Das Frühjahr weckt nicht unsere Lebensgeister wieder, sondern auch die des Wildes. Wer in der Blattzeit einen Bock erlegen möchte, der sollte jetzt auskundschaften wo er seinen Einstand wählt. Revierjagdmeister Ronny Andresen gibt Tipps, wo und wann er zu finden ist.
In den meisten Bundesländern geht die Bockjagd mit dem ersten Mai auf. Zwar geht es vielen erst einmal um die Jährlinge und Schmalrehe, aber wer in der Blattzeit einen reifen Bock erlegen möchte, muss bei Zeiten beginnen, diese in seinem Revier zu bestätigen. Denn wer kennt das Phänomen nicht? Noch im Bast scheint an jeder Ecke ein Rehbock zu stehen, im Verlauf des Frühjahres werden insbesondere die Interessanten unter ihnen plötzlich unsichtbar.
Wichtig für den Bock: Der April
Daher lassen sich gerade die reifen bzw. alten Rehböcke am leichtesten im April bestätigen. Ihre Aktivitätszeiten liegen sowohl abends, als auch morgens um die Dämmerung herum, wobei am Morgen das Licht für den Jäger arbeitet. Zudem sind gerade im Frühjahr, wenn die Sonne zeitig aufgeht, morgens kaum Beunruhigungen durch Spaziergänger zu erwarten. Am Abend wird jedoch schnell noch einmal im letzten Licht der Hund Gassi geführt oder eine romantische Fahrradtour unternommen, die einem selbst aber den Anblick vermasseln kann. Die besondere Sichtbarkeit des Rehwildes im Allgemeinen ist vor allem mit dem plötzlichen Überangebot an Äsung zu erklären. Nach Monaten des tristen Einheitsgraus, grünt es jetzt an allen Ecken und die Sonne ist auch morgens schon angenehm wärmend.
Ein weiterer Sichtbarkeitsfaktor ist die beginnende Territorialität der Böcke. Werden die Tage spürbar länger, setzt die Testosteronproduktion ein. Der Prozess ist nämlich Tageslicht abhängig. Eine steigende Konzentration des Sexualhormons führt einerseits zum Abschluss der Verknöcherung des Bastgehörns und dem anschließenden Verfegen, andererseits zur gesteigerten Rivalität.
Schon ab Anfang Mai wird es dann wieder schwieriger einen alten Bock in Anblick zu bekommen. Die Vegetation ist nun deutlich dichter und höher. Erst kurz vor der Blattzeit wird man dann wieder eher Glück haben, wenn der Alte möglicherweise auch tagsüber schon zu suchen beginnt.
Einstandsqualität
Ein älterer Rehbock wird sich eine eher ruhigere Ecke im Revier suchen, die weniger von Menschen, Hunden und landwirtschaftlichen Aktivitäten beeinträchtigt wird, und möglichst gute Äsungs- und Deckungsbedingungen bietet. Ausschlaggebend ist jedoch insbesondere, dass Böcke überhaupt die Chance haben alt zu werden. Liegen die Premiumeinstände an den Reviergrenzen und die nachbarschaftlichen Verhältnisse sind eher von Mißgunst, als Einvernehmen geprägt, ist nicht zu erwarten, dass gute Einstände auch alte Böcke beherbergen.
Beständigkeit
Dabei ist durchaus zu erwarten, dass der als Zukunftsbock bestätigte Drei- bis Vierjährige auch im Alter noch denselben Einstand aufsucht. Auch wenn Rehböcke anhand ihres Gehörns nicht unbedingt so leicht wieder zu erkennen sind, wie Rothirsche beispielsweise. Da Rehwild viel Stressempfindlicher ist, als viele Jäger annehmen, wirkt sich insbesondere innerartliche Konkurrenz negativ auf die körperliche Verfassung, und somit auch auf die Gehörnentwicklung aus. Daher sollten weitere körperliche Merkmale, wie Fehlfärbungen, geschlitzte Lauscher, Stangenstellung oder ähnliches ebenfalls in die Wiedererkennung eines Kandidaten einbezogen werden.
Telemetriestudien haben nämlich ergeben, dass ein einmal etablierter Einstand für den Rest des sexuell aktiven Bocklebens durchschnittlich 70 Prozent territoriale Überlappung mit dem Vorjahreseinstand aufweist und der Aktionsradius selten 500 Meter übersteigt. Verschiebungen gibt es vermutlich immer dann, wenn sich etwas an der Struktur des Gebietes gibt, wie Vegetationsveränderungen etwa durch Einschläge in der Forst.
