wenig tröstlichen Rat geben: Häng sie zum Andenken an die Wand, sie hat dich vor Unheil bewahrt. Per Video zeigte mir ein anderer Jagdfreund folgende Jagdszene: Hoch im Norden Kanadas ging es auf Grizzly vom Kanu aus.
Die Sonne war warm, das Wasser eiskalt. Dann kam ein Bär in Anblick, gemächlich am Ufer entlangziehend. Take him, sagte der Jagdführer und steuerte das Kanu langsam dem Ufer zu. Auf etwa 100 Meter ging mein Freund, im schmalen Bug kniend, mit seiner 9,3×64 in Anschlag und ließ fliegen. Der Grizzly rollte halb ins Wasser und rührte sich nicht mehr. Der Schütze ging mit seiner Waffe rücklings über Kopf in die kalten Fluten. Mit der Rechten hielt er sich am Bordrand fest, die Linke umklammerte die Büchse. Einsteigen war unmöglich. Der Jagdführer warf den Außenborder an und steuerte ans Ufer. Angekommen, gings zuerst zum Bären. Das 19 g TUG hatte ganze Arbeit geleistet. Bald brannte ein Mordsfeuer, vor dem sich ein nackter Mensch trocknete und dann ein paar warme Kleidungsstücke vom umsichtigen Jagdführer anzog. Beim Blick durch das Zielfernrohr murmelte er: Ich habe doch mal gelesen, daß die absolut wasserdicht sein sollen.
BEWERTUNG DER BEIDEN BEISPIELE
Erster Fall: Auch das beste Zielfernrohr übersteht den Rutsch über einen Geröllhang nicht schadlos. Selbst zehn Meter könnten reichen, um es schrottreif zu machen. Zweiter Fall: Ein absolut wasserdichtes Zielfernrohr gibt es nicht kann es nicht geben. Hier wurde das von der Sonne erwärmtes, schwarze Zielfernrohr abrupt sehr stark abgekühlt. Es entstand im Inneren ein Vakuum, Wasser wurde hereingesogen. Hinzu kommt, daß Dichtungen bei Alterung etwas härter werden und dann leicht schrumpfen. Nicht umsonst empfehlen Hersteller von hochwertigen Armbanduhren, die bis 200 Meter wasserdicht sind, die Dichtungen alle fünf Jahre zu erneuern. Abgesehen von solchen extremen Belastungen stellt sich die Frage, was denn ein Zielfernrohr eigentlich aushält, wie stabil es ist. Grundsätzlich gilt, daß Zielfernrohre eines renommierten Herstellers robuster sind als ein Billigprodukt.
Zielfernrohre aus modernen Leichtmetallen mit Rohrkörpern aus einem Stück sind gegen Schlag, Stoß oder Verbiegung widerstandsfähiger als solche aus Stahl. Noch stabiler sind Zielfernrohre mit Innen- oder Außenschiene, die praktisch wie ein Rückgrat den Rohrkörper versteift. Am gefährdetsten sind der Objektiv- und der Okulartubus, die bei den modernen Montagen frei nach vorn und nach hinten überhängen. Zeiss hatte seinerzeit bei den kompakten C Modellen die Objektivtuben mit Gummi verkleidet, ein guter Schutz gegen Dellen durch Schlag und zugleich eine wirksame Regen- sowie Gegenlichtblende.
STURZ AUF WALD- ODER STEINBODEN?
Schauen wir uns an, welche Gefahrenquellen für ein auf eine Waffe montiertes Zielfernrohr beim Waidwerken möglich sind. Bei längerem Transport im Geländewagen, Pickup, Helicopter oder Buschflugzeug sollte die Waffe mit Zielfernrohr in einem stabilen Koffer oder einem dick gefütterten Futteral untergebracht sein. So sind beide gegen Schlag und Stoß geschützt.
Schütteln und Vibrationen verträgt ein gutes Zielfernrohr klaglos. Schon von der Konstruktion her ist es vibrationsfest, und nach dem Zusammenbau mußte es noch eine entsprechende Prüfung überstehen. Fassungslos schaut man hinterher, wenn die Waffe mit Zielfernrohr vor Erreichen der Kanzel der Hand entgleitet was zum Glück selten vorkommt. Der dumpfe Aufschlag läßt Schlimmes erahnen. Ist sie aus vier oder fünf Meter Höhe mit dem Schaft voran auf Waldboden gefallen und dann umgekippt, kann man beruhigt durchatmen.
