Meißner-Kaufunger Wald: Ergebnisse der Zählung des Rotwildes

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Mittels Wärmebildtechnik lassen sich die Bestände gut erfassen. (Foto: Firma "wildlifemonitoring by aerosense")

Zwischen 16. März und 03. April 2023 wurde der Rotwildbestand im Rotwildgebiet Meißner-Kaufunger Wald mittels Befliegung erfasst.

An insgesamt fünf Flugtagen wurde die Rotwilddichte im Untersuchungsgebiet erfasst.  Zählungen aus der Luft gehören zu den wissenschaftlich anerkannten Methoden der Bestandserfassung im Wildtiermanagement. Mittels Wärmebildtechnik und einer hochauflösenden Kamera werden die Tiere nicht nur gezählt, sondern auch spezifiziert. Die Kosten wurden vollständig vom Land Hessen aus Mitteln der Jagdabgabe übernommen.

Methodik der Zählung

Bei der Zählung wird das Untersuchungsgebiet in parallelen Flugrouten beflogen. Mittels eines zweifachen Kamerasystems aus einer Wärmebildkamera, die einen Infrarotfilm aufnimmt, und einer hochauflösenden, visuellen Kamera wird der Wildbestand erfasst. Die Wärmebildtechnik dient vor allem dazu, die Tiere zu entdecken, während die visuellen Aufnahmen für die genaue Einordnung der beobachteten Tiere nach Alter und Wildart genutzt werden. Der Pilot fliegt dabei die eingegebene Strecke nach Plan ab, während das Kamerasystem die Daten digital speichert, damit diese nachträglich am Boden ausgewertet werden können. Alle Beobachtungen werden bei der Auswertung in einem Geoinformationssystem (GIS) verortet.

Die Entdeckungswahrscheinlichkeit eines Wildtiers hängt vor allem von der Dichte der Vegetation und von der gesuchten Wildart ab. Deshalb muss die Zahl der erfassten Tiere in Abhängigkeit von der Lebensraumstruktur statistisch korrigiert werden. In offenen, gut einsehbaren Lebensräumen muss nur wenig korrigiert werden. Bei dichter Vegetation muss ein höherer Korrekturfaktor angesetzt werden.

Rotwild

Mit Hilfe einer hochauflösenden Kamera lassen sich die Tiere spezifizieren. (Foto:Firma „wildlifemonitoring by aerosense“)

Ergebnisse der Zählung

Vierbacher Wald

An fünf Flugtagen wurden insgesamt 747 Kilometer abgeflogen. Im Vierbacher Wald (621 Hektar) wurden insgesamt 131 Stück Rotwild erfasst (davon ein Rudel mit 61 Tieren). In diesem kleinen Teilgebiet wurde eine Rotwilddichte von 25,7 Tiere / 100 ha Untersuchungsgebiet errechnet. Dieser Bereich ist seit vielen Jahren durch besondere Waldbesitzverhältnisse als ein Schwerpunkteinstand und Rückzugsort für das Rotwild bekannt.

Hoher Meißner

Auf dem Massiv des Hohen Meißners (2.403 Hektar) wurden 154 Stück Rotwild erfasst. Davon ein Rudel mit 89 Tieren am Nordwesthang des Berges, während es auf der riesigen Plateaufläche und am dicht bewaldeten Osthang nur vereinzelte Beobachtungen gab. Auch der Nordwesthang des Meißner ist – wie der Vierbacher Wald – als Schwerpunkteinstand und Rückzugsort für das Rotwild bekannt, was mit besonders guten Lebensräumen außerhalb des Wirtschaftswaldes zusammenhängt. Am Meißner errechnet sich damit für 2023 formal eine Frühjahrsdichte 2023 von 7,5 Tieren / 100 Hektar, wieder bei auffällig ungleicher Verteilung der Tiere.

