Notzeit – was ist zu tun, was verboten?

In vielen Bundesländern wird zur Zeit durch die zuständigen Jagdbehörden großflächig die
Notzeit ausgerufen. Mit einer solchen Anordnung gehen für die
Jagdausübungsberechtigten diverse Pflichten und Verbote einher, die nachfolgend
ebenso dargestellt werden wie die drohenden Folgen einer Nichteinhaltung
dieser jagdrechtlichen Sonderbestimmungen.

notzeit_1.jpg

Bei der Notzeit handelt es sich keinesfalls nur um eine Winterproblematik. Auch Katastrophen wie Überschwemmungen oder Waldbrände können eine Notzeit nach sich ziehen. Das Bundesjagdgesetz enthält nur wenige Regelungen zur Notzeit. So wird von Paragraf 23 Bundesjagdgesetz lediglich klargestellt, dass der Schutz des Wildes vor Futternot zu den Aufgaben des Jagdschutzes gehört. Die zweite Erwähnung findet die Notzeit in Paragraf 19 Absatz 1 Nummer 10 Bundesjagdgesetz. Als sachliches Verbot wird dort normiert, dass es untersagt ist,“in Notzeiten Schalenwild in einem Umkreis von 200 Metern von Fütterungen zu erlegen“. Die weitere rechtliche Ausgestaltung der Notzeit-Vorschriften wurde den Bundesländern überlassen, die davon alle Gebrauch gemacht haben. Auch die Möglichkeit einer Einschränkung oder Untersagung des Fütterns wurde mit Paragraf 28 Abs. 5 Bundesjagdgesetz den Ländern in die Hände gelegt. 

Erlegungsverbot
Die wichtigste Einschränkung des Jagdausübungsrechts bei angeordneter Notzeit stellt zweifellos das Erlegungsverbot gemäß Paragraf 19 Absatz 1 Nummer 10 Bundesjagdgesetz dar. Auch wenn man in der jagdlichen Ausbildung gelernt hat, dass Fütterungen und Kirrungen (letztere als zumeist erlaubte Bejagungshilfen) unterschiedliche Begrifflichkeiten sind, ist bei Notzeitenfütterungen zu beachten, dass der Begriff der“Fütterung“ in Paragraf 19 Absatz 1 Nummer 10 Bundesjagdgesetz nach herrschender Meinung untechnisch zu verstehen ist. Das Erlegungsverbot gilt daher auch an und im Umkreis von 200 Metern um Kirrungen! Das ist zum Teil landesrechtlich klargestellt worden. So ordnet zum Beispiel Paragraf 7 Absatz 5 der Verordnung zur Durchführung des Jagdgesetzes für das Land Brandenburg an:“In Notzeiten ist der Abschuss in einem Umkreis von 200 Metern von Kirrungen und Ablenkfütterungen verboten.“ Diese Erstreckung des Erlegungsverbotes aus Paragraf 19 Absatz 1 Nummer 10 Bundesjagdgesetz auf Kirrungen ist dem Umstand geschuldet, dass das Wild in Notzeiten die Kirrungen nicht nur aus Neugierde, sondern auch aus echter Hungersnot heraus aufsucht. Es gilt daher aus Gründen der Waidgerechtigkeit auch in den Bundesländern, die das nicht so explizit wie in Brandenburg hervorgehoben haben. Auch bei auf dem Acker verbliebenen Kartoffel- oder Rübenmieten, die vom Wild regelmäßig aufgesucht werden, ist nach der Rechtsprechung von einer Fütterung im Sinne des Paragrafen 19 Absatz 1 Nummer 10 Bundesjagdgesetz auszugehen. Nicht darunter fallen aber Salzlecken, da diese nicht der Fütterung im Sinne der Sättigung dienen. Auch Wildäcker sind nicht als Fütterung im Sinne des Paragrafen 19 Absatz 1 Nummer 10 Bundesjagdgesetz anzusehen, weil es sich hierbei trotz ursprünglich menschlicher Anlegung um einen natürlichen Äsungsanfall handelt. Ebenfalls zu beachten ist, dass das Verbot der Erlegung von Schalenwild in Notzeiten im Umkreis von 200 Metern um Fütterun-gen entgegen mancher landläufigen Meinung auch für Schwarzwild gilt. Das Bundesjagdgesetz erstreckt das Erlegungsverbot ohne Ausnahmen auf alle Schalenwildarten im Sinne seines Paragrafen 2 Abs. 3. 
Was gilt nach Landesrecht? 
Die weitere rechtliche Ausgestaltung der Notzeit in den einzelnen Ländern ist unübersichtlich. Während einzelne Länder sich in nur wenigen Sätzen in ihren Landesjagdgesetzen dieser Thematik annehmen, haben andere Länder ausführlichste, teilweise schon überladen wirkende Aus- und Durchführungsverordnungen zum Jagdgesetz oder eigenständige Fütterungsverordnungen geschaffen. Diese bestimmen unter anderem, durch wen Notzeit angeordnet wird und welche Pflichten die Jagdausübungsberechtigten dann haben, insbesondere wie und womit gegebenfalls zu füttern ist. 
Wann ist eigentlich Notzeit? 
 Viele Bundesländer haben den Begriff der Notzeit im Gesetz und zumeist sehr ähnlich definiert. Auch in Ländern, die von einer gesetzlichen Notzeitdefinition abgesehen haben, ist ein strenger Maßstab an das Vorliegen einer Notzeit anzulegen. Eine Notzeit ist auch dort nur dann gegeben, wenn das Wild während der vegetationsarmen Zeit, insbesondere aufgrund von Schneelagen, bei Vereisungen und Starkfrostperioden sowie infolge von Naturkatastrophen wie Waldbränden und Überschwemmungen, nicht nur an wenigen Tagen keine ausreichende natürliche Äsung aufnehmen kann.