So spart ein alter Bock Kräfte
In den Einständen älterer Böcke, kann man durchaus eher einen Jährling in Anblick bekommen, als den alten Bock selbst. Er ist an sich eher heimlich und weiß, wie er seine Kräfte einteilen muss. Er hat es nicht mehr nötig, selbst die gehörnte Ricke bis an den Horizont zu jagen, wie es ein mittelalter Bock unter Dampf tut. Verhält sich der Jährling unauffällig, wird er am Rande toleriert.
Die Einstandsgröße an sich ist eher vom Biotop, als vom Alter des Bockes abhängig. Hat ein Lebensraum vermehrt als Grenzlinien dienende Strukturen wie Hecken, Knicks oder Dickungen, werden tendenziell kleinere Territorien verteidigt. In Waldrevieren mit offenem Stangenholz und wenig Unterbau, können die Einstände schnell zwei bis dreimal so groß ausfallen, wie in Feld-Wald-Mischlandschaften. Einzig bei wirklich überalterten Böcken kann es laut einer schwedischen Studie zu einer drastischen Verringerung der Territoriumsgröße kommen.
Diese werden in ihrer letzten Fortpflanzungsperiode teils noch in einer Ecke des ehemaligen Einstandes geduldet, der nun von einem jüngeren Rivalen übernommen wurde. Meist nimmt ein solcher Bock aber schon nicht mehr wirklich aktiv an der Blattzeit teil und beschlagen nur noch sehr selten erfolgreich. Je nach Bestandsstruktur und -dichte lag das Alter in den beiden untersuchten, schwedischen Revieren hierfür ab acht bzw. zwölf Jahren.
Schmalrehbegleitung
Die Beobachtung, dass alte Böcke häufig von einem Schmalreh begleitet werden, ist nicht immer richtig. Nicht selten handelt es sich dabei um eine Fehlansprache, bei richtiger Bejagung sollte es ohnehin relativ wenige Schmalrehe geben.
Allerdings sind erwachsene Ricken, ob hochbeschlagen oder mit Kitzen, ebenso territorial wie Böcke und dulden außerhalb der Blattzeit weder Böcke, noch Schmalrehe in unmittelbarer Nähe. Es überrascht also nicht, wenn sich diese zusammen tun um dem Ungemach der alten Zicken zu entgehen. Zudem steigen die Chancen für den Alten das Schmalreh gleich zu Beginn der Blattzeit erfolgreich zu beschlagen, bevor es abwandert.
Hilfsmittel
Der Einstand eines alten Bockes ist ohne die Sichtbestätigung des Stücks selbst nicht ohne weiteres zu erkennen. Aber, wenn der Bock schon seit Jahren dasselbe Territorium bezieht, markiert er möglicherweise nicht mehr so übermotiviert wie ein Jüngerer, der jeden verfügbaren Busch und Strauch malträtiert, bis es sichtbare Spuren zeigt. Ist der Platzbock ein altbekannter, der sich schon mehrere Jahre einen Namen gemacht hat, kann er hier Energie sparen.
Die Größe des Reviers wird sich erst, wie bereits erwähnt, zum Ende eines Bocklebens deutlich reduzieren. Bis dahin hilft nur eine gute Übersicht darüber, welcher Bock gewohnheitsmäßig welches Revier bezieht. Diese erlangt man nur durch Sitzfleisch und gute Kameras. Salzlecken, Wildäcker und Kirrungen können da dienliche Hilfsmittel sein. Sicher ist nur, dass nicht etwa Anhand der Dicke der befegten Bäumchen oder Anzahl der Plätzstellen das Alter des Bockes, der dort steht, bestimmt werden kann, sondern zu verstehen ist, wie die Verteilung der einzelnen Bockrevieren ist, um dann über Jahre hinweg Aufschluss darüber zu bekommen welcher nun das Hegeziel erreicht hat.
Wenn es ernst wird
Ist die Blattzeit und damit endlich der würdige Erlegungszeitpunkt für den reifen Bock gekommen, mag sich so mancher wundern, warum nur liebestolle Zweijährige auf das Blatt zustehen. Hat man sich nicht ausreichend und rechtzeitig mit den Einstandsverhältnissen beschäftigt, kann es schlicht sein, dass sich in dieser Revierecke überhaupt kein alter Bock befindet. Schließlich wachsen diese nicht auf den Bäumen und sind allgemein eher rar. Zudem sind fünf bis acht Blattzeiten lehrreich genug um eine schlechtgespielte Strophe von einem echten Schmachtgesang zu unterscheiden. Wer nicht geübt ist, wird den erfahrenen Bock kaum täuschen können. Je nach Fortgang der Blattzeit, darf auch nicht vergessen werden, dass der Bock die Damen der Nachbarschaft bereits kennen wird und je nach Erfahrungsschatz auch einschätzen kann, ob überhaupt noch eine unbeschlagen geblieben ist.
Springt jedoch ganz unerwartet ein Unbekannter – oder nicht wieder Erkannter – ist die Freude natürlich groß.