Dem Zielfernrohr dürfte kaum etwas passiert sein, denn bei jedem Schuß ist es durch den Rückstoß einer viel größeren Belastung ausgesetzt. Gute Zielfernrohre sind schußfest bis zum stärksten Kaliber, der Schütze ists oft nicht. Schlägt die Waffe auf Steinboden oder Fels auf, verringern sich die Chancen, daß dem Zielfernrohr nichts passiert, mit höherem Waffengewicht und zunehmender Fallhöhe. Noch schlechter sind sie, wenn die Waffe mit dem Zielfernrohr nach unten schräg oder längs aufschlägt. Auch die Montage kann dabei aus der Fassung geraten. Ist beim Durchblick in der Optik kein Schaden erkennbar und läßt sich das Zielfernrohr ohne Gewalt abnehmen und wieder aufsetzen, heißt dies nicht, daß alles in Ordnung ist. Gewißheit bringen mindestens fünf Probeschüsse auf dem Stand. Ich habe schon erlebt, daß der zuversichtliche Schütze von einer 70-cm-Treffpunktabweichung auf 100 Meter überrascht wurde, die nicht mehr korrigierbar war. Zum Büchsenmacher führt dann der Weg.
WIE STABIL SIND MONTAGEN?
In Erfahrungsberichten der Deutschen Versuchs- und Prüf-Anstalt für Jagd- und Sportwaffen (DEVA) über schlechte Trefferleistungen von Waffen steht öfter, daß der Fehler bei einer nicht einwandfrei gearbeiteten oder angebrachten Montage liegt. Das trifft wahrscheinlich in erster Linie auf die handwerklich anspruchsvolle Suhler Einhakmontage zu. Sauber gearbeitet, ist diese jedoch genauso stabil wie eine gute Schwenk-, Sattel- oder Brükkenmontage. Nicht so widerstandsfähig gegen Stoß und Schlag sind Klemm- und Aufschubmontagen. Generell läßt sich sagen, daß die exponierten Objektiv- und Okulartuben vor allem bei Ringmontagen hier gefährdeter sind als die geringer Hebelwirkung ausgesetzten, relativ geschützt liegenden Montagen.
WIE STABIL SIND ABSEHEN?
Das Absehen in seinem Zielfernrohr wackelt, klagte jüngst ein Jagdfreund, trotzdem würde er immer gut treffen. Das Zielfernrohr zeigte keine Beschädigung. Es war das Absehen 1. Ich vermutete, daß es sich um ein Drahtabsehen handelte. Diese sind sehr robust, vibrieren allerdings (Absehen 1 und 11), wenn man die Waffe bei leerer Kammer abschlägt. Beim Schuß sieht man dieses Vibrieren nicht. Auf die Treffpunktlage hat das keinen Einfluß.
Sehr verbreitet sind Glasabsehen mit auf eine planparallele Scheibe aus optischem Glas aufgedampfter Absehenfigur und geätzte Absehen, bei denen das Trägermaterial für die Absehenfigur durch Ätzen entfernt wird. Das Absehen befindet sich dann frei in der Fassung wie das herstellungsmäßig teurere Drahtabsehen. Alle modernen Absehen sind schußfest bis zu den stärksten Patronen und halten auch seitlichen Stößen oder Schlägen in beachtlichem Maß stand. Was aber ist das Maß? Kippt eine an den Baum oder an eine Mauer gelehnte Waffe auf Erdboden, passiert dem Zielfernrohr nichts. Bei Zeiss werden die Zielfernrohre auch auf seitliche Schlagfestigkeit geprüft.
Ich nehme an, daß solche Prüfung ebenfalls bei anderen renommierten Herstellern erfolgt. Fällt die Waffe auf einen Stein, kann der Objektivtubus verbogen und die Frontlinse beschädigt sein oder auch nicht. Das abschließende Fazit: Es gibt zu viele Unwägbarkeiten, um eine verläßliche Aussage zu machen. Man kann die Gefahrenquellen beschreiben und mögliche Schäden abschätzen. Wie heißt es denn noch so schön: Gefahr erkannt Gefahr gebannt. Also vermeiden wir nach Möglichkeit solche Situationen, die unserer Waffe mit der Zieloptik schaden könnten.