Kaufungen

Im westlichste Teil des Rotwildgebiets bei Kaufungen mit einer Fläche von 2.910 Hektar wurden insgesamt 40 Stück Rotwild gezählt mit einem Rudel von  11 Tieren. Wegen der dichten Vegetation musste ein höherer Korrekturfaktor angewendet werden. Im Südwesten dieses Gebietes wurde kein Rotwild gefunden. Es ist von einer Rotwilddichte von 1,8 Tieren / 100 Hektar im Frühjahr 2023 auszugehen.

Hirschberg und Rohrberg

Auf zwei Teilflächen mit insgesamt 2.036 Hektar wurde nur im Norden ein größeres Rudel erfasst, während die südlichen Teilflächen zu großen Teilen rotwildfrei waren. Für das nördliche Teilgebiet wurde eine Wilddichte von 6,4 Tieren /100 Hektar, für das südliche Teilgebiet von 3,9 Tieren /100 Hektar errechnet.

Westlich von Bad Sooden-Allendorf wurden auf 1.426 Hektar 3,4 Tieren /100 Hektar erfasst.

Abschätzung der Ergebnisse

Die Ergebnisse der Zählungen zeigen die großen Dichteunterschiede in den verschiedenen Einstandsgebieten und den hohen Grad der Wildkonzentration in wenigen, während große Waldflächen nahezu rotwildfrei sind. Insbesondere am Nordwesthang des Meißners zeigte sich auch eine deutliche Tendenz zur Großrudelbildung.

Da die Befliegungen alle am Tage erfolgten, darf davon ausgegangen werden, dass sich in dieser Zeit kein Rotwild in den deckungsarmen Feldfluren aufhielt.

Die mittlere Rotwilddichte liegt bei 6,1 Tiere / 100 ha Untersuchungsgebiet, allerdings mit enormen Schwankungen zwischen 1,8 bis 25,7 Tiere pro 100 Hektar.

Die Abschätzung der Reproduktion ist schwierig, da das Geschlechterverhältnis deutlich zugunsten der weiblichen Tieren verschoben sein dürfte.  Die Autoren empfehlen mit einer Reproduktionsrate von 70% und 80% des weiblichen Wildes zu kalkulieren. Je nach Geschlechterverhältnis schwankt der geschätzte Zuwachs bei einem Frühjahrsbestand von 1266 Tieren zwischen 443 Kälber (Geschlechterverhältnis ausgeglichen und angenommener Zuwachs 70%) und 675 Kälber (Geschlechterverhältnis 1:2 und angenommener Zuwachs 80%).

Beurteilung durch den Rotwildring

Die Verantwortlichen in der Rotwildhegegemeinschaft Meißner-Kaufunger Wald stehen nun vor dem Problem, dass die Wildzählung aus der Luft im Frühjahr 2023 zu gänzlich anderen Ergebnissen kommt als die Ergebnisse der Rückrechnung aus den Erlegungszahlen. Diese wird vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie alljährlich durchgeführt und ist eine der wichtigsten Grundlagen für die Abschussplanung. Während die Befliegung einen Frühjahrsgesamtbestand von 1266 Stück Rotwild ergeben hat, gibt die Rückrechnung für April 2023 einen Bestand von allein 925 weiblichen Tieren an. Dies entspräche je nach angenommenem Geschlechterverhältnis einem Gesamtbestand von bis zu 1850 Tieren. Auch wenn diese Zahl mit einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis von männlichen und weiblichen Tieren nur hypothetisch ist, so muss diese Diskrepanz um fast 600 Tiere im Interesse einer artgerechten Wildbewirtschaftung unbedingt geklärt werden. Wobei die Zahlen der Befliegung als einem visuellen Verfahren glaubwürdiger erscheinen, als die der auf die Ungenauigkeiten der Streckenangaben angewiesene Rückrechnung, die ein rein statistisches Verfahren ohne Abgleich in der Natur ist.

 

Text von Dr. Jörg Brauneis

Rotwildring Meißner-Kaufunger Wald