Fütterungsrechte/-pflichten 

In den meisten Bundesländern gilt ein grundsätzliches Fütterungsverbot. Während einer Notzeit wird dieses mit der Folge aufgehoben, dass der Jagdausübungsberechtigte zur Wildfütterung berechtigt und in vielen Ländern auch verpflichtet wird. Vorbehaltlich der differenzierten landesrechtlichen Regelungen kann man das im Rahmen einer solchen Notzeit erlaubte Füttern durch den Jagdausübungsberechtigten damit zusammenfassen, dass das Wild wenn ihm in der Notzeit die Aufnahme örtlich wachsender Nahrung nicht ermöglicht werden kann mit artgerechtem Futter in geringst notwendiger Menge gefüttert werden darf. Neben dieser Befreiung vom grundsätzlichen Fütterungverbot in „echten“ Notzeiten, die im Einzelfall festgelegt werden, haben einzelne Bundesländer die Möglichkeit geschaffen, in der winterlichen Jahreszeit, datumsmäßig begrenzt, grundsätzlich füttern zu dürfen. Neben solchen Befreiungen vom Grundsatz des Fütterungsverbots enthalten die landesrechtlichen Vorschriften aber auch Handlungspflichten. So ist bei Notzeit durch den Jagdausübungsberechtigten insbesondere der Zugang zu natürlicher Äsung, etwa durch Freischieben oder Anlegen von Äsungsflächen, und die ausreichende Wasserversorgung sicherzustellen. Einige Bundesländer ordnen auch eine Fütterungspflicht an. Wo dies nicht explizit geregelt ist, folgt eine solche Pflicht zur Fütterung in Notzeiten aus dem Gebot der Waidgerechtigkeit (§ 1 Abs. 3 BJagdG). Daher sind auch die Forderungen des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) und anderer Organisationen, die eine Notzeitenfütterung ablehnen und ein Verhungern des Wildes als natürlichen Ausleseprozess ansehen, unter der Geltung des Bundesjagdgesetz als gesetzeswidrig zurückzuweisen.
Was droht bei Verstößen?
Die schwerwiegendsten Folgen kommen auf denjenigen Jäger zu, der gegen das Erlegungsverbot aus Paragraf 19 Absatz 1 Nummer 10 Bundesjagdgesetz verstößt. Dieser begeht damit einen gröblichen Verstoß gegen die anerkannten Grundsätze der Waidgerechtigkeit. Das führt wegen Paragraf 17 Absatz 4 Nummer 2 und Paragraf 17 Absatz 2 Nummer 4 in Verbindung mit Paragraf 17 Absatz 4 Nummer 1 d und Paragraf 17 Absatz 1 Nummer 2 Bundesjagdgesetz dazu, dass er „in der Regel“ jagdrechtlich als unzuverlässig eingestuft wird. Damit ist der Jagdschein gemäß Paragraf 18 Bundesjagdgesetz einzuziehen. In der Folge erlischt im Zweifel der Pachtvertrag, und es entstehen Schadensersatzansprüche des Verpächters (§ 13 BJagdG). Ohne Jagdschein entfällt als letzte Konsequenz das waffenrechtliche Bedürfnis zum Besitz der Waffen (§ 13 Waffengesetz – WaffG), so dass die Waffenbesitzkarte widerrufen wird (§ 45 Abs. 2 WaffG) und die Waffen unbrauchbar zu machen oder abzugeben (§ 46 WaffG) sind. Verbotene oder missbräuchliche Fütterungen werden als Ordnungswidrigkeiten mit Geldbuße geahndet. Allerdings ist auch hier zu beachten, dass ein wiederholter Verstoß gegen die jagdrechtlichen Vorschriften über die Wildfütterung nach Paragraf 17 Absatz 4 Nummer 2 Bundesjagdgesetz auch gegen die erforderliche jagdrecht-liche Zuverlässigkeit spricht mit den zuvor erwähnten Folgen. 
Verwaltungszwang
Wo die Bundesländer explizite Handlungspflichten (Schaffung von Zugang zu natürlicher Äsung, Fütterungsgebote) normiert haben, sind diese in allen Bundesländern auch mit Verwaltungszwang durchsetzbar. Nach den landesrechtlichen Verwaltungsvollstreckungsgesetzen werden die unterlassenen Maßnahmen im Wege der Ersatzvornahme von der Behörde selbst oder durch von ihr beauftragte Dritte durchgeführt und der entstandene Aufwand dem Handlungspflichtigen in Rechnung gestellt. Auch hier gilt wieder, dass eine beharrliche Verweigerung der Durchführung der gesetzlich vorgesehenen Hegemaßnahmen wegen Paragraf 17 Absatz 4 Nummer 2 Bundesjagdgesetz die jagdrechtliche Zuverlässigkeit in Frage stellt. Neben der Möglichkeit der Ersatzvornahme haben einzelne Bundesländer echte Sanktionsnormen bei Verweigerung der gesetzlich vorgesehenen Notzeitenmaßnahmen vorgesehen. Hier muss der handlungsunwillige Jagdausübungsberechtigte mit einer Herabsetzung des entsprechenden Abschussplans für Schalenwild oder der Sperrung des Abschusses beim Niederwild rechnen, womit auch dafür gesorgt wird, dass sich der Wildbestand lokal wieder erholen kann. 
Dr. Henning Wetzel